In Chicago trafen sich tausende Delegierte für den Frieden

Parlament der Religionen als Weltgewissen

Religionsführer aus 95 Ländern haben sich in Chicago zum Treffen des Parlaments der Weltreligionen eingefunden. Die Gefahren des Autoritarismus und die Verteidigung der Menschenrechte standen im Zentrum der Beratungen.

Autor/in:
Bernd Tenhage
Weltreligionen / © 9dream studio (shutterstock)

Von den Buddhisten bis zu den Anhängern Zarathustras reicht der weite Bogen an Mitgliedern des Parlaments der Weltreligionen, das sich im "McCormick Place"-Konferenzzentrum von Chicago zusammengefunden hat. Das erste Treffen brachte 1893 anlässlich der Weltausstellung in der Windy City zum ersten Mal in der Geschichte Vertreter aller großen Religionen der Welt zusammen.

130 Jahre später beschäftigten sich diese Woche mehr als 6.500 Delegierte mit der Rolle des Gewissens bei der Verteidigung von Freiheit und Menschenrechten. Angesichts des verstärkten Aufkommens nationalistischer und chauvinistischer Bewegungen weltweit dominierte dieses Thema die Diskussionen während des Plenums der ökumenischen Organisation.

Kardinal Blase Cupich: Freiheit, Rechte und Würde für alle

Der katholische Erzbischof von Chicago, Kardinal Blase Cupich, appellierte in seiner Rede an das Weltparlament, gemeinsam "die Herausforderungen anzugehen, vor denen wir stehen, um Freiheit, Rechte und Würde für alle zu gewährleisten". Technologische Fortschritte ermöglichten es, "in Echtzeit mit Menschen in der Nachbarschaft zu sprechen, genauso wie mit denen auf der anderen Seite der Welt".

Der von Papst Franziskus zum Kardinal berufene Erzbischof warnte gleichzeitig vor den Gefahren der Algorithmen, die den Dialog zwischen verschiedenen Gruppen verhindern könnten. Es sei einfacher denn je, "nur noch mit denen zu sprechen, die wir am sympathischsten finden», und selten oder nie denen zuzuhören, die anderer Meinung seien. Menschen außerhalb der Echokammern der Kommunikations-Silos könnten heute "leichter verteufelt und entmenschlicht werden", weil sie physisch nicht anwesend seien.

Religionen komme die Aufgabe zu, für Gemeinsamkeit zu sorgen

Den Religionen komme die Aufgabe zu, für Gemeinsamkeit zu sorgen. Das neunte Treffen des Parlaments der Weltreligionen am Ort seiner Gründung ist aus Sicht Cupichs ein wichtiges Beispiel dafür. Der Kardinal erinnerte die Teilnehmer an die gemeinsame Erklärung von Papst Franziskus und dem ägyptischen Großimam Ahmad al-Tayyebvon 2019 in Abu Dhabi, in der beide bekräftigten, dass "der Glaube im Andersgläubigen einen Bruder sehen lässt, dem man helfen und den man lieben muss."

Den Kern der Krise in der modernen Welt sehen Cupich und andere in einer Desensibilisierung des Gewissens. Dieses zu formen, setze den Respekt für und die intensive Begegnung mit anderen voraus. Religiöse Traditionen böten eine wertvolle Ressource, für die Sorge um die Rechte und Würden des Einzelnen. Die Religionsvertreter unterzeichneten eine gemeinsame Erklärung des Parlaments, die vor einem Aufstieg des Autoritarismus warnt und an die gemeinsame Verantwortung für das Klima und die Verteidigung der Menschenrechte appelliert.

"Wir suchen nicht Uniformität, sondern Einheit in unseren Zielen"

Der Sonderbotschafter der USA für Religionsfreiheit, Rashad Hussain, betonte in einem Interview am Rand der Konferenz die Bedeutung der Vielfalt. "Wir suchen nicht Uniformität, sondern Einheit in unseren Zielen." Hussain, ein Muslim, verwies darauf, dass seine Vorgänger im Amt, Sam Brownback und David Saperstein, ein Katholik und ein Jude waren. Diese gehörten anderen Religionsgemeinschaften an, seien aber von denselben Motiven angetrieben worden wie er.

Religion müsse stets "eine Kraft des Guten" sein. "Sie darf nicht dazu benutzt werden, Menschen zu verletzten oder sie zu unterdrücken". Deshalb sende das Parlament der Weltreligionen ein starkes Signal, "wenn es für die Rechte aller Menschen einsteht".

"Das ist ein weltweites Phänomen"

Der Präsident der Interfaith Alliance, Paul Raushenbush, sagte, eines der Ziele des Parlaments bei Gründung vor 130 Jahren habe darin bestanden, zu verhindern, dass Menschen einander töten, weil sie unterschiedliche Dinge glaubten. "Leider gibt es heute immer noch Leute, die einander deshalb umbringen wollen." Dies werde verstärkt
durch die Gefahren autoritärer Politikmodelle, die sich oft auch aus religiösen Quellen speisten. "Das ist ein weltweites Phänomen."

Menschenrechte

Menschenrechte sprechen jeder Person die gleichen Rechte und Freiheiten zu - unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, Weltanschauung oder politischer Haltung. Sie gelten von Geburt an und können nicht verwirkt werden. Als Basis gilt die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte", die von den Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 als politische Willenserklärung verabschiedet wurde. An diesen wichtigen Meilenstein erinnert alljährlich der Tag der Menschenrechte

Menschenrechte werden vielerorts eingeengt / © Jens Büttner (dpa)
Menschenrechte werden vielerorts eingeengt / © Jens Büttner ( dpa )
Quelle:
KNA