Der Ort des ersten Treffens eines Papstes mit einem russisch-orthodoxen Patriarchen im Februar 2016 war ungewöhnlich: einFlughafengebäude in der kubanischen Hauptstadt Havanna. Dort gingen Franziskus und Kyrill I. lächelnd aufeinander zu, umarmten sich an den Oberarmen und gaben sich drei Wangenküsschen. Die historische Begegnung hatten der Vatikan und das Moskauer Patriarchat erst eine Woche im Voraus angekündigt. Nun wird über ein mögliches zweites Treffen der beiden Kirchenoberhäupter spekuliert.
Treffen am Moskauer Flughafen?
Leonid Sewostjanow, der sich in Russland als Mittelsmann Franziskus' ausgibt, berichtete von einem angeblichen Vorschlag des Papstes, "Patriarch Kyrill auf einem Moskauer Flughafen, in Domodedowo oder Wnukowo, zu treffen, wenn er in die Mongolei fliegt". Also Ende August. Experten bezweifeln allerdings, dass es zu einem Wiedersehen an einem Airport der russischen Hauptstadt kommt.
Sewostjanow ist gut vernetzt mit führenden Köpfen der russisch-orthodoxen Kirche und gilt zugleich als Fürsprecher des Papstes. 2013 begegnete er Franziskus zum ersten Mal im Vatikan, als seine Frau Swetlana Kasjan, eine erfolgreiche Opernsängerin, dort bei einem Konzert als Solistin auftrat. Weitere Begegnungen folgten. Zuletzt telefonierte Sewostjanow nach eigenen Angaben mit dem Papst.
Papstbesuch in der Mongolei
Dabei habe Franziskus von dem Angebot erzählt, auf der Hinreise in die Mongolei oder auf dem Rückweg einen Zwischenstopp in Moskau einzulegen und Kyrill I. zu treffen. Vorausgesetzt dieser sei dazu bereit. Eine Bestätigung des Vatikans dafür gibt es nicht. Offiziell bekannt ist nur, dass Franziskus vom 1. bis 4. September die Mongolei besuchen wird.
Weil es in Russland weiter große Vorbehalte gegen eine historische erste Papst-Visite gibt, kommt ohnehin nur eine Begegnung auf einem Moskauer Flughafen infrage. Sewostjanow erklärte, die Transitzone eines Airports sei ein neutraler Ort. Ein Treffen dort würde keinen Widerstand jener hervorrufen, die einen Russland-Besuch des Papstes ablehnten, so sein Argument.
Sewostjanow kennt religiöse Befindlichkeiten. Er wurde 1978 in Rostow am Don geboren, studierte in Moskau, an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom und in Washington. Er und seine Frau fühlen sich Franziskus so verbunden, dass sie ihrem jüngeren Sohn denselben Vornamen gegeben haben.
Papst wurde sitzengelassen
Der Papst wünscht sich seit langem ein zweites Treffen mit Kyrill I. und hoffte auf eine Zusammenkunft im September 2022 in der kasachischen Hauptstadt Astana. In einem TV-Interview hatte er sogar bereits eine Begegnung mit dem russisch-orthodoxen Kirchenoberhaupt bei einer dortigen interreligiösen Konferenz angekündigt. Doch der Patriarch kam nicht – im Gegensatz zu Franziskus. Kyrill I. und sein Umfeld hatten öffentlich auch nie in Aussicht gestellt, dass er sich in Astana mit dem Papst treffen könnte.
Auch jetzt schweigt das Moskauer Patriarchat zur Idee einer Begegnung auf einem Flughafen der russischen Hauptstadt. Als gutes Zeichen gilt allerdings, dass vom Kreml gesteuerte Medien den angeblichen Papst-Vorschlag verbreiteten und Sewostjanow dabei wohlwollend zitierten.
"Sehr zweifelhaft"
Der Moskauer Religionssoziologe Roman Lunkin meint trotzdem: "Es gab keinen offiziellen Vorschlag des Heiligen Stuhls für ein Treffen. Deshalb ist es sehr zweifelhaft, dass es ein Treffen gibt." Der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte Lunkin weiter,sicherlich wolle Kyrill I. den Papst von seiner Position zur Ukraine überzeugen. Diese aber habe der Patriarch bereits im März 2022Franziskus per Videokonferenz persönlich dargelegt sowie vor kurzem dessen Beauftragten Kardinal Matteo Zuppi in Moskau.
Der Leiter des Zentrums für Religionswissenschaften der Russischen Akademie der Wissenschaften glaubt, die Position des Papstes zum Kiewer Höhlenkloster komme "Moskaus Besorgnis bezüglich der Diskriminierung der ukrainischen Kirche sehr nahe". "Es gibt keinen Grund, ihn mehr zu überzeugen", so Lunkin. Tatsächlich hatte Franziskus im März bei der Generalaudienz auf dem Petersplatz die Kriegsparteien aufgerufen, Orte des religiösen Lebens zu respektieren und dabei auf das berühmte Höhlenkloster in Kiew verwiesen.