2.500 Jugendliche feiern Musik-Gottesdienst im Kölner Dom

Im Zeichen der Einheit

Band statt Orgel. Jugendliche, die begeistert mitsingen. Der Gottesdienst "One Heart“ ist modern, poppig und sprengt konfessionelle Grenzen. Braucht es mehr solche Formate, um junge Menschen wieder in die Kirche zu ziehen?

Autor/in:
Elena Hong
2500 Jugendliche feiern den One-Heart-Gottesdienst im Kölner Dom / © Rudi Töws (DR)
2500 Jugendliche feiern den One-Heart-Gottesdienst im Kölner Dom / © Rudi Töws ( DR )

Die Säulen des Doms sind in lilarotes Licht getaucht. In den Bankreihen sitzen Menschen mit geschlossenen Augen, singen die Texte auswendig mit oder wiegen sich stehend zum Rhythmus der Musik, genauer gesagt zu Worship-Musik, zu deutsch Anbetung. Selten sieht man eine Kirche so voll mit jungen Menschen wie an diesem Samstagabend.

"Ich erwarte, aus dem Alltag gerissen zu werden"

"Ich bin hier, um Gott zu loben und die Gemeinschaft zu genießen", sagt Besucherin Sooji H. aus Düsseldorf im Vorfeld. Heidi und Axel Klingenberg aus Gummersbach freuen sich besonders auf die Lobpreiszeit mit Lothar Kosse. "Wir sind in den 90er Jahren schon zur Cologne Worship Night gekommen. Das ist ein ganz besonderes Erlebnis". Julia aus Köln ist mit ihren Freunden da: "Ich erwarte, aus dem Alltag gerissen zu werden. Wenn "Koenige und Priester" am Werk sind, sind es meist kreative Gottesdienste."

Band Koenige und Priester / © Rudi Töws (DR)
Band Koenige und Priester / © Rudi Töws ( DR )

Für den Kreativitäts- und Unterhaltungsfaktor hat die überkonfessionelle Band "Koenige und Priester", deren Name auf einen Bibelvers aus dem Petrusbrief anspielt, an nichts gespart. Eröffnet wird ihr Auftritt von Tänzerinnen und Tänzern zu elektronischer Musik, unterbrochen von kurzen Lesungen aus der Bibel.

Tanzperformance im Kölner Dom / © Rudi Töws (DR)
Tanzperformance im Kölner Dom / © Rudi Töws ( DR )

Aufwendige Beleuchtung, Nebelmaschine, hochwertiges Soundsystem. Die drei Leadsänger Thomas und Jonathan Enns und Florence Joy sorgen auf der Bühne für Partystimmung und animieren zum Mitmachen. Kurzum ein Gottesdienst, der instagramable ist. Die Orgel bleibt bei diesem, fast amerikanisch anmutenden, Lobpreisabend still. Ein ungewohntes Bild in der gotischen Kathedrale.

Ökumene als kirchenpolitischer Drahtseilakt

"Egal ob evangelisch, katholisch oder freikirchlich - lasst uns zusammenstehen, damit Köln erkennt, wer Jesus ist", ruft Enns in die Menge und erntet großflächig Applaus. Danach performt die Band passend dazu ihren Song "Warum feiern wir nicht gemeinsam?".

Dabei ist schon allein dieser Gottesdienst aus kirchenpolitischer Sicht nicht wenig heikel: Die drei christlichen Konfessionen weisen deutliche Unterschiede in der Kirchenlehre und im Amtsverständnis auf, die sich an einem Abend durch Popmusik nicht wegdiskutieren lassen; zudem ist das Kölner Erzbistum das mitgliederstärkste Bistum der katholischen Kirche und der Kölner Dom dessen Wahrzeichen. "Wir wollten bewusst kein rein katholisches Event machen", erklärt der Priester und Kölner Stadtjugendseelsorger Matthäus Hilus gegenüber DOMRADIO.DE. "One Heart" heißt ein Herz. Jesus sagt im Johannesevangelium, dass wir eins sein sollen. Jenseits von allen politischen Überlegungen, geht’s um Einheit."

Keine "Kuschel-Einheit"

Matthäus Hilus und Daniel Phan predigen beim One-Heart-Gottesdienst im Kölner Dom / © Rudi Töws (DR)
Matthäus Hilus und Daniel Phan predigen beim One-Heart-Gottesdienst im Kölner Dom / © Rudi Töws ( DR )

In seiner Predigt, die er zusammen mit dem evangelischen Vikar Daniel Phan hält, führt Hilus diesen Gedanken weiter aus: "Für manche ging das jetzt zu schnell mit der Einheit. Ich meine keine "Kuschel-Einheit". Wir werden unterschiedlich bleiben. Aber wir können lernen die Andersheit des anderen zu lieben."

Der 32-jährige Phan ergänzt, es gebe dabei ein verbindendes Element: "Glaubenserfahrungen sind vielfältig. Ein Fundament, das den christlichen Glauben trägt, ist für mich die Person Jesus Christus." Phan spricht den Zuhörern Gottes bedingungslose Liebe zu, "unabhängig von unserer Herkunft, sexuellen Orientierung oder mit unseren vermeintlichen Guttaten".

Lothar Kosse und Band sorgen für Gänsehautmomente

Geboren ist die Idee für einen überkonfessionellen Gottesdienst in der Coronazeit. Da gab es die ersten Treffen zwischen der katholischen Stadtjugendseelsorge, der Jugendkirche CRUX und der freikirchlich geprägten Band „Koenige und Priester“. Mit den Formaten "Nightfever" und der "Cologne Worship-Night" gab es seit 1996 bereits Vorgänger-Veranstaltungen dieser Art. Musikalisch gestaltet wurden diese vom Singer-Songwriter Lothar Kosse, der mit seinen Liedern "Groß ist unser Gott", "Bis ans Ende der Welt" oder "Wunderbarer Hirt" längst einen festen Platz im christlichen Liedgut hat. Auch an diesem Abend sorgt Kosse mit seiner Band für Gänsehautmomente, etwa mit seinen E-Gitarren-Solos und A-capella-Pausen, in denen er das Publikum die Lieder zu Ende singen lässt. „Der Kölner Dom ist seit Hunderten von Jahren ein Ort der Anbetung. Wir stehen in einer langen Reihe von Menschen, die Gott hier vor uns geehrt haben“, so Kosse im Vorfeld über One Heart.

Der beleuchtete Kölner Dom bei Nacht / © freedom100m (shutterstock)
Der beleuchtete Kölner Dom bei Nacht / © freedom100m ( shutterstock )

Schön und gut, aber braucht es dafür wirklich dieses ganze bühnentechnische "Drumherum"? Geht es den Musikern um mehr als Effekthascherei? "Wir versuchen einen Weg zu finden, Gottes Schönheit auszudrücken. Deshalb lieben wir es, wenn Gottesdienste ästhetisch gestaltet sind. Es soll die junge Generation ansprechen", erklärt Thomas Enns von der Band "Koenige und Priester". "Wir wollen nichts künstlich erzeugen. Die Atmosphäre spricht für sich.“

Tickets sind Wochen vor dem Event ausverkauft

Zumindest der Andrang scheint dem gänzlich spendenfinanzierten Format recht zu geben. Die Domschweizer haben an diesem Abend viel zu tun. Neugierige Passanten wollen wissen, was los ist, ob man nicht zumindest kurz reinschauen dürfe. Wochen vor dem Gottesdienst sind die 2500 Tickets ausverkauft. "Die Tickets kosten nichts, aber eine Obergrenze musste sein - aus Sicherheitsgründen", erklärt Simone Wosniok von der katholischen Stadtjugend- und Hochschulseelsorge Köln.

Simone Wosniok von der katholischen Stadtjugendseelsorge leitet das Orga-Team von One Heart / © Elena Hong (DR)
Simone Wosniok von der katholischen Stadtjugendseelsorge leitet das Orga-Team von One Heart / © Elena Hong ( DR )

Die Nachfrage war immens: "Wir hätten den Dom zwei Mal füllen können". Mit dem Ablauf ist die Leiterin des Orga-Teams zufrieden: "Es macht Spaß so ein Event auf die Beine zu stellen. Alles hat gut geklappt und die Atmosphäre war unglaublich."

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wer alle Konfessionen ansprechen will, zwangsweise Erwartungen enttäuschen müssen wird. Jeder vermisst etwas, das er kennt. Jeder wird auf seine Weise herausgefordert. "Dass man so etwas macht, finde ich gut", resümmiert etwa Besucher Matthias Heilein aus Düsseldorf, "ich bin selbst Musiker und fand den Gottesdienst sehr wertig, aber für Leute, die das nicht kennen, ist das überfordernd. Meine Begleitung hat sich heute unwohl gefühlt. Wenn Menschen ekstatisch werden und es so viel Show gibt, ist mir das zu viel. Man sollte in der Kirche auch mal in der Stille eine Träne vergießen können", so der evangelische Christ.

Anders sehen das die Geschwister Anne und Jan Mainka aus Wuppertal und Paderborn, beide sind seit Jahren in ihren katholischen Gemeinden engagiert. Sie kannten die Lieder nicht, sind aber trotzdem hellauf begeistert: "Die Stimmung, die Musik, das gemeinsame Gebet - das war etwas Besonderes. Eine tolle pastorale Aktion für uns Jugendliche, bei der mal alle Konfessionen zusammenkommen. Das ist für uns der Kern der Kirche."

Quelle:
DR