Laien-Chef wütend über Versagen der Schweizer Kirche

Kein Geld mehr für die Bischöfe?

Eine Pilotstudie in der Schweiz deckt zahlreiche kirchliche Missbrauchsfälle auf. Wie reagieren die Laien darauf, die weitreichende Finanzverantwortung haben? Raphael Meyer, Synodalratspräsident im Kanton Zürich, gibt Antworten.

Blick auf die Altstadt von Zürich  / © Iurii Dzivinskyi (shutterstock)
Blick auf die Altstadt von Zürich / © Iurii Dzivinskyi ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: 1.000 Fälle, 921 Betroffene, über 500 Verdächtige: Schockieren Sie solche Zahlen noch?

Raphael Meyer, Präsident des Synodalrats im Kanton Zürich  (Katholische Kirche im Kanton Zürich)

Raphael Meyer (Synodalsratspräsident Kanton Zürich): Ich bin erschüttert über das Ausmaß der Missbräuche in der katholischen Kirche in der Schweiz. Und ich bin wütend über das eklatante Versagen der kirchlichen Institutionen in diesem Zeitraum. Wehrlose Betroffenen und ihre Angehörigen wurden im Stich gelassen. Ich bin leider nicht überrascht über dieses Resultat, wenn man sie mit den Resultaten aus Deutschland oder Irland ins Verhältnis setzt. Und ich gehe leider auch davon aus, dass es nur die Spitze des Eisberges war. 

DOMRADIO.DE: Einzelne Stimmen fordern jetzt schon Rücktritte von Bischöfen. Damit hat sich ja Deutschland schwer getan. Bischof Bode war vor kurzem der erste, der seinen Hut genommen hat. Braucht es das denn jetzt in der Schweiz? Müssen da "Köpfe rollen", dass es Aufarbeitung geben kann? 

Meyer: Ich hoffe sehr, dass die Verantwortlichen in den Bistümern die entsprechenden personalrechtlichen Konsequenzen ziehen. Ob dass ein Rücktritt sein wird oder inwiefern ein Rücktritt dazu beiträgt, dass die Prävention verbessert wird, das muss ich offen lassen. Ich kann für die Kantonalkirche in Zürich sprechen: Wir sagen, dass die Präventionsarbeit konsequent fortgeführt werden muss. 

DOMRADIO.DE: Im Gegensatz zu Deutschland trägt bei Ihnen der Synodalrat als Laiengremium die Finanzverantwortung in der Kirche. Wäre das denn eine Möglichkeit, wo Sie als Laien Druck ausüben können, dass es zu einer besseren, stärkeren Aufarbeitung kommt? 

Raphael Meyer

"Ich denke, dass es im Moment der falsche Weg wäre, mit den Finanzen Druck zu machen."

Meyer: Ein bekanntes Beispiel aus dem Bistum Chur war Anfang der Neunzigerjahre, als Wolfgang Haas Bischof war. Aber in späteren Jahren wurde diese Option nicht mehr nicht angewendet. Ich denke, dass es im Moment der falsche Weg wäre, mit den Finanzen Druck zu machen. Auch weil wir mit unserem Bischof Joseph Maria Bonnemain gut bei der Aufarbeitung dieser Missbräuche zusammenarbeiten. Das hat er auch gestern bei der Medienkonferenz betont, dass er die Fortsetzung der Forschung absolut unterstützt. 

DOMRADIO.DE: Bischof Bonnemain wurde von der Bischofskonferenz und vom Vatikan mit Aufarbeitung betraut. Wie beurteilen Sie denn die Aufarbeitung, die er macht?

Raphael Meyer

"Es ist einmal mehr das Problem, dass Dinge in der Kirche erst öffentlich werden, wenn da der Druck von Seiten der Medien oder von Betroffenen kommt."

Meyer: Von diesen Vorwürfen wegen Vertuschung gegen noch aktive oder ehemalige Mitglieder in der Bischofskonferenz haben wir erst am Sonntag aus den Medien erfahren. Es ist einmal mehr das Problem, dass Dinge in der Kirche erst öffentlich werden, wenn da der Druck von Seiten der Medien oder von Betroffenen kommt. Ich würde mir hier eine proaktive Kommunikation der Kirche wünschen, weil das würde auch meines Erachtens sehr viel zur Glaubwürdigkeit beitragen. Zum Verfahren an sich kann ich nichts sagen, weil das ist ein innerkirchliche Verfahren, das nicht öffentlich ist. Wir wissen nicht, was da genau jetzt stattfindet. 

DOMRADIO.DE: Bleibt es nicht fragwürdig, wenn die Kirche versucht, sich selbst aufzuarbeiten, wenn die Studie von Zürich zeigt, dass gerade das ein Problem ist? 

Meyer: Man muss unterscheiden: Das eine ist die staatliche Aufklärung, die läuft über die Strafbehörden. Da gibt es eine Verpflichtung, zumindest im Kanton Zürich, dass jedes mögliche sexualstrafrechtliches Verhalten dem Strafbehörden gemeldet werden muss, damit diese das abklären. Das andere ist das innerkirchliche Strafverfahren, dass in der Kirche nach Kirchenrecht geregelt wird. Ich persönlich denke schon, dass es von Vorteil wäre, wenn sich der leitende Bischof dafür unabhängige Unterstützung holen würde. 

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch. 

Katholische Kirche in der Schweiz

Die katholische Kirche in der Schweiz hat laut einer aktuellen Statistik rund 2,9 Millionen Mitglieder. Aufgrund von Zuwanderung sei die Zahl trotz eines zuletzt leichten Rückgangs weiter "historisch hoch", teilte das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut (SPI) mit.

Schweizer Flagge
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Quelle:
DR