Nach dem Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel steigen die Opferzahlen weiter an. Israel spricht inzwischen von knapp 1.000 Todesopfern. Das israelische Militär begann einen Gegenschlag. Zudem wurde angekündigt, die Versorgung der Menschen im Gazastreifen mit Energie, Wasser und Lebensmitteln zu stoppen.
Alle Projekte auf den Prüfstand
Gleichzeitig verkündete in Deutschland das Entwicklungsministerium, die staatliche Entwicklungszusammenarbeit mit den Palästinensischen Gebieten vorerst auszusetzen. Zunächst sollen alle Projekte auf den Prüfstand gestellt werden. "Wir wollen bei dieser Überprüfung vor allem mit Israel besprechen, wie wir dem Frieden in der Region und Sicherheit für Israel mit unseren Entwicklungsprojekten am besten dienen können." Denn auch Israel selbst habe ein Interesse daran, "dass die Menschen in den Palästinensischen Gebieten langfristig in Stabilität leben können", so die Ministerin.
Dabei geht es durchaus um große Summen: Das Entwicklungsministerium sagte nach eigenen Angaben für 2023 rund 250 Millionen Euro zu, davon die Hälfte über bilaterale Projekte in der Entwicklungsbank KfW und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit in diesem und dem kommenden Jahr.
Sorge Hamas zu finanzieren
Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist stets die Sorge, die Hamas könnte in irgendeiner Weise von den Geldmitteln profitieren. Nun warnen jedoch vor allem Hilfsorganisationen davor, jegliche Hilfen für die Palästinensischen Gebiete alleine auf diesen Verdacht hin einzustellen.
Die Menschen im Gazastreifen seien auch weiter auf humanitäre Hilfe angewiesen - bereits vor der Eskalation sei die Situation vor Ort katastrophal gewesen, erklärte etwa das kirchliche Hilfswerk Misereor. "Es wäre ein falsches Zeichen, wenn die Unterstützung ausgerechnet für diejenigen zivilgesellschaftlichen Akteure in Frage gestellt wird, die sich in der Region für Aussöhnung und Frieden einsetzen, ganz besonders in der jetzigen Situation der größten Not."
Misereor nicht betroffen
Auch Misereor erhält zwar Gelder des BMZ. Diese sind aber nach eigenen Angaben nicht von dem Stopp betroffen, der sich nur auf staatliche Zusammenarbeit und nicht auf geförderte Arbeit von Organisationen in kirchlicher und privater Trägerschaft bezieht. Das Hilfswerk unterstütze damit seit vielen Jahren Partner in Israel und den Palästinensischen Gebieten, die sich für Frieden und gesellschaftlichen Dialog einsetzen, hieß es.
"Für die von uns unterstützten Partner können wir ausschließen, dass Gelder an Hamas nahe stehende Organisationen zweckentfremdet werden, denn alle Projekte werden kontinuierlich nach strengen Vorgaben geprüft, und die Zusammenarbeit erfolgt auf einem Weg des intensiven Partnerdialogs und der genauen Kenntnisse der örtlichen Strukturen über jahrelange gute Zusammenarbeit", betonte das Hilfswerk.
Wenig Auswirkung auf Hamas
Aus Sicht des Entwicklungsforschers Markus Loewe wird das Aussetzen der Entwicklungshilfe zudem wenig Auswirkungen auf die Hamas haben. "Die Bedingungen, unter denen die Hamas im Gazastreifen regiert hat, waren bisher schon stark von Druck geprägt. Selbst wenn sie sich nun weiter verschlechtern sollten, wird das nichts am Kurs der Hamas ändern", sagte der Forscher am German Institute of Development and Sustainability (IDOS) der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Die Politik der Terrorgruppe, die den Gazastreifen kontrolliert, sei nie auf eine Versorgung der Bevölkerung, sondern stets auf Krieg mit Israel ausgerichtet gewesen. Auch der dortigen Bevölkerung sei das bewusst, erklärte Loewe. Die Menschen seien "unzufrieden über die Hamas wie auch über die israelische Blockade. Diese Unzufriedenheit wird wachsen, wenn die Unterstützung nun langfristig eingestellt wird."
Veränderung der Zusammenarbeit
Zudem werde die Prüfung des Entwicklungsengagements kaum zu einer Veränderung der Zusammenarbeit führen. "Die Unterstützung hatte eher den Charakter einer Nothilfe, wie sie auch in Katastrophengebieten Anwendung findet. Das läuft dann über internationale und nationale Hilfsorganisationen und nicht über die Hamas."