Uni distanziert sich von Ehrendoktor für Bischof Lettmann

"Leitungs- und Kontrollversagen"

Die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Münster distanziert sich von der in den 1990er Jahren verliehenen Ehrenpromotion an den damaligen Bischof Reinhard Lettmann. Grund sind Erkenntnisse aus einer Missbrauchsstudie.

Bischof Reinhard Lettmann im Jahr 2010 / © Wolfgang Radtke (KNA)
Bischof Reinhard Lettmann im Jahr 2010 / © Wolfgang Radtke ( KNA )

Der Fachbereichsrat der Fakultät beschloss am Dienstag eine Distanzierung unter Hinweis auf die im vergangenen Jahr veröffentlichte Studie über sexuellen Missbrauch im Bistum, wie die Universität am Mittwoch mitteilte. Die Studie habe Lettmann ein "intensives Leitungs- und Kontrollversagen" im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch durch
Priester im Bistum Münster bescheinigt. Der im Jahr 2013 gestorbene Lettmann war von 1980 bis 2008 Bischof des Bistums.

Betroffenheit über Umgang mit Tätern und Opfern

"Vor dem Hintergrund unseres heutigen Wissens über Lettmanns Umgang mit Tätern und Opfern sexuellen Missbrauchs durch Priester im Bistum Münster" hätte die Ehrendoktorwürde nicht verliehen werden dürfen, heißt es in der Erklärung der Fakultät.

"Es macht uns als Fakultät sehr betroffen, dass durch Bischof Lettmann fahrlässig eingesetzte Priester Menschen tiefe seelische Verletzungen zugefügt und Biografien zerstört haben." Die 2022 veröffentlichte Studie zeige, dass Lettmann in seinen Funktionen als Generalvikar, Weihbischof und Bischof entscheidenden Einfluss auf den Umgang mit Tätern und Opfern sexuellen Missbrauchs gehabt habe.

Fakultät will Arbeit künftig besser prüfen

Die Fakultät sei sich ihrer Schuld bewusst, heißt es in der Erklärung weiter. "Als Konsequenz werden wir unsere theologische Arbeit in Zukunft sehr sorgfältig auf Verstrickungen in und die Ermöglichung von Formen des Machtmissbrauchs prüfen", kündigte die Fakultät an.

Mit seinem in mehreren Fällen grob fahrlässigen Verhalten habe es Bischof Lettmann Tätern ermöglicht, neue Opfer zu suchen. Laut der Studie habe der Bischof keine erkennbare Empathie für die Opfer aufgebracht, den direkten Kontakt vermieden und die Personalverantwortung delegiert.

610 Missbrauchsopfer zwischen 1945 und 2020

Der Fachbereichsrat hatte im Jahr 1990 die Ehrenpromotion mit dem bischöflichem Wirken im Geist des II. Vatikanischen Konzils begründet. Im Juni 2022 hatte das Bistum Münster die Studie "Macht und sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche. Betroffene, Beschuldigte und Vertuscher im Bistum Münster seit 1945" veröffentlicht.

Laut dem unabhängigen Gutachten, das von Wissenschaftlern der Universität Münster erstellt worden war, soll es in dem Bistum zwischen 1945 und 2020 mindestens 610 Missbrauchsopfer gegeben haben. Beschuldigt wurden demnach etwa 196 Kleriker.

Studie: Flächendeckender Missbrauch im Bistum Münster

Die Zahl der beschuldigten Priester und Missbrauchsopfer im Bistum Münster ist nach einer Studie der Universität Münster deutlich höher als bekannt. Laut der über zwei Jahre dauernden Forschungsarbeit eines fünfköpfigen Teams gab es von 1945 bis 2020 fast 200 Kleriker und bekannte 610 minderjährige Opfer von sexuellem Missbrauch. Damit sind 4,17 Prozent der Priester betroffen. Die Dunkelziffer ist erheblich höher. Die Forscher gehen von 5000 bis 6000 Opfern aus.

 Studie zu Macht und sexuellem Missbrauch in Münster
 / © Lars Berg (KNA)
Studie zu Macht und sexuellem Missbrauch in Münster / © Lars Berg ( KNA )
Quelle:
epd