Domkapitular Hofmann fordert Einheit von Glaube und Alltag

Ist unser Alltag "christusfremd" geworden?

Im Kapitelsamt am neunundzwanzigsten Sonntag im Jahreskreis betont Domkapitular Markus Hofmann die Einheit von Christsein und Bürgertum. Es gilt nicht, sich zwischen Gott und Leben zu entscheiden, sondern Christus im Alltag zu finden.

Msgr. Markus Hofmann am Hochaltar des Kölner Domes. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Msgr. Markus Hofmann am Hochaltar des Kölner Domes. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

"So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!" – so die Antwort Jesu auf eine Falle der Pharisäer, die ihm je nach Antwort wahlweise Revolution gegen den römischen Staat oder mangelnden Respekt gegenüber dem Heiligen Land vorzuwerfen gedachten (Mt 22, 15–21).

Domkapitular Markus Hofmann (DR)
Domkapitular Markus Hofmann / ( DR )

Doch was gehört eigentlich Gott – und was dem Kaiser? Diese Frage suchte Domkapitular Markus Hofmann in seiner Predigt im Kapitelsamt am neunundzwanzigsten Sonntag im Jahreskreis im Kölner Dom zu beantworten.

Als Schöpfer und Herr des Universums gehöre Gott letztlich alles bis hin zum eigenen Leben, stellte Domkapitular Hofmann grundsätzlich klar.

Der Mensch sei nicht Eigentümer, sondern nur Verwalter seines Lebens und der Welt und müsse dementsprechend auch einmal vor dem eigentlichen Eigentümer Rechenschaft ablegen.

Erst die Verschenkung an Gott birgt den Frieden

"Gott hat deswegen Recht auf mein ganzes Leben, auf meine ganze Zeit, auf meinen Besitz, auf mein ganzes Herz. Und darum bittet er, darum wirbt er seit Beginn der Schöpfung bis zum Jüngsten, bis zum letzten Tag der Geschichte."

Gleichsam zwinge uns Gott nicht zu unserem Glück, sondern schätze unsere Freiheit – trotz des Risikos, dass wir sie für irdische Anhänglichkeiten "verschwenden".

Madonna von Fatima / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Madonna von Fatima / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Gott jedoch lasse in seinem Bemühen um uns nicht nach "und erinnert mich daran, dass nur er allein genug Freude, genug Frieden hat, um die Sehnsucht meines Herzens wirklich zu stillen".

Erst wenn man es Maria gleichtue und sich Gott ganz und ohne Vorbehalt schenke, werde man ihm gerecht. "Erst dann werde ich auch selbst den Frieden in meinem Herzen finden, dem ich sonst nur mit hängender Zunge nachjage, ohne ihn je zu erreichen."

Persönliche Pflichten sind nicht zu vernachlässigen

Mit der Heiligen und Kirchenlehrerin Teresa von Ávila betonte Domkapitular Hofmann: "Gott allein, nur Gott genügt."

Andererseits stellte er aber auch die Frage in den Raum: "Gott sein Herz schenken. Ist das nicht unrealistisch? Wer kann schon immer an Gott denken? Wir müssen doch auch arbeiten, müssen uns unserer Familie, unseren Freunden zuwenden, brauchen auch Erholung. Reicht es denn nicht, wenn man morgens und abends im Gebet an Gott denkt und sonntags dann in die heilige Messe geht?"

Gott sein ganzes Leben geben, heiße normalerweise freilich nicht, dass ein Familienvater nun zwingend seinen Beruf und seine Familie verlassen und Einsiedler werden müsse, so Domkapitular Hofmann.

Statue Teresa von Ávila / © Marc Clinton Labiano (shutterstock)
Statue Teresa von Ávila / © Marc Clinton Labiano ( shutterstock )

"Es sei denn, er hat eine ganz besondere Berufung, wie etwa der Heilige Bruder Klaus von der Flüe in der Schweiz. Aber das sind ganz seltene Ausnahmen."

Gott sein Herz zu schenken bedeute auch nicht, dass eine Ehefrau und Mutter ihren Mann, ihre Kinder vernachlässigen und so viele Stunden wie eine Ordensfrau im Kloster beten solle.

Gott am Alltag teilhaben lassen

Auch ein Priester könne nicht 24 Stunden am Stück beten, nicht einmal ein Kartäusermönch. "Gott sitzt ja auch nicht mit der Stoppuhr im Himmel und zählt die Sekunden, die wir ihm sozusagen als Steuer zurück schenken."

Von dort aus rückte Domkapitular Hofmann Alltag und Glaube ins rechte Verhältnis: "Nein, nicht Beruf oder Gott, sondern Gott – auch in meiner Arbeit. Nicht Ehepartner oder Gott, sondern Gott – auch in der Ehe. Nicht Gott oder Freizeit, sondern Gott – auch in meiner Freizeit."

Es gilt also nicht, sich zwischen Glaube und Alltag entscheiden zu müssen, sondern vielmehr Gott am Alltag teilhaben zu lassen, so die Botschaft der Predigt von Domkapitular Hofmann: "Gott geben, was Gott gehört, heißt, ihm das ganze Leben zu geben, aber nicht sonntags als Christ, fromm in der Kirchenbank und werktags als Heide zu leben. Nicht am Sonntag als Ministrant am Altar oder Sänger im Domchor und zu Hause Egoist zu sein. Gott geben, was Gott gehört, heißt, die Einheit des Lebens zu wahren, sie nicht in mehrere Teile auseinanderfallen zu lassen."

Europas christliches Fundament

Diese Einheit müsse bewahrt und ortsunabhängig – etwa auch im Urlaub – gewahrt werden. "Wie ich immer Kind meiner Eltern bin, in jeder Situation, so sind wir immer Kinder Gottes, Kinder unseres himmlischen Vaters."

Darum dürfe man es sich auch nicht – etwa durch Steuerhinterziehung oder andere Arten des Betrugs – auf Kosten des Allgemeinwohls bequem machen. Vielmehr leitet Domkapitular Hofmann von der Gotteszugehörigkeit auch eine Bürgerpflicht eines jeden Menschen ab – und verweist auf das christliche Fundament der Europäischen Union.

Konrad Adenauer auf dem Katholikentag 1956 in Köln / © N.N. (KNA)
Konrad Adenauer auf dem Katholikentag 1956 in Köln / © N.N. ( KNA )

"Dem Kaiser geben, was dem Kaiser gehört, heißt auch, seine Pflichten als Staatsbürger ernst nehmen und die Gesellschaft aus christlicher Verantwortung heraus mitzutragen und mitzugestalten. Was wäre nach dem Zweiten Weltkrieg aus Deutschland und Europa geworden, ohne den aus dezidiert christlicher Grundhaltung kommenden Einsatz eines Konrad Adenauers, eines Robert Schumanns und Alcide De Gasperi?"

Christusfremdheit viel gravierender als Weltfremdheit

Schließlich thematisierte Domkapitular Hofmann noch den beizeiten getätigten Vorwurf, in der Kirche komme der normale Alltag zu wenig vor: "Wenn der Gottesdienst völlig lebens- oder weltfremd sein sollte, dann wäre das gewiss ein Mangel. Aber noch viel gravierender wäre es, wenn unser christlicher Alltag christusfremd wäre. Die Einheit des Lebens als Christ und als Erdenbürger, nur diese Einheit kann uns davor bewahren, entweder Traumtänzer oder Maulwurf zu werden, der gar nicht weiß, dass es über seiner Höhle auch noch ein anderes Leben gibt."

Wer Gott gebe, was ihm gehört – das ganze Leben, das ganze Herz – der könne und dürfe sein Herz nicht verschließen vor der Mitverantwortung für die anderen. "Wenn wir unser Christsein so leben, dann strahlt es aus, dann macht es Freude und steckt andere an, dann wird unser Christsein missionarisch und dann ist es echt. Amen."

Musikalische Gestaltung

Der Kölner Domchor unter der Leitung von Eberhard Metternich sang die Missa super "Dixit Maria" von Hans Leo Hassler sowie "Denn er hat seinen Engeln befohlen" von Felix Mendelssohn Bartholdy und "Ave Maria" von Anton Bruckner. An der Orgel: Simon Schuttemeier.


missio-Plakat zum Sonntag der Weltmission 2023 / © missio
missio-Plakat zum Sonntag der Weltmission 2023 / © missio

Weltmissionssonntag

Seit den Tagen der Apostel wissen sich die Christen berufen, die Frohe Botschaft von Jesus Christus in alle Welt und zu allen Völkern zu tragen. Dieses Auftrags vergewissert sich die katholische Kirche alljährlich am Weltmissionssonntag. Damit erinnert sie an die gemeinsame Verantwortung aller Getauften, durch ihr Glaubenszeugnis, ihr Gebet und ihre tatkräftige Unterstützung die Weitergabe des Wortes Gottes zu fördern.

Aus: TeDeum – Das Stundengebet im Alltag, Oktober 2023, www.tedeum-beten.de


„Was meinst du? Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen, oder nicht?“ (Mt 22,17)

Impuls zum Evangelium 22,15–21

Auch heute fragen sich manche, ob sie mit ihren Steuern Systeme oder Bereiche unterstützen dürfen, die sie nach eigener Verantwortung nicht mittragen können oder wollen. … Was da als Fangfrage verkleidet auf Jesus zukommt, wird entlarvt durch seine Gegenfrage, die die sehr verschiedenen Ebenen und ihre Rangordnung deutlich macht. Gott hat Vorrang, alles ist dem nachzuordnen. Der Kompromiss ist im Miteinander zu suchen, vielleicht auch zu erringen, in den menschlichen oder politischen Verhältnissen, zu denen dann auch die Steuerpflichten zuzuordnen sind, die sich im Laufe der Zeit immer wieder verändern. Der Vorrang Gottes steht da für Jesus ohne jede Konkurrenz.

Johanna Domek OSB. Aus: TeDeum – Das Stundengebet im Alltag, Oktober 2023, www.tedeum-beten.de