DOMRADIO.DE: Haben Sie Wolfgang Schäuble persönlich gekannt?
Heike Springhart (Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Baden): Wir sind uns drei Mal begegnet. Das erste Mal war für mich überraschend. Das war bei einer Trauerfeier, als ich als Gemeindepfarrerin in Pforzheim einen seiner Schulfreunde beerdigte. Er kam als Freund dieses Freundes. Da hatten wir nur einen kurzen Austausch. Bei meiner Einführung im letzten April war er auch dabei, was eine große Ehre war.
Ein längeres Gespräch hat ich mit ihm bei unserer dritten Begegnung. Er war Schirmherr eines gemeinsamen Projektes, was die Badische Landeskirche mit der Elsässischen Kirche hat. Das beinhaltet eine gemeinsame Pfarrstelle im Elsass und die Renovierung einer Kapelle in einem neuen Stadtviertel im Straßburger Hafen.
Er kam zur Einweihung und hat dort, nachdem ich ihn dazu überredet habe, gesprochen. Er kam ganz bescheiden und sagte: "Ich muss doch hier nicht auch noch ein Grußwort halten." Für uns war er natürlich der Ehrengast. Ich bin froh, dass er sehr bewegende Worte über die Versöhnung und über die Kraft von Versöhnung gesprochen hat. Da haben wir länger miteinander gesprochen. Wir saßen da eine ganze Weile zusammen.
DOMRADIO.DE: Was wissen Sie denn über sein Verhältnis zu Kirche und Glauben?
Springhart: Für ihn war die evangelische Kirche und sein christlicher Glauben sein Leben lang prägend. Er ist oft als Privatmann in die Gottesdienste seiner Heimatorte gegangen – zuerst in Gengenbach und zuletzt in Offenburg.
Die Pfarrer erzählen, dass er einfach kam, ohne viel Aufhebens. An Heiligabend war er noch in der Kirche. Er war einer, der seinen christlichen Glauben sehr selbstverständlich gelebt hat. Es waren nicht nur die großen Festereignisse, sondern es hat ihm seinen inneren Kompass gegeben in seinem Leben, aber wahrscheinlich auch in seiner Politik.
DOMRADIO.DE: Wenn Sie sagen, er war ein engagierter evangelischer Christ. Woran machen Sie das fest?
Springhart: Das eine ist die Selbstverständlichkeit, den christlichen Glauben zu leben, also regelmäßig in den Gottesdienst zu gehen. Er war aber auch immer wieder zu gewinnen. Ich habe das gemeinsame Projekt mit der Kirche im Elsass schon genannt, wo er Schirmherr war. In einer großen Ausstellung in Offenbach, in der es um die Problematik von Geflüchteten und Menschenwürde ging, war er auch Schirmherr und Festredner. Außerdem war er sieben Jahre lang Mitglied im Aufsichtsrat des Diakonischen Werks in Baden. Er hat sich zwischen 2004 und 2011 gewinnen lassen, sich sehr konkret zu engagieren.
DOMRADIO.DE: Jetzt leiten Sie heute die Trauerfeier. Was ist Ihnen wichtig zu betonen im Zusammenhang mit Wolfgang Schäuble?
Springhart: Mir ist in meinen Worten und meiner Ansprache wichtig, sich vom Menschen Wolfgang Schäuble zu verabschieden. Mir ist noch mal bewusst geworden, wie bewusst er auf sein Sterben zugegangen ist und wie sehr er bis zuletzt vor allem Mensch war und geblieben ist. Natürlich haben wir alle die öffentlichen Person und den Politiker vor Augen.
Mir ist wichtig, heute noch mal zu betonen, dass er seit seiner Zeit im Rollstuhl gezeigt hat, wie stark auch verletzliches Leben sein kann. Ich glaube, dass das aus seiner Kraft kam, über das Vorfindliche hinaus zu sehen.
Er muss sich sehr bewusst von seiner Familie und seinen Weggefährten verabschiedet haben. Er wusste, sein Leben geht zu Ende. Das, finde ich, ist ein Vorbild im Leben und im Sterben. Dieses "gehalten sein", bei aller Trauer, die da ist und auch im Gottesdienst zur Sprache kommt. Das werde ich auch zum Thema machen.
Das Interview führte Tobias Fricke vor der Trauerfeier.