DOMRADIO.DE: Im Sommer gibt es überall Ferienfreizeiten für Kinder – auch im Vatikan. Noch ein paar Tage dürfen Kinder hinter den heiligen Mauern hüpfen, toben und schreien. Welche Kinder sind denn im Vatikan in der Ferienfreizeit?
Ulrich Nersinger (Vatikanexperte): Das sind die Kinder von Angestellten und Arbeitern des Vatikans oder der römischen Kurie.
DOMRADIO.DE: Und die wohnen auch wirklich hinter den Mauern oder wohnen die außerhalb?
Nersinger: Nein, wir haben jetzt bei dieser Ferienfreizeit, glaube ich, 200 und 250 Kinder. Die meisten wohnen außerhalb der Vatikanstadt. Aber es gibt natürlich auch noch eine Reihe von Kindern, die in der Vatikanstadt leben und sogar vatikanische Staatsbürger sind.
DOMRADIO.DE: Das heißt also, man kann sich gar nicht bewerben, um an diesen Ferienfreizeiten teilzunehmen?
Nersinger: Nein, das geht nur für die Arbeiter und Angestellten des Vatikans. Die haben die Möglichkeit, dass sie ihre Kinder bei dieser Ferienfreizeit in der Vatikanstadt unterbringen.
DOMRADIO.DE: Jetzt kann ich mich aber bei meinem Vatikanbesuch nicht daran erinnern, dass es allzu viel gab für Kinder. Also etwa Spielplätze... Gibt es so etwas auf dem Vatikan-Gelände?
Nersinger: Ja, das unterschätzt man. Es gibt einen Kinderspielplatz. Der ist zwar nicht der tollste und modernste, aber es gibt einen in der Nähe einer anderen besonderen Örtlichkeit, dem vatikanischen Tennisplatz. Dort gibt es einen Kinderspielplatz.
DOMRADIO.DE: Einen Fußballplatz gibt es im Vatikan nicht. Dafür muss man rausgehen. Gibt es denn Schulen auf dem Gelände?
Nersinger: Es gibt Schulen, die in vatikanischer Trägerschaft sind, aber die befinden sich außerhalb der vatikanischen Mauern.
DOMRADIO.DE: Der Vatikan ist natürlich sicherheitsbedingt begrenzt in dem, was man dort darf und was nicht. Wie ist es bei den Kindern? Müssen die gucken, wo sie hindürfen und wo nicht oder haben die relativ viele Freiheiten?
Nersinger: Sie hatten relativ viel Freiheit. Es gibt eine traurige Geschichte: Wir wissen ja um das Verschwinden der Emanuela Orlandi. Sie ist die Tochter eines vatikanischen Angestellten und sie ist in den 1980er-Jahren verschwunden.
In einer Netflix-Serie über diesen Fall tauchten auch Filmaufnahmen aus den 80er oder 70er-Jahren auf und da sah man, wie frei sich die Kinder in der Vatikanstadt bewegen konnten. Da gab es keine Hindernisse.
Es ist natürlich so, dass viele dieser Kinder, die im Vatikan leben, die Söhne und Töchter von vatikanischen Gendarmen oder Schweizergardisten sind. Und natürlich kennen die Sicherheitskräfte diese Kinder, weil deren Menge auch überschaubar ist.
DOMRADIO.DE: Wie können wir uns diese Ferienfreizeit vorstellen? Was wird den Kindern da geboten?
Nersinger: Das ist schon sehr imponierend, man bietet in der Vatikanstadt vieles an. Man stellt zum Beispiel am Kinderspielplatz aufblasbare Swimmingpools auf; man zeigt den Kindern die Vatikanstadt. Sie werden sehr gut betreut durch Mitglieder der vatikanischen Gemeinschaft. Der Kaplan der vatikanischen Gendarmerie kümmert sich um sie.
Und dann gibt es natürlich sehr viele Spielmöglichkeiten in der Audienzhalle, was man nicht glaubt. Es gibt zum Beispiel so Hüpfburgen, es gibt eine riesige Hüpfburg, die der Titanic ähnelt. Da kann man hinunterrutschen. Es gibt ein Angebot mit Spielen. Die Kinder werden gut betreut, auch was das Essen angeht. Es gibt Frühstück, Mittagessen und abends einen Snack. Also es gibt eine große Rundumversorgung, und sie treffen zumeist auch einmal mit dem Papst zusammen.
DOMRADIO.DE: Der Papst fährt ja bekanntermaßen nicht in den Urlaub. Kümmert er sich in irgendeiner Form um diese Kinder?
Nersinger: Ja, es gibt wie gesagt ein Zusammentreffen und das ist immer sehr herzlich. Man kann auf YouTube Videos sehen, die zeigen, wie die Kinder dem Papst begegnen. Zum Beispiel haben Sie ihm einen Orden gemalt und ihn dem Papst umgehangen. Das ist schon imponierend.
DOMRADIO.DE: Kinder im Vatikan, die dort geboren werden, sind automatisch vatikanische Staatsangehörige?
Nersinger: Ja, das verwundert, aber sie sind faktisch zunächst einmal vatikanische Staatsbürger.
DOMRADIO.DE: Und das "zunächst einmal" müssen wir erklären, denn die verlieren die Staatsbürgerschaft unter gewissen Umständen?
Nersinger: Die männlichen Kinder verlieren sie mit der Volljährigkeit oder mit dem 25. Lebensjahr, außer sie werden dann in vatikanischen Diensten übernommen. Die Mädchen oder die jungen Frauen verlieren sie interessanterweise erst, wenn sie heiraten.
DOMRADIO.DE: Und wenn sie nicht heiraten, bleiben sie für immer vatikanische Staatsangehörige?
Nersinger: Theoretisch ja.
Das Interview führte Bernd Hamer.
Information: Ulrich Nersinger hat ein Kinderbuch über Kinder im Vatikan geschrieben. Es trägt den Titel "Die Vatican-Kids: Vier Spürnasen im Einsatz".