DOMRADIO.DE: Wie funktionieren die Lotsenpunkte?
Lydia Ossmann (Referentin Engagementförderung/Lotsenpunkte beim Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln e. V.): Lotsenpunkte sind die Orte in den Pfarrgemeinden, die für alle offen sind. Aber der Fokus liegt auf den Menschen, die es eher schwerer im Leben haben und nicht so viel Geld haben, um sich Dienstleistungen zu kaufen, die mit vielen Dingen überfordert sind und die sich in unserem System in Deutschland vielleicht nicht zurechtfinden.
DOMRADIO.DE: Haben Sie denn immer auf alles eine Antwort oder verweisen Sie sonst auch an Experten, die weiterhelfen?
Ossmann: Genau das ist der Kern. Lotsenpunkte zeichnen sich dadurch aus, dass sie vor allem ortsnah sind. Man kann sie gut erreichen. Es ist ein niedrigschwelliges Angebot ohne Termine und ohne Wartelisten. Sie sind ein offener Ort, wo man auf offene Ohren trifft und auch direkte, kleine Hilfen geleistet werden, für die andere Beratungsstellen oftmals gar keine Zeit haben.
Das typische Beispiel ist die Formular-Hilfe. Die Lotsenpunkte sind aber auch gut im Sozialraum vernetzt. Sie sind kein Ersatz der bestehenden Beratungsstellen und Fachdienste, sondern sie vermitteln nach den Gesprächen eher Zugänge ins Hilfesystem, das wir in Deutschland haben.
DOMRADIO.DE: Mit welchen Problemen kommen denn die Leute zu den Lotsenpunkten?
Ossmann: Viele sind mit unserer Bürokratie, mit Anträgen überfordert und wissen nicht, was sie genau machen müssen. Da geben wir zum Beispiel Hilfestellung. Manche haben auch Angst, zu den Behörden zu gehen.
Dann kann es auch schon mal sein, dass unsere Mitarbeiter denjenigen zum Jobcenter oder zum Amt begleitet. Es kommen auch Familien oder Mütter, die in ganz vielen Situationen mit den Kindern oder mit der Schule überfordert sind. Dann finden wir gemeinsam weitergehende Hilfe.
DOMRADIO.DE: Seit zehn Jahren gibt es die Lotsenpunkte im Erzbistum Köln. Sie waren damals auch am Aufbau dieses Projekts beteiligt. Wie kam es denn dazu?
Ossmann: Das hat mehrere Gründe gehabt. Zum einen haben wir immer wieder festgestellt, dass das Hilfesystem in Deutschland manchmal schwer zu erreichen ist. Es gibt lange Wartezeiten oder viele wissen gar nicht, welche Dienste es gibt und wo sie sich hinwenden können. Mit dem Lotsenpunkt wollten wir die Zugänge vermitteln.
Ein zweiter Grund war die Überzeugung, dass unsere Pfarrgemeinden diakonische Orte sein müssen. Sie müssen den Blick auf die Menschen haben, denen es nicht so gut geht, und diejenigen wahrnehmen, die mit vielen Dingen in ihrem Leben kämpfen. Da muss Kirche präsent sein und Unterstützung anbieten. Das ist zutiefst biblisch.
Aber das ist nicht selbstverständlich. Es ist hingegen selbstverständlich, dass in der Pfarrgemeinde Gottesdienste stattfinden und Sakramente gespendet werden. Das ist auch gut und richtig.
Aber ob es diakonische Angebote gibt, ist oft beliebig. Es hängt immer davon ab, ob sich gerade Menschen finden, die sich dafür engagieren oder nicht. Das wollten wir so nicht stehen lassen. Wir müssen dafür sorgen, dass jede Pfarrgemeinde einen solchen Ort hat.
DOMRADIO.DE: Eine große Stütze sind dabei auch Ehrenamtler. Wie schwer ist es Menschen dafür zu finden und bei der Stange zu halten?
Ossmann: Das ist eigentlich gar nicht das Problem. Wir haben viele, die sich gerade für diese sozialen Aufgaben engagieren wollen. Der Kern der Lotsenpunkte ist in der Regel ein Team von ehrenamtlichen Soziallotsen, die ihre Zeit, ihre Empathie, ihre Lebenserfahrung und manchmal auch ihre berufliche Erfahrung einbringen.
Wir haben auch Leute, die beruflich im Sozialamt oder bei der Rentenberatung tätig waren und entsprechende Qualifikationen mitbringen. Aber die ist nicht notwendig, denn die Ehrenamtlichen werden zum einen durch die Kollegen aus unserem Fachdienst Gemeinde-Caritas begleitet. Sie vermitteln den Ehrenamtlichen die nötigen Fachinformationen in den sozialen Themen.
Und zum anderen werden die Teams aus dem Pastoral-Team unterstützt. In der Pfarrgemeinde sollte sich eine Person für den Lotsenpunkt verantwortlich fühlen. Das sind oft die Engagement-Förderer, die wir seit ein paar Jahren in den Gemeinden haben.
DOMRADIO.DE: Welche Bilanz ziehen Sie nach zehn Jahren?
Ossmann: Wir haben mit zehn Standorten angefangen. Dann gab es ein so großes Interesse, dass es mittlerweile um die 50 Lotsenpunkte gibt. Das zeigt, dass die Idee stimmt und dass es ein gutes und wichtiges Angebot ist.
Wir haben eine Internetseite www.lotsenpunkte.de, wo man alle Standorte im Bistum mit Ansprechpartnern und Kontaktdaten findet. Da kann man sich hinwenden, auch wenn man Interesse hat, sich bei den Lotsenpunkten ehrenamtlich zu engagieren.
Das Interview führte Michelle Olion.