Publizistin sieht Parallelen zwischen CDU, AfD und Kirche

"Inhaltliche Überlappungen"

CDU und AfD schöpfen Stimmen aus dem katholisch-konservativen Milieu. Die Publizistin Liane Bednarz ist Kennerin der politischen und kirchlichen Landschaft und wirft einen kritischen Blick auf die Schnittmengen am rechten Rand.

CDU und AfD: Kommen sich näher? (dpa)
CDU und AfD: Kommen sich näher? / ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die CDU sagt ganz klar, dass mit der AfD nicht zusammengearbeitet wird. So sieht es zumindest in der Theorie aus. Denn in der Praxis sieht es in vielen Kommunen schon lange anders aus. Nicht erst, seitdem es jetzt im Landkreis Sonneberg in Thüringen einen Landrat von der AfD gibt. Die Frage dahinter ist ja: Wo ist die Grenze? Komplett ignorieren ist im politischen Alltag nicht möglich. Aber trotzdem muss man ja ein politisches Zeichen setzen.

Liane Bednarz (privat)

Liane Bednarz (Publizistin und CDU-Mitglied): Ja, das ist vollkommen richtig. Und dieses Spannungsverhältnis zwischen Theorie und Praxis gilt es klug anzugehen. Es gibt zum einen eine formale Grenze. Danach verbietet sich natürlich jede aktive Zusammenarbeit mit der AfD, auch das gemeinsame Suchen nach Lösungen für die Stadt oder den Landkreis. Diese Grenze hat Friedrich Merz in seinem Interview am Sonntag eingerissen, in dem er ausdrücklich vom "gemeinsamen Gestalten" sprach. Und das ist etwas anderes, als wenn man jetzt de facto gleich wie die AfD abstimmt oder zum Beispiel sich die AfD Anträgen der CDU anschließt und deckungsgleich über diese Anträge beschließt.

DOMRADIO.DE: Das ist die eine Dimension und das andere ist die inhaltliche Dimension.

Bednarz: Genau, und die ist mindestens ebenso wichtig. Denn daran entscheidet sich, ob man überhaupt als CDU gemeinsam gleichlautend mit der AfD abstimmen darf. Etwa wenn zum Beispiel der AfD-Landrat oder auch der AfD-Bürgermeister einen Antrag vorlegt. Da geht im Moment die Meinung mehr und mehr dahin, auch von kommunalen Verbänden wie dem Deutschen Städte- und Gemeindebund oder dem Deutschen Landkreistag, dass man in Bereichen, die nun wirklich rein kommunale Angelegenheiten betreffen, wie die Ausbesserung von Schlaglöchern oder der Ausbau von Kitas, zustimmen kann. Denn als CDU aus Prinzip nicht dafür zu stimmen, kann auch nach hinten losgehen, weil dann die Bürger den Eindruck haben könnten, die CDU würde eine Art Fundamentalopposition betreiben. Ganz ähnlich äußert sich auch der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer.

Liane Bednarz

"Die CDU hat dann diesen AfD-Antrag sogar noch überboten."

DOMRADIO.DE: Womit sich dann die weitere Frage stellt: Wo ist dann die Grenze?

Bednarz: Die Grenze ist da, wenn es eben nicht um reine kommunale Angelegenheiten geht, sondern auch inhaltlich die Agenda der AfD bespielt wird. Und das ist gerade passiert in Zwickau. Dort hat die AfD einen Antrag eingebracht, das Gendern im örtlichen Theater sowohl in internen als auch externen Schriftsätzen zu verbieten. Und die CDU hat dann diesen AfD-Antrag sogar noch überboten und gesagt, das müsse auch für die Stadtverwaltung insgesamt gelten und für städtische Eigenbetriebe. Und dieser Antrag ist damit so durchgegangen. Das ist natürlich ein fatales Zeichen, denn dieses aggressive Vorgehen gegen das Gendern gehört gewissermaßen zur DNA der AfD und geht über kommunale Belange hinaus. Und da hat die CDU mitgemacht. Das Theater wehrt sich jetzt dagegen und will auf Flyern auch weiterhin gendern.

DOMRADIO.DE: Aber das ist ein Fall von Kommunalpolitik. In Landtagen oder im Bundestag wäre das nicht möglich, oder?

Bednarz: Nein, im Bundestag ist natürlich diese Abgrenzung noch viel, viel stärker da. Da stellt sich die Frage ja auch nicht für die CDU. Das hat ja sogar Herr Merz klargestellt, dass man als CDU im Bundestag und den Landtagen nicht gemeinsam mit der AfD im Sinne einer gesuchten Zusammenarbeit abstimmt und auch AfD-Anträgen nicht folgt. Da müsste dann die CDU eigene Anträge entwickeln.

DOMRADIO.DE: Umfragen sehen die AfD seit Anfang des Jahres im konstanten Aufstieg. Welche Rolle spielt denn die christlich konservative Wählerschaft bei diesem Erstarken der AfD?

Bednarz: Für diese christlich konservative Wählerschaft galt Merz lange Zeit als eine Art Held, weil man hoffte, dass man mit ihm eine sehr konservative Agenda wieder neu durchziehen kann. Das ist dieses Milieu, das auch eine sehr große Wut auf Angela Merkel hat, die aus dessen Sicht die CDU zu sehr nach links gerückt hat. Und da spielen natürlich gerade diese Identitätsthemen wie Gender eine sehr große Rolle. Gender wird praktisch als Störung der natürlichen Schöpfungsordnung Gottes gesehen. Insofern sind inhaltliche Überlappungen zur AfD durchaus vorhanden. Teile dieses Milieus haben oftmals eine gewisse Sympathie zumindest für den gemäßigten Teil der AfD, nicht so sehr für die völkisch Rechtsradikalen. Man teilt  zudem die Wut auf die Grünen. Die hat ja auch Friedrich Merz sehr geschürt, indem er die Grünen zuletzt als "Hauptgegner" der CDU bezeichnet hat. Diese ist unter sehr konservativen Christen ist ganz en vogue, weil man die Grünen letztlich - ein bisschen überspitzt gesagt - als den Hort des Bösen sieht, der die Gender-Agenda vorantreibt, der die Ehe für alle forciert hat und jetzt angeblich die Geschlechtergrenzen komplett auflösen will. Da ist die Wut schon sehr groß und insofern gibt es dort eine gewisse inhaltliche Anschlussfähigkeit zu Kampfthemen in der AfD. Zumindest bei so manchen.

Liane Bednarz

"Diese Arroganz, auch Kälte, die sowohl Merz als auch so manche konservative katholische Würdenträger leider ausstrahlen, die schafft zu wenig Nähe."

DOMRADIO.DE: Und wenn man sich die Kritik an Friedrich Merz anguckt, dann findet man viel. Es fehlt ihm die klare Vision, die klare Linie. Man redet von einem autoritären Führungsstil, dass er nicht in der Lage ist, auf Kritik einzugehen, keine anderen Stimmen neben sich gelten lässt. Das klingt doch sehr ähnlich zu dem, was an Führungspersönlichkeiten in der katholischen Kirche kritisiert wird. Gibt es da Parallelen?

Bednarz: In gewisser Weise schon. Ich glaube, in Zeiten, wie wir sie jetzt haben, ist diese Abgehobenheit ein großes Problem, weil dafür zunehmend auch gerade in der jüngeren Bevölkerung immer weniger Verständnis herrscht. Man muss sich ja nur anschauen, wie auch in Unternehmen die formale Kultur abgenommen hat. Da sehen Sie kaum noch jemanden, der Krawatte trägt. Da ist völlig normal, dass man sich untereinander duzt. Und diese Arroganz, auch Kälte, die sowohl Merz als auch so manche konservative katholische Würdenträger leider ausstrahlen, die schafft zu wenig Nähe. Natürlich muss es gerade im sakralen Bereich auch einen gewissen Abstand geben, weil der Priester im Grunde ja auch eine gewisse Ehrfurcht vor Gott verkörpert. Aber auch da ist angezeigt, die richtige Balance zu finden. Und wenn man sich jetzt den Habitus von Friedrich Merz im Vergleich zu anderen Politikern auch aus seiner Partei anschaut, also zum Beispiel im Vergleich zu Hendrik Wüst, der doch sehr nah an den Bürgern ist, dann ist Merz mit seinem Habitus einfach vollkommen aus der Zeit gefallen. Es hat ja auch einen Grund, warum seine Umfragewerte regelmäßig schlechter sind als die seiner Partei.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Quelle:
DR