Eine ungewöhnliche Liebesgeschichte über Kloster und Ehe

Ulrich und Beate lieben sich

Zehn Jahre lieben, bangen, hoffen – und warten. Dann zieht Ulrich aus dem Kloster aus und bei Beate ein. Wie ein Mönch und eine ehemalige Nonne zueinander fanden. Eine große Rolle spielt dabei die gemeinsame Vorliebe für die Kunst.

Autor/in:
Annika Schmitz
Beate und Ulrich Heinen / © Harald Oppitz (KNA)
Beate und Ulrich Heinen / © Harald Oppitz ( KNA )

Ulrich Heinen stößt die Tür auf und tritt ins Atelier. An dessen Wänden hängen Bilder über und über. Und wo kein Platz mehr für sie ist, da stehen sie angelehnt ans Mauerwerk, am Treppenaufgang, an den Stuhlbeinen. Große Gläser voller Pinsel mit Farbklecksen und dicken und dünnen Borsten; Farbkästen, Papiere und Karten lassen die schwere Holztischplatte am Fenster fast verschwinden. Er hole noch seine Frau dazu, sagt der Mann im kurzärmeligen Hemd und verschwindet erneut im Flur.

Gemeinsame Vorliebe für die Kunst

Seine Frau, das ist Beate. Volles schwarzes Haar, kurz geschnitten, rahmt ihr Gesicht mit den warmen Augen und den rot geschminkten Lippen ein. Zärtlich greifen die Hände der beiden immer wieder ineinander, wenn sie gemeinsam an dem kleinen Tisch im Atelier - Arbeits- und Begegnungsraum in ihrem Haus im Landkreis Ahrweiler - sitzen, im Rücken ein Kachelofen, der im Winter Wärme spendet.

Beate und Ulrich Heinen / © Harald Oppitz (KNA)
Beate und Ulrich Heinen / © Harald Oppitz ( KNA )

Dass Ulrich Heinen Beate seine Frau nennen kann, war eigentlich nicht vorgesehen. Denn Ulrich lebte, und das ist noch gar nicht so lange her, jahrzehntelang als Mönch. Und Beate war als junge Frau Ordensschwester. Die Benediktinernonne und der Franziskanerbruder: Das war keine Liebe nach Plan.

Kloster und Neuanfang

1963 tritt Beate in ein Kloster in Eibingen ein, 1974 wieder aus – in einer Nacht- und Nebelaktion, wie es von außen betrachtet wohl aussieht. Nicht aber für Beate. In ihr schwelt die Entscheidung schon lange. Mit 19 Jahren hatte sie sich damals für das Klosterleben entschieden: "Ich habe schon immer so eine Sehnsucht in mir getragen", sagt sie.

Als Nonne studiert sie Kunst, kann ihre Liebe zur Malerei ausleben. Doch die strengen Regeln des Ordenslebens stoßen an der freiheitsliebenden jungen Frau an ihre Grenzen. Beate packt das Wenige, das sie besitzt – und geht. Nicht im Bösen, wie sie Jahrzehnte später erzählt, nicht im Bruch. Von Gott habe sie sich immer getragen gewusst.

 © Harald Oppitz (KNA)
© Harald Oppitz ( KNA )

Hart war der Neuanfang trotzdem. "Ich hatte nichts", erinnert sie sich. In den Jahren danach baut sie sich als freischaffende Künstlerin einen Namen auf, bekommt eine Tochter, ihre zumeist christlich geprägten Werke werden weithin bekannt, sie zieht nach Wassenach in die Nähe der Abtei Maria Laach.

Verbindung über die Kunst

Eine dreiviertel Autostunde von dort entfernt lebt Ulrich, der gelernte Glasmaler, als Franziskanerbruder und arbeitet in der Behindertenhilfe und als Kunsttherapeut. Im Herbst 2009 steht er bei Beate vor der Tür und trifft das erste Mal auf die Frau, die er bislang nur durch die Sprache von Farbe und Pinsel kannte.

Der Grund: Er wollte sie für ein Künstlergespräch im Kloster einladen. Wenn sie sich fast 15 Jahre später an das erste Treffen erinnern, dann erzählen beide davon, wie sich die Begegnung im Atelier gleich so vertraut anfühlte. Wie es ihnen warm wurde. Wie aus dem kurzen Aufeinandertreffen Stunden auf der Ofenbank wurden. Wie sie danach nicht aufhören konnten, aneinander zu denken. Und wie sie einige Wochen später in Ulrichs Kloster wieder aufeinanderstießen, als Beate vor 60 Gästen von ihrer Kunst und ihrem Leben berichtete.

Leben zwischen den Welten

Zehn Jahre sollte es dauern, bis sie sich offen füreinander entscheiden konnten. Zehn Jahre Verliebtheit, Zerrissenheit, ein Leben zwischen den Welten. Zuerst schreiben sich Beate und Ulrich Briefe. Und mit vorsichtig tastenden Worten versuchen sie, sich ihren Gefühlen zu nähern, Begriffe zu finden für das, was sie fühlen. Sie telefonieren, immer wieder kommt Ulrich zu Besuch.

Sie bereiten Kunstausstellungen gemeinsam vor, schreiben ein Buch zu Beates Lebensstationen. Sie fahren gar gemeinsam nach Rom zur Heiligsprechung von Katharina Kasper, deren Bild gemalt von Beate auf einer großen Leinwand vor dem Petersdom hängt.

Drei Jahre nach ihrer ersten Begegnung soll Ulrich erneut eine leitende Position im Kloster einnehmen. Er stimmt zu - mit Bauchschmerzen. Und Beate? "Das hieß nochmal sechs Jahre warten für dich", sagt sie leise und greift nach seiner Hand. Dann verlieren sie sich in Erinnerungen, wie sie gerungen haben mit sich und ihrer Liebe und ihrem Lebensweg. Und wo ihre Zunge beim Erzählen manchmal die rechten Worte nicht findet, da fallen sie sanft über seine Lippen.

Vom Ordensbruder zum Ehemann

Wer Ulrich erzählen hört, der muss nicht fragen, warum es zehn Jahre brauchte, bis er sich ganz und gar für Beate entscheiden konnte.

Ulrich Heinen / © Harald Oppitz (KNA)
Ulrich Heinen / © Harald Oppitz ( KNA )

Ulrich ist einer, der sein Wort hält. Der sich für das Leben im Kloster aus einer Gottessehnsucht heraus entschieden hat. Der sich um die sorgt, für die er Verantwortung trägt. Und erst als seine Amtszeit als Generaloberer zum dritten Mal endet, kann er auch die Mönchskutte ablegen. "Ich glaube, dass ich Menschen damit verunsichert habe", sagt er. "Was geschieht mit denen, die ich verletzt habe?"

Ulrich, heute 68, zieht bei der elf Jahre älteren Beate ein – endlich, wie sie sagt. Das Haus in Wassenach, wie ein Kraftort voll Kunst und Musik und Glaube steht es in der sanften Hügellandschaft, wird das gemeinsame Heim. Der ehemalige Franziskaner wird zum dreifachen Opa und vom Ordensbruder zum Ehemann. 2020 heiraten sie standesamtlich, 2023 besiegeln sie das Versprechen vor Gott.

Mit ihrer ungewöhnlichen Geschichte waren sie deutschlandweit in den Medien: Ex-Mönch heiratet ehemalige Nonne, so die Schlagzeile. Dabei ist das Besondere ihrer Geschichte vielleicht gar nicht so sehr der Bruch mit dem alten Leben - sondern die Kontinuität damit. Beide haben sich damals für ein Leben mit Gott entschieden, sagen sie. Davon haben sie nie gelassen. Nur tun sie es nun gemeinsam.

Quelle:
KNA