Mick Jagger wird 80 und pflegt Kontakt zu Jesus und Teufel

"Einen Heiligen wird man niemals aus ihm machen"

Sir Mick Jagger, am Mittwoch wird er 80 Jahre alt und ist immer noch auf den Rockbühnen der Welt unterwegs. Wie hält er es mit Glauben und Religion? Prof. Volker Eichener hat sich auf Spurensuche begeben und ist fündig geworden.

Ewig jung: Mick Jagger (dpa)
Ewig jung: Mick Jagger / ( dpa )

DOMRADIO.DE: Mick Jagger kam ja aus einem bürgerlichen Elternhaus. Weiß man denn, was er für ein Zugang hatte zu Glauben und Religion?

Prof. Volker Eichener (Autor und Politik- und Kulturwissenschaftler an der Hochschule Düsseldorf): Ja, er hat selber darüber gesprochen. Man muss dazu sagen, er hatte natürlich eine religiöse Erziehung genossen. Aber das war eine sehr konservative anglikanische Kirche damals. Und er hat eigentlich Zeit seines Lebens nie eine wirklich enge Bindung zur Kirche gehabt. Aber er hat eine persönliche Bindung an den Glauben. Und das hat dazu geführt, dass er im Laufe seiner Karriere doch eine ganze Reihe Songs über religiöse Themen gemacht hat. Aber natürlich auf seine Art und Weise.

DOMRADIO.DE: Da wäre zum Beispiel "Sympathy for the Devil", da geht es um den Teufel.

Eichener: Der Sänger schlüpft sozusagen in die Rolle des Teufels von Michail Bulgakow, dem russischen Schriftsteller. Er hat den Teufel im 20. Jahrhundert als einen kultivierten, gut gekleideten Herrn, der Sympathie und gute Manieren im Umgang mit sich fordert porträtiert, der aber nicht weniger grausam ist als der klassische Teufel des Mittelalters, der Kriege und Revolutionen beginnt, der Menschen ermordet und der auch deine Seele verwüsten will.

DOMRADIO.DE: Damals haben sich ja auch Satanisten auf dieses Lied bezogen. Die Stones haben es dann jahrelang nicht mehr live gespielt. Aber mit Satanismus hatte Mick Jagger nichts zu tun?

Eichener: Dieses Lied kann man gar nicht missverstehen, weil es ein ganz traditioneller Teufel als Urheber des Bösen in der Welt ist. Dieser Song hat übrigens durchaus philosophischen Tiefgang, weil in Versen gefragt wird: Wer hat die Kennedys ermordet? Und die Antwort: Es waren Du und ich! Und: Jeder Polizist ist auch ein Krimineller. Und: Die Heiligen sind Sünder und umgekehrt. Das heißt, das Gute und das Böse, das steckt im Menschen drin, diese Ambivalenz. Das taucht übrigens in vielen Jagger-Songs auf. Dieses Thema und das Böse wird dann halt verkörpert durch den Teufel, der sich im ewigen Kampf mit Gott befindet. Insofern ganz klassisch christlich.

Prof. Volker Eichener , Politik- und Kulturwissenschaftler an der Hochschule Düsseldorf

"Sein Jesus ist eben ein anderer als der der konventionellen Kirche. Aber damit erreicht er möglicherweise dann auch ein ganz anderes Publikum."

DOMRADIO.DE: Im Song "Joy" erzählt er, wie er durch die Wüste fährt und Jesus trifft. Was wollte er mit dem Lied sagen?

Eichener: Das ist eigentlich ein Lied über Glaubenserfahrung, die bei ihm große Freude auslöst. Daher auch der Songtitel. Aber der Jesus, dem er begegnet, ist natürlich auch ein etwas anderer Jesus. Der steckt sich nämlich erst mal eine Zigarette an. Das ist die typische Jagger-Gläubigkeit. Sein Jesus ist eben ein anderer als der der konventionellen Kirche. Aber damit erreicht er möglicherweise dann auch ein ganz anderes Publikum.

DOMRADIO.DE: Die Stones haben zusammen mit anderen Rockbands auch einen ziemlichen Einfluss auf die christlichen Kirchen gehabt. Auf die Sprache zum Beispiel. Inwiefern?

Eichener: Die Kirchen waren ja gute 1000 Jahre lang immer auf der Seite der Mächtigen. Sie haben Herrschaft und Regierungen immer stabilisiert. Das wurde damals in den 60er Jahren von der rebellischen Jugend attackiert, so auch von den Stones. Das haben die Kirchen erst gar nicht gut goutiert. Rockmusik war sozusagen sündige Musik. Aber dann, 1968, 1969,1970, haben auch die Kirchen gelernt, dass sie eigentlich zur jesuanischen Botschaft zurückkehren müssen, die ja teilweise auch kritisch war gegenüber Macht, gegenüber Gesellschaft.

Die Kirchen haben neue Themen aufgenommen. Sie haben gesellschaftskritischen, kapitalismuskritischen Themen und  Umweltschutz Platz gegeben. Sie haben ihren Stil modernisiert. In deutschen Kirchen wurde die englische Sprache präsent. Da gab es auf einmal "Meetings", und englische Gospels. Das Englische stand für das Fortschrittliche, das Kosmopolitische, so wollte man den Kontakt zur Jugend bekommen.

Prof. Volker Eichener , Politik- und Kulturwissenschaftler an der Hochschule Düsseldorf

"Er ist heute fast im bürgerlichen Mainstream angekommen. Aber das liegt eher daran, dass er es geschafft hat, die Gesellschaft so zu verändern, dass sie heute viel liberaler, viel toleranter ist, als das in seiner Jugend der Fall war."

DOMRADIO.DE: Heute ist Mick Jagger Sir und trinkt mit den Royals Tee. Hat er sich der Gesellschaft, die er verändern wollte, doch angepasst?

Eichener: Ich glaube, es ist fast umgekehrt. Die Gesellschaft erträgt heute langhaarige, rebellische Menschen besser, als das noch in den 60er Jahren der Fall war. Und dazu hat er ganz wesentlich beigetragen. Er, der anfangs schockiert hat mit Satisfaction und ähnlichen Songs, ist heute fast im bürgerlichen Mainstream angekommen. Aber das liegt eher daran, dass er es geschafft hat, die Gesellschaft so zu verändern, dass sie heute viel liberaler, viel toleranter ist, als das in seiner Jugend der Fall war.

DOMRADIO.DE Und heute wird er 80. Meinen Sie, er setzt sich immer noch mit Religion, Spiritualität, Glauben auseinander?

Eichener: Da bin ich ganz sicher. Er hängt solche Dinge nicht an die große Glocke. Er geht also nicht als moderner Missionar durch die Welt. Er hat irgendwo seinen persönlichen Glauben. Und hin und wieder schreibt er auch mal einen Song über religiöse Themen. Aber es ist immer auch eine Religion, die ein bisschen unkonventionell ist. Einen Heiligen wird man niemals aus ihm machen, hat er ja selbst gesungen in diesem Lied "Saint of me". Aber im Grunde genommen ist er doch ein guter Mensch, wenn man mal von der einen oder anderen Eskapade absieht, die er sich leistet.

Das Interview führte Heike Sicconi.

Buchtipp:

Volker Eichener: They Rocked the City. Rockmusik und gesellschaftlicher Umbruch.
Zweitausendeins Verlag, 720 Seiten, 29,90 Euro

Mick Jagger wird 80

Die berühmten Lachfalten im Gesicht von Mick Jagger sind mittlerweile riesige Gräben. Seine Lippen sind nicht mehr so markant und voll wie damals, als man vermutete, sein Mund habe das berühmte Lippen-Logo seiner Rolling Stones beeinflusst. Davon abgesehen hat sich Sir Michael Philip Jagger nicht so verändert, wie man es von einem Rockidol nach sechs Dekaden im Musikgeschäft erwarten könnte. Am 26. Juli wird der legendäre Sänger 80 Jahre alt.

Mick Jagger (dpa)
Mick Jagger / ( dpa )
Quelle:
DR