Andreas Theurer ist Priester mit Frau und Kindern

"Ich kann das ganz gut leben"

Einen katholischen Priester ohne Zölibat? Gibt es. Andreas Theurer hat dafür eine Ausnahmegenehmigung vom Papst bekommen. Der Pfarrer findet trotzdem, dass der Zölibat einen Wert hat – und zölibatäre Priester ihm manches voraus haben.

Andreas Theurer  (privat)
Andreas Theurer / ( privat )

Dies ist ein Auszug aus der aktuellen Folge des Podcasts "Himmelklar". Das komplette Gespräch zum Anhören gibt es hier:

Himmelklar: Sie waren als evangelischer Pfarrer gemeinsam mit Ihrer Frau zum katholischen Glauben konvertiert. Später wurden Sie zum katholischen Priester geweiht. Obwohl man es anders denkt, der Zölibat ist kein Muss für eine Priesterweihe. Eine Ehe zählt als sogenanntes "einfaches Weihehindernis", was bedeutet, dass es eine Ausnahmegenehmigung vom Vatikan geben kann.

Andreas Theurer (Pfarrer im Bistum Augsburg): Genau, das kann der Bischof nicht selbst entscheiden, sondern wenn er will, dass ich geweiht werde, kann er beim Papst eine Bitte um eine Ausnahmegenehmigung, also um eine sogenannte Dispens stellen.

Das hat Bischof Konrad Zdarsa auch vor ein paar Jahren gemacht und hat vom Papst bzw. von der zuständigen Behörde – so genau weiß man das ja auch nicht, wer sie letztlich gelesen und unterschrieben hat – diese Ausnahmegenehmigung bekommen.

Himmelklar: Das heißt, Sie haben keinen Brief vom Papst an der Wand hängen?

Theurer: Nein, tatsächlich nicht.

Himmelklar: War das schwierig, den Bischof davon zu überzeugen, oder war der direkt auf Ihrer Seite?

Theurer: Das war überhaupt keine Frage. Es ging in keiner Weise darum, den Bischof zu überzeugen, sondern ich habe meinen Dienst getan als theologischer Referent. Er kannte mich. Er hatte Kontakt zu meinen direkten Vorgesetzten, die auch über mich urteilen konnten.

Es wurde auch tatsächlich ein kleines Verfahren durchgeführt. Eine Art Arbeits- und Lebenszeugnis, das über mich gesammelt wurde. Da mussten sicher einige Leute ihre Meinung über mich vertraulich dem Bischof kundgeben. Ich selbst musste natürlich auch "Ja" sagen dazu und einen formellen Antrag stellen, zum Priester geweiht zu werden. Und irgendwann bekam ich von ihm das "Ja". Der ganze Prozess hat allerdings dann doch sechs Jahre gedauert

Himmelklar: Wie sieht das auf theologischer Basis aus? Wir haben aus katholischer Überzeugung eine Begründung, warum wir finden, Priester sollen ihre ganze Energie und Zeit und ihr Leben der Kirche widmen und sollen nicht eine Familie haben. Das ist einer der großen Punkte, die uns von der evangelischen Kirche trennen. Wie können Sie da sagen, dass Sie den Job trotzdem genauso gut machen können?

Theurer: Es ist schon schwierig, das gebe ich zu, eine Ausnahme als Priester in der Diözese zu sein: der einzige leitende Pfarrer mit Ehefrau, Kindern und Enkeln. Natürlich ist das etwas Besonderes. Ich möchte tatsächlich auch nicht gerne beurteilen, ob das bei mir besser oder schlechter ist als bei anderen Priestern. Ich denke, das ist eine Rolle, die mir auch nicht zusteht.

Andreas Theurer

"Ich habe den Eindruck, dass mein Dienst nicht darunter leidet, dass ich verheiratet bin."

Ich kann das, glaube ich, ganz gut leben. Ich habe den Eindruck, dass mein Dienst nicht darunter leidet, dass ich verheiratet bin. Ich habe aber auch keine kleinen Kinder. Ich habe keine Familie, die mich in Anspruch nimmt, sondern ich habe eine Ehefrau, die mich sehr unterstützt. Das ist natürlich etwas anderes, als wenn ich jemanden hätte, für den ich sorgen müsste. Das ist aber bei mir nicht so.

Himmelklar: Könnte man vielleicht sogar sagen, Sie haben es schwieriger, die Priester-Berufung auszuleben als jemand, der keine Familie hat?

Theurer: Nein, jetzt habe ich das sicher nicht schwieriger. Ich könnte mir aber vorstellen, dass ich es schwieriger gehabt hätte, als unsere Kinder noch klein waren. Das habe ich tatsächlich manchmal so empfunden, auch als evangelischer Pfarrer, dass man schon in einem gewissen Spagat steht zwischen der Gemeinde, in der man Hirte und Vater sein soll, und der eigenen Familie, die natürlich noch ganz andere Vaterpflichten von einem einfordert.

Himmelklar: Sie zeigen also auf, dass es möglich ist Familienmensch und Priester zu sein. Trotzdem sagen Sie, ist es Ihnen wichtig mit Ihrer Geschichte nicht kirchenpolitisch gegen den Zölibat instrumentalisiert zu werden. Passiert das denn?

Theurer: Ich könnte mir vorstellen, dass es manche gerne täten, aber tatsächlich tue ich, was ich kann, um genau das zu verhindern. Ich erlebe es auch immer wieder, dass Menschen mir sagen: Toll, dass wir jetzt endlich einen verheirateten Pfarrer haben oder dass es so was gibt. Oder es heißt, die Kirche bewegt sich doch. Oder: "Endlich mal ein Pfarrer, der was vom Leben versteht."

Andreas Theurer

"Ich möchte die Augen dafür öffnen, dass auch ein zölibatärer Priester Lebenserfahrung hat, und zwar andere als ich."

Solche Sätze höre ich schon manchmal, aber tatsächlich sage ich dann nicht: Ja, super, ich finde es auch toll, dass das ihr jetzt so jemanden habt, sondern ich möchte dann auch wirklich die Augen dafür öffnen, dass auch ein zölibatärer Priester Lebenserfahrung hat, und zwar andere als ich. Keiner hat alle Erfahrungen. Ich habe auch nicht alle Erfahrungen.

Himmelklar: Also ist die Erfahrung der Einsamkeit auch etwas wertvolles?

Theurer: Ich finde es immer wieder beeindruckend. In unserer heutigen Zeit leben so viele Menschen ungewollt partnerlos oder ohne festen Partner, sehnen sich nach einer festen Beziehung und finden keine. Es geht immer wieder alles kaputt oder sie haben eben niemanden und müssen das erleben, dass man einsam und alleine ist und dass man eben keinen Partner hat. Das sind so viele Menschen, denen es so geht.

Das wiederum habe ich in meiner Biografie nicht erlebt. Ich habe als Student geheiratet, ich war immer "versorgt" in dieser Hinsicht. Dieses Gefühl, wirklich alleine zu sein und keinen ganz nahestehenden Menschen zu haben, habe ich so nicht erlebt. Ich glaube, da haben mir die zölibatären Priester ganz viel voraus, auch im Miterleben, was das bedeutet, wenn man eben abends heimkommt und es ist niemand da.

Himmelklar: Das ist eine Argumentation, die man von kirchlicher Seite relativ selten hört. Einsamkeit ist ein Thema, das in der Gesellschaft immer größer wird. Ich habe aber noch keine Predigt erlebt, wo der Pfarrer gesagt hat: Liebe Singles, kommt zu mir, ich weiß, wie es euch geht. Die Kirche fokussiert sich eigentlich eher auf die andere Seite, dass man Argumente sucht, warum ein zölibatär lebender Priester zum Beispiel trotzdem einer Familie etwas sagen kann.

Theurer: Da haben Sie wahrscheinlich recht.

Himmelklar: Bräuchte es mehr Bewusstsein für das Thema Einsamkeit? Hat die Kirche diesen Wert noch nicht entdeckt, zu dem Thema etwas kompetent sagen zu können?

Theurer: Wenn man so argumentiert, wie Sie es gerade skizziert haben, würde es ja darauf hinauslaufen, dass man im Grunde sich selbst lobt und sagt: "Schau, was ich alles weiß und kann." Vielleicht ist das auch einfach ein Hinderungsgrund, dass sich kein Priester auf die Kanzel stellt und sagt: "Schaut mal, ich weiß, wie Einsamkeit geht, kommt alle zu mir, die Ihr einsam seid." So würde ich auch nicht predigen.

Ich predige auch umgekehrt nicht, dass ich weiß, wie Verheiratet-sein geht – kommt alle zu mir und ich helfe euch. Das sind Dinge, die gehören vielleicht auch schlichtweg nicht auf eine Kanzel oder an den Ambo. Ich glaube aber schon, dass im seelsorglichen Gespräch sehr viele Priester an dieser Stelle ihre Kompetenz zeigen können und auch wahrgenommen und angefragt werden, aber wohl nicht in den Medien.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Himmelklar: Der katholische Podcast

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Himmelklar (DR)
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