Muslima gestaltet Kirchenfenster für Sankt Josef in Cham

Kunst aus meisterlicher Frauenhand

Ende des Jahres soll die katholische Kirche Sankt Josef in Cham in Bayern neue Fenster erhalten. Gestaltet hat sie die mehrfach für ihre Arbeit ausgezeichnete Afghanin und Muslimin Mahbuba Maqsoodi.

Autor/in:
Marion Krüger-Hundrup
Die Künstlerin Mahbuba Maqsoodi 2020 in einer Glaswerkstatt in München / © Dieter Mayr (KNA)
Die Künstlerin Mahbuba Maqsoodi 2020 in einer Glaswerkstatt in München / © Dieter Mayr ( KNA )

Die Chamer Pfarrkirche Sankt Josef dürfte wohl bald ein Pilgerort für Gläubige und Kunstinteressierte werden. Zum Jahresende soll in dem schlichten Nachkriegsbau in der Oberpfalz ein Farbenspiel aus Blau, Violett, Rot, Orange und Gelb erlebbar sein. Entfaltet es im Sonnenlicht seine Strahlkraft, könnte dadurch die Erhabenheit des sakralen Raums noch unterstrichen werden. Der Regenbogen als Zeichen des Bundes Gottes mit seinen Geschöpfen wird dann die Kirche durchdringen.

Symbolbild Eine Frau liest in der Bibel / © shine.graphics (shutterstock)
Symbolbild Eine Frau liest in der Bibel / © shine.graphics ( shutterstock )

Motive aus dem alten und dem neuen Testament 

Dem Projekt ging ein Wettbewerb voraus, den Mahbuba Maqsoodi gewonnen hat: eine Künstlerin, die aus Afghanistan stammt und heute in München lebt. Malerische Virtuosität, ein dynamischer Duktus und die vollkommene Beherrschung des Materials Glas zeichnen sie aus. Maqsoodi gestaltete die 14 Glasfenster des Gotteshauses komplett neu, indem sie die ganze Dynamik der menschlichen Existenz in die Sprache heutiger Lebenskultur zu übersetzen versuchte: mit Motiven aus dem Alten und Neuen Testament.

Dabei sollen diese Werke "deutungsoffen bleiben", wie die 66-Jährige sagt: "Ich überlasse die Interpretation dem Betrachter, ich kann nichts vorgeben, außer eine kompositorische Bewegung mitzudenken: Wohin geht der Blick des Betrachters zuerst, bevor er das ganze Fenster sieht?" 

Christliche Kunst und der Jakobsweg

Die Muslima hat schon seit Kindesbeinen an einen Bezug zu biblischen Geschichten und den großen Themen der christlichen Religion. Aufgewachsen in einem liberalen Elternhaus in Herat, beschäftigte sie sich mit biblischen Erzählungen in der Literatur. Im Kunststudium in Sankt Petersburg kam sie mit christlicher Kunst aller Epochen in Berührung. Später pilgerte sie auf dem Jakobsweg.

Zunehmend entwickelte sich bei ihr die Bereitschaft, Religion als ein Thema zu entdecken, das nicht getrennt ist vom alltäglichen Leben. Weil sie, wie sie selbst sagt, ein Mensch ist, der an das Humane glaubt, an die Zusammenhänge, die der unsichtbare Gott geschenkt hat.

Fenster für Abteikirche machten sie bekannt

1994 erhielt Maqsoodi wie ihr 2010 verstorbener Mann politisches Asyl in Deutschland. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde die inzwischen mehrfach prämierte Malerin bekannt, als sie von 2018 bis 2020 insgesamt 29 Fenster in der Abteikirche Sankt Mauritius im saarländischen Tholey gestaltete. Gerhard Richter vervollständigte die ausdrucksstarken Kompositionen mit drei abstrakten Chorfenstern. 

Ihre Figuren auf den künftigen Chamer Glasfenstern erzählen in einer oft rätselhaften Weise biblische Begebenheiten. Die Erschaffung von Adam und Eva gehört dazu, aber auch die Auferstehung Jesu. Maqsoodi verbindet die Geschichten mit eigenständigen Bildern von Liebe und Verzweiflung, von Hoffnung und von so Banalem wie einem Smartphone: "Weil Trennungen nicht funktionieren, es gibt kein Schwarz-Weiß-Denken."

Kritik in fließender Form

Schon die Entwürfe der Fenster auf Papier im Maßstab 1 zu 10 zeigen, wie Formen, Linien, Farben ineinander fließen. Sie künden von meisterlicher Kunst aus Frauenhand, die sich durchaus kritisch mit überkommenen Ansichten, Lehren und Denkmustern auseinandersetzt. Auch mit denen in der Kirche. "Wir sind im 21. Jahrhundert, und es muss die Wahrnehmung der globalen Situation auch so reflektiert werden in der künstlerischen Arbeit", betont Maqsoodi. 

Der von ihr geschätzte Bamberger Theologe und Therapeut Georg Beirer sagt zu den Chamer Fenstern, dass sich darin Geschichte, Gegenwart und zukünftige Handlungsspielräume begegneten, "in einer Brechung der Wirklichkeit, die Mahbuba Maqsoodi in ihrer eigenen Biografie erlebt hat".

"Komplett zufrieden"

Nach den Worten des Theologen aktualisiert sich im einfallenden und sich brechenden Licht neu die Heilsgeschichte als bleibende Gegenwart Gottes mitten unter den Menschen, im Menschen selbst, seinem Werden und Begegnen. Maqsoodi hat ihre Entwürfe der Glasmalerin Judith Geilhaupt im Paderborner Glasstudio Peters anvertraut, wo sie in kongenialer Weise auf Floatglas umgesetzt werden. Viele Arbeitsschritte, letzte eigenhändige Pinselstriche von Maqsoodi sind noch notwendig, bevor die Glasfenster fertig sind und in der Kirche in Cham eingesetzt werden können. Dennoch zeigt sich die Künstlerin schon jetzt "komplett zufrieden". 

Quelle:
KNA