DOMRADIO.DE: Ist dieser arme Baum wirklich so hässlich? Wie sah er denn aus?
Pfarrer Ulrich Kloos (Dekan des Dekanats Ehingen-Ulm): Auf den ersten Blick ist er nicht besonders schön gewesen. Der war untenrum ziemlich braun und hatte viele braune Äste. Wenn man am Pranger, wo er stand, vorbei fuhr, war es kein schöner Anblick.
DOMRADIO.DE: Wie kam es denn dazu, dass Sie dann gedacht haben, Sie nehmen diesen Baum mit und retten ihn?
Kloos: Wir suchen für die Basilika jedes Jahr einen gespendeten Christbaum. Wir haben ein Team, das zum Beispiel die Bäume aus den Gärten sägt.
Nachdem bekannt wurde, dass der Baum wegen seines Aussehens weg soll, kam der Mesner zu mir und fragte, ob wir nicht nach dem Baum fragen sollen.
DOMRADIO.DE: Da steht ein zehn Meter hoher Baum an einem öffentlichen Platz und Sie haben dann die Idee, den ins Kloster zu schaffen. Wie geht das?
Kloos: Als wir mitbekommen haben, dass der Baum ausgetauscht wird, haben wir den Bauern Christoph Schreiber gefragt, ob er mit dem Traktor und Anhänger kommt. Die Feuerwehr hat den Baum auf den Wagen gelegt und wir haben den Baum dann 500 Meter weiter in die benachbarte Basilika gefahren.
Der Baum wurde auch etwa um 3 Meter gekürzt. Den großen braunen Teil konnte man absägen. Mit den Ästen konnte man dann zum Teil noch den Adventskranz binden. Dadurch ist der Baum in der Kirche in der Basilika etwas kleiner, aber er steht jetzt wunderschön da.
DOMRADIO.DE: Wie genau haben Sie ihn dekoriert?
Kloos: Mit schönen, stabilen Sternen, die eine Frau schon vor Jahren für uns gemacht hat. Mit denen und mit Beleuchtung ist er dekoriert.
DOMRADIO.DE: Wie sind die Reaktionen auf diese Rettung? Diese Geschichte ist gerade in aller Munde.
Kloos: Ich staune über die vielen positiven Reaktionen, dass wir einfach dem Baum eine Heimat geben oder eine Herberge geben. Ich habe zum Teil E-Mails aus ganz Deutschland bekommen und ich bin überrascht, dass es in der Presse so eine Resonanz findet.
DOMRADIO.DE: Was wäre Ihrer Meinung nach die Botschaft dieser Geschichte? Weihnachten brauch keinen Perfektionismus?
Kloos: Das ist sicher eine große Botschaft, hinter der ich auch stehe. Weihnachten ist kein perfektes Fest. Wenn wir uns das Geschehen von Weihnachten angucken, dann sehen wir, dass Maria und Josef zunächst keine Herberge gefunden haben. Aus heutiger Sicht würde man vielleicht sagen, sie seien schlecht organisiert. Warum gibt es keinen Masterplan?
Trotzdem ist die Menschwerdung Gottes passiert. Gott hat das möglich gemacht. Ich denke, manchmal müssen wir gar nicht so perfekt denken. Dieser absolute Perfektionismus, den wir manchmal pflegen, der grenzt sehr stark aus. Wenn immer alles perfekt sein muss, dann ist nichts gut genug.
Und ich glaube, dass wir von diesem Anspruch und dem Perfektionsdenken wegkommen sollten. Weihnachten ist eine Geschichte, wo wir genau das erleben: Es ist nicht alles perfekt, aber die Menschwerdung passiert und das ist das Entscheidende. Ich glaube, gerade das Unperfekte macht das Menschliche aus.
Das Interview führte Verena Tröster.