DOMRADIO.DE: Sie sind am Montag auf dem Weltjugendtag in Lissabon angekommen. Was war für Sie bislang das Beeindruckendste?
Dominikus Schwaderlapp (Weihbischof im Erzbistum Köln): Für mich waren die Erlebnisse um die Eröffnungsmesse herum das Beeindruckendste. Einerseits, wie sich ab Montagvormittag die Stadt immer mehr gefüllt hat mit jungen Leuten. Und wie dann nach der Messe Hunderttausende Menschen singend, lachend und tanzend in Gruppen durch die Stadt gezogen sind. Und im Hintergrund die Polizisten, die auf ihren Handys gespielt haben und völlig arbeitslos waren: Das war ein großes Festival der Freude – mit einer Botschaft des Friedens. Und das vom Altar ausgehend. Das war sehr bewegend.
DOMRADIO.DE: Sie haben sich mit den deutschsprachigen Pilgern zu einem neuen Format der Katechese getroffen. Was ist neu daran?
Schwaderlapp: Dieses Format ist dialogischer. Klassischerweise gab es eine halbstündige Katechese des Bischofs und danach wurde die Fragerunde eröffnet. Ich hatte immer den Eindruck, als ich mit Gruppen beim Weltjugendtag war, dass an diesem Punkt alle weggesackt sind. Hier haben wir die Katechese jetzt etwas dialogischer gestaltet, damit der Bischof mit seinen eigenen Worten auf die Anliegen der jungen Leute eingehen kann. Ausgehend von der Heiligen Schrift gab es dann einen Austausch darüber in den Gruppen und dann anschließend Fragen. Das war ein gutes Wechselspiel.
DOMRADIO.DE: Die Jugendlichen haben offenbar großen Redebedarf. Das hat man in der Runde gemerkt, aber auch außerhalb der Kirche, kommen die jungen Leute auf Sie zu um mit Ihnen zu reden. Was haben Sie denn von den Jugendlichen gelernt?
Schwaderlapp: Die deutsche Pilgergruppe hat das Format "Ask the Bishop" ins Leben gerufen. Thomas Maria Renz, Weihbischof in Rottenburg-Stuttgart und ich haben mitgemacht und waren völlig überrascht, dass knapp 50 Jugendliche an dem Format teilgenommen haben. Das war eine bunte Mischung aus Fragen. Die kirchenpolitischen Themen wurden da nicht ausgespart, aber auch existenzielle Fragen: Wie kann Gott das Leid zulassen? Wie kann ich persönlich mein Christsein leben? Es waren junge Leute dabei, die darum ringen, Freunde Jesu Christi zu sein.
DOMRADIO.DE: Die aber auch ihren Platz in der Kirche suchen, und für die noch viele Fragen offen sind, in Bezug auf queer sein, auf die Frauenfrage, auf die Laienfrage. Was antworten Sie den Jugendlichen, die ein Unverständnis gegenüber manchen Themen in der Kirche haben?
Schwaderlapp: Mir geht es über die einzelnen Fragen hinaus um einen Punkt: Wir werden immer Kontroversen haben. Ich meine, dass Jugendliche das auch aushalten können, wenn man nicht in allen Punkten einer Meinung ist. Aber ich glaube, wir dürfen nicht vergessen, worum es eigentlich dahinter geht: nämlich um Jesus Christus und um die Beziehung des Einzelnen. All diese Fragen, egal wie ich die beantworte, geben mir keine Antwort auf die Frage: "Wie kann ich heute ein besserer Christ sein als gestern?" Das ist eine existenzielle Frage, die uns alle betrifft.
Ich will damit nicht vorschlagen, diese Fragen zu umgehen. Aber wir sollten uns auch nicht so festbeißen, dass wir nur noch das sehen. Wir sollten bedenken, dass es mehr Gemeinsames als Trennendes gibt. Das Gemeinsame, nämlich Jesus Christus und seine Hand der Freundschaft, die er jedem entgegen hält. Das ist ein riesen Geschenk. Und von da ausgehend kann man dann in einzelnen Fragen besser zu einer Lösung kommen und auf der anderen Seite vielleicht auch Unterschiede aushalten.
DOMRADIO.DE: In der Katechese haben Sie gesagt, dass es um das soziale Miteinander und um den Frieden im Kleinen geht. Wie geht das zusammen mit dem Eindruck vieler Gläubigen, dass das in der Kirche nicht immer vorgelebt wird, weil Uneinigkeit, Streit und Zwietracht herrscht? Sollten die Bischöfe nicht Vorbild sein?
Schwaderlapp: Ja, natürlich. Unsere Lebenswirklichkeit ist aber oft hinter dem Evangelium hinterher, auch bei uns Bischöfen. Ich kann aber nicht von uns Bischöfen reden, sondern nur von mir. Ich habe jeden Tag Grund, wieder neu anzufangen und darum zu ringen, heute ein besserer Bischof, Priester und Christ zu sein als gestern.
Aber im Moment geht es in Deutschland nicht darum, wer recht hat, wer Macht hat und sich durchsetzt, sondern um das Ringen, was die Botschaft Jesu Christi ist. An dieser Botschaft müssen wir Maß nehmen, was mit ihr vereinbar ist und was nicht. Und da würde ich jedem, der dazu seinen Beitrag leistet, zugestehen, dass er seine Botschaft, Meinung und Überzeugung ernst nimmt.
DOMRADIO.DE: Was sollen die Jugendlichen mit nach Hause nehmen vom Weltjugendtag?
Schwaderlapp: Die Freude an Christus, die zur Freude in der Gemeinschaft führt und die Kraft gibt, auch die Schwierigkeiten zu ertragen. Das ist das Schöne, das wir hier erleben können. Es geht nicht darum, in eine Wolke abzutauchen, in irgendeine eine Trance oder einen Rausch zu kommen.
Die Jugendlichen erleben beim Weltjugendtag das große Geschenk, der unser Glaube ist. Jesus Christus verbindet über alle Sprachgrenzen, über alle kulturellen Grenzen hinweg. Und er ist derjenige, der uns auch hilft, trägt und uns immer erlaubt, Freude zu haben, auch wenn es sonst keinen Grund zur Freude mehr gibt.
Das Interview führte Ina Rottscheidt.