Der Vatikan prüft weiterhin eine Anzeige gegen den früheren Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz und Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch. Untersucht wird, ob er sich falsch verhalten oder sogar aktiv vertuscht hat beim Umgang mit sexualisierter Gewalt und Missbrauch durch Priester und Kirchenmitarbeiter.
Anzeige erstattet hatte bereits 2019 sein Nachfolger, der heutige Freiburger Erzbischof Stephan Burger. Das Erzbistum Freiburg hat seitdem keine neuen Informationen zum Stand des Verfahrens erhalten, wie ein Sprecher am Mittwoch (08.11.2023) auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte.
Laut einem Bericht der "Zeit"-Beilage "Christ und Welt" (Donnerstag) hat Zollitschs Sprecher Marco Mansdörfer die anhaltenden Untersuchungen im Vatikan bestätigt. Es handle sich "lediglich um ein Vorverfahren zu einem Disziplinarverfahren". Zollitsch komme seiner Mitwirkungspflicht nach und sei im laufenden Verfahren zu Stillschweigen verpflichtet, wird Mansdörfer zitiert.
Nach katholischem Kirchenrecht kann nur der Vatikan, beziehungsweise der Papst das Fehlverhalten eines Bischofs untersuchen und sanktionieren. Laut einem Papsterlass von 2019 müssen Hinweise auf Fehlverhalten von Bischöfen im Zusammenhang mit Missbrauch und Vertuschung unmittelbar nach Rom gemeldet werden. Das hat Burger mit seiner Anzeige getan.
Hintergrund sind die in einem umfassenden Missbrauchsgutachten aufgearbeiteten Vorwürfe gegen Zollitsch. Er trug über Jahrzehnte als Personalchef und danach als Erzbischof Personalverantwortung im Erzbistum Freiburg und war von 2008 bis 2014 Vorsitzender der Bischofskonferenz .
Laut dem im April 2023 veröffentlichten Freiburger Missbrauchsbericht hat es Zollitsch bewusst unterlassen, kirchliche Strafprozesse gegen beschuldigte Priester durch Anzeigen anzustoßen - selbst bei staatlich verurteilten Tätern. Am schwersten wiegt der Vorwurf, Zollitsch habe weitere sexualisierte Gewalt und Missbrauch durch sein Handeln erst ermöglicht, weil er es unterlassen habe, beschuldigte oder überführte Priester zu stoppen. Stattdessen habe er sie stillschweigend in andere Kirchengemeinden versetzt, wo erneut Minderjährige zu Opfern wurden.
Laut den Recherchen von "Christ und Welt" sei es das Ziel Zollitschs als Bischofskonferenz-Vorsitzender gewesen, eine staatliche Wahrheitskommission zur Aufarbeitung von Missbrauch und sexualisierter Gewalt in der Kirche zu verhindern. Er habe dazu auch die damalige Kanzlerin Angela Merkel getäuscht und Kirche und Öffentlichkeit belogen.
Der 85-Jährige lebt heute sehr zurückgezogen in Mannheim. Nach Veröffentlichung des Freiburger Missbrauchsberichts hat er zahlreiche öffentliche Auszeichnungen wie das Bundesverdienstkreuz zurückgegeben. In einer Video-Erklärung von 2022 räumte er allgemein schwere Fehler und moralische Schuld ein, ging aber nicht auf konkrete Fälle ein. (KNA)