DORMADIO.DE: Seit einigen Jahren arbeitet Kolping in der Ukraine, um Binnenflüchtlinge zu versorgen. Das waren ursprünglich Geflüchtete von der Krim. Wie ist das nach zwei Kriegsjahren? Um wen kümmern Sie sich da?
Vasyl Savka (Geschäftsführer des Kolpingwerks in der Ukraine): Das hat sich nach zwei Kriegsjahren nicht besonders geändert, weil die Geflüchteten nach wie vor von der Krim gekommen sind.
Aber auf der anderen Seite mussten nach diesem aggressiven Angriff Russlands vor fast zwei Jahren sehr viele Menschen aus dem Osten des Landes flüchten und sind in die Westukraine gekommen. Das sind hauptsächlich Menschen aus dem Donbass. In ersten Monaten des Krieges kamen die Menschen allerdings aus Kiew, aus der Zentralukraine und aus dem Norden.
Die Menschen, die vor dem Krieg fliehen, die ihre Häuser und ihre Wohnungen verloren haben, suchen unter den vielen Organisationen auch Unterstützung bei Kolping.
DORMADIO.DE: Zu Beginn des Krieges hatten Sie gesagt, dass die Lage bei Ihnen in Czernowitz stabil sei. Wie sicher fühlen Sie sich heute in der Westukraine?
Savka: Die Lage hat sich nicht geändert. Hier ist es immer noch mehr oder weniger sicher, obwohl man dieses Gefühl hat, dass jeden Tag eine Kampfdrohne oder eine Rakete kommen könnte. Aber die Menschen haben sich an die Situation gewöhnt. Auf den Straßen bekommt man nicht den Eindruck, dass in dem Land Krieg herrscht.
Man sieht normales Leben. Die Cafés sind voll, die Menschen gehen ohne besondere Angst durch die Straßen. Das ist aus meiner Sicht ein kleines Problem, denn die Menschen tun so, als ob es keinen Krieg gibt. Sie haben hier keine Angst vor Raketen und verstecken sich nicht mehr in den Bombenbunkern. Dass das aber zu jeder Zeit passieren könnte, habe ich im Osten selbst erlebt.
DORMADIO.DE: Wenn Sie sich an den vergangenen Winter erinnern, wie ist es den Menschen da gegangen?
Savka: Das war sehr schlimm. Das war sehr schwer. Ich habe in meinem damals noch 42 Jahren zum ersten Mal einen Blackout erlebt. Als ich nach Czernowitz gekommen bin, hat Russland zum ersten Mal einen so massiven Raketenangriff vorgenommen, dass dabei Trafos und Stromwerke zerstört wurden.
Die Menschen mussten schon sehr leiden. Ihre kalten Wohnungen waren ohne Wasser und ohne Strom. Das war wirklich schlimm. Wir hatten fast fünf Monate lang nur täglich zwei, vier, manchmal sechs Stunden Strom.
DORMADIO.DE: Jetzt friert und schneit es schon an manchen Orten in der Ukraine. Wie können Sie als Kolpingwerk helfen?
Savka: Wir arbeiten mit unseren Partnern in den Nachbarländern Polen, Rumänien, Tschechien, der Slowakei oder Ungarn über Kolping International zusammen, weil sie das Netzwerk gegründet haben. Wir helfen den Menschen zum Beispiel, indem wir ihnen Notstromaggregate, Kerzen, warme Kleidung, Essen und alles Mögliche liefern, was ihnen ihr Leben ein bisschen einfacher macht.
DORMADIO.DE: Mittlerweile herrscht auch im Nahen Osten Krieg. Der Fokus der Weltöffentlichkeit hat sich verschoben. Nehmen Sie das vor Ort stark wahr.
Savka: In der Gesellschaft wird das schon stark wahrgenommen. Die Menschen denken, dass wir im Stich gelassen werden. Diese Befürchtung mit dem neuen Krieg im Gazastreifen ist schon sehr präsent in der Gesellschaft.
Aber ich verstehe vollkommen, dass sich der Fokus auf ein neues Feuer verschoben hat, weil er eine weitere Gefahr darstellt. Aber innerhalb der Kolpingwelt empfinde ich das nicht so. Wir machen unsere Arbeit weiter. Wir werden weiter unterstützt und es wird weiter geholfen.
DORMADIO.DE: Wie schauen Sie persönlich in die Zukunft?
Savka: Mit Hoffnung, dass der Krieg bald zu Ende ist und dass wir unser Land wieder aufbauen werden. Ich würde mir den Frieden in der ganzen Welt wünschen. Aber leider gibt es immer noch viele Menschen, die das nicht wollen.
Aber ich blicke mit Hoffnung in die Zukunft und mit dem großen Vertrauen an Gott und dass wir alles zum Guten wenden.
Das Interview führte Hilde Regeniter.