Der Theologe und Soziologe Tomas Halik (75) zählt zu den bekanntesten Intellektuellen der Tschechischen Republik. Der Priester genießt in der atheistisch geprägten tschechischen Gesellschaft hohes Ansehen. Als Professor an der renommierten Prager Karls-Universität und Vertrauter des verstorbenen Staatspräsidenten Vaclav Havel nimmt er regelmäßig zu politischen und ethischen Fragen Stellung. Vor allem ermutigt er die Tschechen zu mehr gesellschaftlicher und politischer Mitbestimmung und einer ernsthaften Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit. Zudem setzt er sich seit langem für den weltweiten Dialog zwischen den Religionen ein.
Der 1948 geborene Halik wuchs in einem liberal-intellektuellen Elternhaus auf. Zur Kirche kam er erst nach seinem Ausschluss aus dem Wissenschaftsbetrieb durch die Kommunisten 1972. Er studierte im Geheimen Theologie und wurde 1978 in Erfurt zum Priester geweiht. Elf Jahre lang arbeitete er im Zivilberuf als Psychotherapeut für Alkohol- und Rauschgiftsüchtige.
Zahlreiche hohe und höchste Auszeichnungen
Als Untergrundpriester hielt er geheime Seminare ab. Zu seinem Dissidentenzirkel gehörten auch die Brüder Havel. Zeitweilig lebte Halik in einem buddhistischen Kloster in Indien und hielt Vorträge in den USA. Heute lehrt er an der Karls-Universität Soziologie. Er ist Präsident der Tschechischen Christlichen Akademie, die sich für die deutsch-tschechische Aussöhnung engagiert. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, unter anderen den Romano-Guardini-Preis 2010 der Katholischen Akademie in Bayern. Sein Buch "Der Nachmittag des Christentums" (2022) für ein neues christliches Denken in der säkularen Gesellschaft fand breite Beachtung.
2014 wurde Halik in London mit dem Templeton-Preis für besondere Leistungen im Bereich von Wissenschaft und Religion geehrt. Mit umgerechnet 1,3 Millionen Euro gehört die landläufig auch "Nobelpreis für Theologie" genannte Ehrung zu den höchstdotierten Auszeichnungen überhaupt. Zu den früheren Trägern gehörten etwa Desmond Tutu (2013), der Dalai Lama (2012) und Mutter Teresa (1973). Am Wochenende erhielt Halik den Masaryk-Orden erster Klasse, den höchsten Orden der Tschechischen Republik, für "hervorragende Verdienste um die Entwicklung von Demokratie, Humanität und Menschenrechten". (kna/30.10.2023)