Die Erhebung der antiken Stadt Jericho zum Unesco-Welterbe in Palästina hat für Verärgerung auf israelischer Seite gesorgt.
Man betrachte "die heute getroffene Entscheidung als ein weiteres Zeichen für den zynischen Gebrauch der Unesco durch die Palästinenser und die Politisierung der Organisation", hieß es laut israelischen Medienberichten von Sonntagabend in einer Erklärung des israelischen Außenministeriums.
Die Unesco hatte Tel al-Sultan, das alte Jericho, am Sonntag in die Welterbeliste aufgenommen und Palästina zugeordnet. Die Zahl der palästinensischen Welterbestätten erhöht sich damit auf vier.
Israel werde mit all seinen Freunden in der Organisation zusammenarbeiten, um "alle verzerrten Entscheidungen" der Unesco zu ändern, so das Außenministerium weiter. Israel ist 2019 aus der Unesco ausgetreten.
Druck von rechten israelischen Abgeordneten
Der Direktor des rechten Think Tank "Kohelet Forum" mit Sitz in Jerusalem, Eugene Kontorowitsch, erklärte laut Bericht der Zeitung "Jerusalem Post" (Montag), dass die Unesco-Entscheidung "die Juden aus der Geschichte des alten Jericho ethnisch säubert". Die Juden und Jesus seien vollständig aus den historischen Aufzeichnungen gelöscht worden.
Rechte israelische Abgeordnete hatten laut Medienberichten zuletzt versucht, Druck auf die UN-Organisation auszuüben, um die Anerkennung Tel al-Sultans als Welterbe der Palästinenser zu verhindern. In einem Brief an die Vertreter der Mitgliedsstaaten der Welterbekonvention erklärten sie, die Palästinensische Behörde führe eine Kampagne, um die jüdische Geschichte im Westjordanland zu leugnen, und versperre Israelis den Zugang zu den Stätten. Zudem habe sie Jericho zu einem Zentrum des Terrors gemacht.
Entscheidung "von großer Bedeutung"
Unterstützung erhielt der palästinensische Vorstoß unterdessen von der israelischen Archäologenorganisation Emek Schaveh, die nach eigenen Angaben "die Politisierung der Archäologie im Kontext des israelisch-palästinensischen Konflikts verhindern will".
Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas begrüßte die Anerkennung Jerichos als palästinensisches Welterbe. Die Unesco-Entscheidung sei "von größter Bedeutung und zeugt von der Authentizität und Geschichte des palästinensischen Volkes", sagte er laut Bericht der palästinensischen Nachrichtenagentur "Wafa" (Sonntag). Palästina verpflichte sich, diese einzigartige Stätte zum Wohle der Menschheit zu bewahren".
"Wiege der Zivilisation"
Das nördlich der modernen Stadt Jericho gelegene Tel al-Sultan mit einer mehr als 12.000 Jahre alten Geschichte ist laut Unesco "bekannt als die älteste und am tiefsten gelegene Stadt der Welt". Mit dem Ort werde die antike Stadt Jericho, arabisch Al-Riha, identifiziert. Neue archäologische Funde weisen den Angaben zufolge auf eine "Kontinuität des palästinensischen Erbes seit Jahrtausenden" hin.
Jericho sei einer der wichtigsten Orte auf der antiken Landkarte des Nahen Ostens sowie Wiege der Zivilisation, so die Kulturorganisation, die auch die biblische Rolle Jerichos hervorhebt. Mit der Abstimmung in Riad gesellt sich die antike Stadt zu anderen Unesco-Welterbestätten in Palästina. Die Geburtskirche und die Pilgerroute von Bethlehem, die Kulturlandschaft im Süden Jerusalems, Battir, sowie die Altstadt von Hebron stehen bereits auf der Liste.
Das Welterbekomitee entscheidet noch bis zum 25. September über insgesamt 50 Nominierungen. Ebenfalls am Sonntag hatte die Unesco die Aufnahme des jüdisch-mittelalterlichen Erbe Erfurts in die Unesco-Welterbeliste bekanntgegeben. Für Deutschland ist es der 52. Welterbetitel, für Thüringen der fünfte.