DOMRADIO.DE: Am 20. September hat Bischof Benno Elbs aus dem österreichischen Bistum Feldkirch zusätzlich die Aufgabe des Apostolischen Administrators im Erzbistum Vaduz übernommen. Der umstrittene Erzbischof Wolfgang Haas ist damit im Ruhestand. Was hat sich denn in diesen gut 100 Tagen bei Ihnen in Liechtenstein und im Erzbistum Vaduz verändert?
Dr. Günther Boss (Theologischer Berater "Verein für eine offene Kirche"): Es hat sich sehr viel verändert, weil Benno Elbs eine grundlegend andere Persönlichkeit ist als Wolfgang Haas und schon enorm viele Gespräche geführt hat. Er ist nicht der Typ, der die großen Programme aufgleist, sondern geht Schritt für Schritt vor. Er sucht vor allem das Gespräch mit allen Personen und Gruppen in der Kirche und ist ein exzellenter Zuhörer. Ich denke, dass er die Situation und die Personen sehr schnell und gut lesen und verstehen kann.
DOMRADIO.DE: Große Kritik gab es vor allem in den letzten Jahren an Erzbischof Haas nicht nur wegen seiner konservativen Ausrichtung, sondern auch wegen der fehlenden Kommunikation. Das läuft jetzt also auch anders?
Boss: Bischof Elbs hatte jetzt über Weihnachten schon mehr Medienpräsenz als Wolfgang Haas während der letzten 25 Jahre. Benno Elbs war bei Radio Liechtenstein, er war selbst beim kleinen 1FLTV für ein Gespräch. Er war in der Zeitung mit einem schönen Artikel zu Weihnachten. Also er hat diese Plattformen jetzt wirklich genutzt, in einem sehr positiven Sinne.
DOMRADIO.DE: Wie reagieren denn die Katholiken im Erzbistum Vaduz auf den Administrator? Die Kirchenbindung, gerade in den letzten Jahren, hat doch auch sehr abgenommen, sicher nicht zuletzt wegen der Konflikte um den alten Erzbischof.
Boss: Ja, das ist richtig. Man kann aber generell sagen, dass Benno Elbs ausgezeichnet ankommt bei den Leuten. Er hat die Nähe zur Bevölkerung, er erreicht alle Schichten. Er spricht auch mit allen hier. Er stellt sich nach dem Gottesdienst ans Kirchenportal und verabschiedet alle. In dieser persönlichen Begegnung ist er sehr stark. Also das Kirchenvolk hier erreicht er sehr rasch und sehr gut. Schwieriger wird es mit dem Klerus, wo über 60 Priester inkardiniert sind.
DOMRADIO.DE: Was sind das für Konfliktlinien? Welche Probleme kommen da auf ihn zu?
Boss: Es ist ein bisschen wie beim Zusammenbruch der ehemaligen DDR. Es gibt Hardliner, die jetzt voll ideologisch weiterfahren wie bisher, die alles noch mal auspacken, was auch eine tridentinische Messe mit sich bringt. Die bleiben stur auf ihrer Linie. Dann gibt es einzelne Wendehälse, die sich dem neuen Administrator an die Brust schmeißen. Also es ist sehr kurios zu beobachten, wie diese Bewegungen laufen. Aber insgesamt dürfte es schwierig sein, diesen Klerus zu erreichen. Zumal etwa zwei Drittel der Priester gar nicht vor Ort in Liechtenstein sind, sondern verstreut in der Weltkirche.
DOMRADIO.DE: Das ist die kirchliche Dimension. Die politische Dimension spielt auch eine Rolle. Am 19. Januar wird Bischof Benno Elbs die neue Sitzungsperiode des Landtages eröffnen. Wolfgang Haas hatte diesen Gottesdienst letztes Jahr abberaumt, wegen der Einführung einer staatlichen "Ehe für alle". Warum ist dieser Gottesdienst so wichtig?
Boss: Dieses Heilig-Geist-Amt, wie es hier heißt, hat eine sehr lange Tradition bei uns. Und ich fand das auch als Theologe immer sehr wertvoll, dass man, bevor der politische Diskurs und Streit beginnt, noch eine Feier hat, wo man merkt, dass es noch anderes und mehr gibt als Politik. Ich finde, das ist ein sehr schönes Zeichen, dass Benno Elbs gesagt hat, er wird dieses Heilig-Geist-Amt wieder feiern. Die Teilnahme ist ja im Übrigen freiwillig für die Abgeordneten.
DOMRADIO.DE: Jetzt hat das Erzbistum Vaduz in den letzten Jahren auch Schlagzeilen gemacht, weil es das einzige katholische Bistum ist, das sich nicht an den Befragungen zur Weltsynode beteiligt hat. Sie sprechen für den "Verein für eine offene Kirche", der dann von sich aus eine Umfrage gestartet hat. Die zweite Runde der Weltsynode kommt ja noch auf uns zu. Hoffen Sie, dass es da noch eine Form der Beteiligung geben wird?
Boss: Das kann ich im Moment noch nicht beantworten, weil wir in der Ortskirche noch einige interne Probleme zu lösen haben. Aber was wir schon sehen, ist, dass es grundsätzlich ein riesiger Vorteil ist, dass wir wieder an ein großes Bistum angeschlossen sind.
Einer der ersten und wichtigsten Schritte war, dass Benno Elbs seine Ombudsstelle gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch in Vorarlberg auch für die Katholiken in Liechtenstein geöffnet hat. Das ist ein sehr wichtiger Schritt, weil wir bisher überhaupt keine unabhängige Anlaufstelle für solche Fragen hatten. Es ist hilfreich, dass wir mit der Administration und der Größe eines ordentlichen Bistums verbunden sind. Und in dem Zusammenhang kann ich mir auch vorstellen, dass wir zum Beispiel zusammen mit dem Bistum Feldkirch am synodalen Prozess dann weiter arbeiten könnten.
DOMRADIO.DE: Bei allen positiven Entwicklungen ist das aber alles nur eine Übergangssituation. Benno Elbs ist Administrator. Wenn der Papst höchstwahrscheinlich in diesem Jahr den Bischofsstuhl neu besetzen wird, dann wird das ja sicher auch anders aussehen. Elbs wird wahrscheinlich nicht zwei Bistümer gleichzeitig leiten können. Was erwarten Sie da für eine Entwicklung oder was erhoffen Sie sich?
Boss: Ich denke, das wäre doch die ideale Lösung. Eine Personalunion. Natürlich kann ein Bischof zwei Bistümer leiten. Das ist schon lange unsere Idee. Wenn Rom sagt, wir wollen in Liechtenstein unbedingt ein Bistum erhalten mit diesen zehn Pfarreien, dann wäre es doch ideal, man würde sagen: Benno Elbs wird Bischof von Feldkirch und Erzbischof von Vaduz. Das gibt es übrigens nicht selten in der Kirche, so eine Personalunion "in persona episcopi".
Oder man lässt das Erzbistum Vaduz vom Bischof von Chur in der Schweiz leiten, zu dem wir bis 1997 eh gehört haben. Dann wären wir auch wieder dort verbunden. Dann wäre also Liechtenstein beziehungsweise Vaduz im Namen erhalten: Bischof von Chur und Vaduz. Also allen, die denken, souveränitätspolitisch ist es wichtig, ein eigenes Bistum hier zu haben, denen wäre Genüge getan. Und zugleich wären wir aber wieder verbunden mit einem ordentlichen, großen Bistum und mit einer Bischofskonferenz.
DOMRADIO.DE: Vergangenes Jahr haben Sie sich für eine Auflösung des Erzbistums Vaduz ausgesprochen. Das heißt, den Schritt braucht es nicht mehr unbedingt?
Boss: Nachdem wir seit etwa zwei Jahren hören, dass Rom Interesse hat, hier ein eigenes Bistum zu erhalten, haben wir im "Verein für eine offene Kirche" gesagt: Dann muss es unbedingt so gestaltet sein, dass wir wieder zu einer Bischofskonferenz gehören und an ein größeres Nachbarbistum angeschlossen sind. Wir sind jetzt immediat, das heißt direkt dem Papst unterstellt, und wir hatten überhaupt keine externen Anlaufstellen und Gesprächspartner mehr. Das war nicht gut.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.