Ostergarten in Kempen holt die Passionsgeschichte ins Heute

Neue Perspektiven auf den Glauben

Zeit für Begegnung, neue Perspektiven auf Glaube und Passion sowie eine Auszeit vom Alltag bietet der Ostergarten in Kempen am Niederrhein. Besucherinnen und Besucher sind eingeladen, die letzten Tage Jesu mit allen Sinnen zu erleben.

Autor/in:
Nina Odenius
Die Abendmahlsstation im Ostergarten. / © Ulrike Gerards (privat)
Die Abendmahlsstation im Ostergarten. / © Ulrike Gerards ( privat )

Eine Ankündigung in der Zeitung machte mich im vergangenen Jahr auf das Projekt aufmerksam: In der Kirche St. Notburga in Viersen gab es einen Ostergarten und man konnte sich dort zu Führungen anmelden. Ein Anruf bei der angegebenen Handynummer genügte und mein Besuch des Ostergartens am folgenden Samstag war vereinbart.

Eine kleine Hürde gab es da allerdings noch: Ich wollte als blinde Frau nicht alleine meinen Besuch in der Kirche antreten. Beim Telefonat darauf angesprochen versicherte man mir, dass man dafür bestimmt eine Lösung finden werde.

Offen für neue Begegnungen

Als ich Samstagsabends in St. Notburga ankam, erwarteten mich bereits einige Kommunionkinder mit ihren Eltern sowie das Team der beiden Führer, die uns durch den Ostergarten begleiten sollten. Eine junge Frau war auch noch dabei. Sie stand mir auf dem Weg durch die Kirche als Unterstützung zur Seite. Wir kannten uns vorher nicht, aber die Chemie stimmte und wir wurden in der kurzen Zeit ein gutes Team.

Ich war beeindruckt von den einzelnen Stationen des Ostergartens und von der liebevollen Gestaltung. Auch begeistert war ich von der Offenheit mit der man mir an diesem Abend begegnete. Den anschließenden Austausch in der Cafeteria erlebte ich als sehr intensiv und fruchtbar.

Nachrichten im Sekundentakt

Diese Erfahrung hat auch Peter Werminghaus gemacht, der 18 Mal durch den Ostergarten Viersen geführt hat. „Wir leben in einer sehr schnelllebigen Zeit, in der wir im Sekundentakt Nachrichten auf unser Handy bekommen. Es ist ein Heischen um Aufmerksamkeit und jedem soll zugehört werden“, erläutert er.

„Der Ostergarten ist etwas völlig anderes: Ich habe Zeit für Begegnungen mit dem Glauben, Zeit für die Korrektur von Dingen, die ich aufgrund der Liturgie der Passion anders verstanden habe. Durch in den Führungen auftauchende Fragen habe ich eine andere Perspektive auf Verrat, Verleugnung und den Glauben erhalten.“ 

Ein Novum in Kempen

Im Sommer erfuhr ich dann, dass es in Kempen im Folgejahr einen Ostergarten geben sollte. Diesmal wurde er organisiert von der Gemeinschaft der Gemeinden Kempen/Tönisvorst. Der Ostergarten hatte 2013, 2014 und 2023 in Viersen in der Kirche St. Notburga stattgefunden, nun sollte er also nach Kempen wandern, das etwa 15 km entfernt liegt.

„Wir hatten die Idee schon länger, den Ostergarten in unsere Stadt zu holen“, erläutert der Gemeindereferent der GDG Kempen/Tönisvorst, Andreas Bodenbenner. „In Viersen war der Ostergarten schon erprobt und das Interesse daran war sehr groß. Auch Besucherinnen und Besucher aus Kempen sprachen mich an und fragten, ob wir einen solchen Ostergarten nicht auch bei uns durchführen könnten.“

Verstärkung für das Orga-Team

Gesagt, getan: Die ersten Planungen begann Gemeindereferent Andreas Bodenbenner gemeinsam mit Harald Hüller, sowohl Pastoralreferent in der Pfarrei St. Cornelius und Peter in Viersen-Dülken als auch Mitarbeiter der Region Kempen-Viersen, im Frühsommer vergangenen Jahres. Natürlich konnten die beiden Herren nicht alles allein organisieren. Also holten sie sich Verstärkung dazu.

Ostergarten in St. Mariae Geburt in Kempen

Der Ostergarten in St. Mariae Geburt in Kempen eröffnet am 25. Februar und kann bis zum 1. April besucht werden. Es werden Führungen angeboten, um die Besucherinnen und Besucher mit der Geschichte Jesu in den Austausch zu bringen. 

Aber auch ohne Führung kann man sich durch den Ostergarten leiten lassen. Es wird ein Heft mit den entsprechenden Texten zur Verfügung stehen oder man hört sich die Geschichte über das eigene Handy oder Tablet einfach an. Dafür sorgen an den einzelnen Stationen angebrachte QR-Codes.

Tor zum Einzug nach Jerusalem. / © Ulrike Gerards (privat)
Tor zum Einzug nach Jerusalem. / © Ulrike Gerards ( privat )

Die dritte im Organisationsteam wurde Birgit Müller-Klein, Gemeindemitglied in St. Tönis und als Lehrerin für katholische Religion sowie Französisch und Italienisch an einem Gymnasium in Geldern tätig. Auch sie hatte den Ostergarten in Viersen besucht und war sofort begeistert von diesem Projekt: „Wenn ich mit den Oberstufenschülern die Passion bespreche, dann versuche ich ihnen zu erklären, dass diese durchaus etwas mit der heutigen Zeit zu tun hat. Verrat, Verleumdung oder unter einer Last zusammenbrechen – das sind Dinge, denen wir auch heute begegnen“, betont Birgit Müller-Klein. „Der Ostergarten versucht, die Geschehnisse um Jesus lebendig darzustellen ohne ausschließlich einen Text vorzulesen. Jede Station stellt die Frage: Wo bin ich in diesem Geschehen, bin ich Zuschauer oder auch selbst betroffen? Niemand bleibt dabei außen vor.“ 

Die ersten Schritte

Um solch ein Großprojekt auf die Beine zu stellen, braucht es viele engagierte Helferinnen und Helfer. Es müssen die einzelnen Stationen gestaltet, Führungen geplant und die Verantwortung für die Abläufe in der Kirche getragen werden. Im September 2023 fand das erste Treffen für alle Interessierten in Kempen statt. Dazu war ich auch eingeladen worden, da man dieses Jahr verstärkt ein Augenmerk auf das Thema Inklusion von Menschen mit Behinderung legen wollte. Als Expertin in eigener Sache würde ich sicherlich einige hilfreiche Tipps geben können.

„Schon im ersten Ostergarten in Viersen haben wir mit diesem Thema gehadert und zu spät realisiert, dass er für Menschen mit Behinderung teilweise schwer zugänglich ist“, sagt Andreas Bodenbenner in der Rückschau. „Bei der Station der Auferstehung mussten die Besucherinnen und Besucher einige Treppenstufen hochgehen, hinter der Treppe wurde dann der Grabstein weggezogen und man schaute in ein helles Licht. Das hatte eine beeindruckende Wirkung, aber für Rollstuhlfahrer oder Personen mit Rollator war es schwierig, die Stufen hochzukommen.

Inklusion kann bereichern

Im vergangenen Jahr in Viersen war bereits alles auf einer Ebene angelegt worden. Dennoch war es uns ein Anliegen, den Ostergarten in Kempen für möglichst viele Menschen begehbar zu machen und inklusiv zu gestalten.“ In puncto Barrierefreiheit stand den Kempener Organisatorinnen und Organisatoren auch die Seelsorgerin für blinde und sehbehinderte Menschen im Bistum Aachen, Jutta Busch, beratend zur Seite.

Zwischen September 2023 und Januar 2024 fanden mehrere Treffen statt, in denen unser Ostergarten in der Kirche St. Mariae Geburt Formen annahm. Neben der KFD Kempen, einer Gruppe aus St. Tönis, mehreren Gruppen aus Tönisvorst, einigen Mittelstufenklassen eines Gymnasiums und einer Gesamtschule beteiligten sich zahlreiche andere Kleingruppen aus ehrenamtlich Engagierten an der Gestaltung der einzelnen Stationen.

Den Glauben immer wieder neu denken

Die Grundidee des Ostergartens ist es, den Glauben auf eine andere Art und Weise erfahrbar zu machen. Er soll alle Sinne der Besucherinnen und Besucher ansprechen. Der Glaube soll nicht nur auf geistiger und theoretischer Ebene, sondern ganz praktisch und lebensnahe erfahrbar sein. Auf diese Praxisnähe legen die Gestalterinnen und Gestalter der einzelnen Stationen großen Wert.

In der Kempener Kirche St. Mariae Geburt werden insgesamt neun Stationen vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung die letzten Tage im Leben Jesu für die Besuchenden anschaulich darstellen. So soll es zum Beispiel in der Station des letzten Abendmahls die Möglichkeit geben, sich die Füße waschen zu lassen. Auch Birgit Müller-Klein und ihre Mitstreiter machten sich Gedanken darüber, wie man die Station der Kreuzigung am besten gestalten kann. So entschieden sie sich für drei Stellwände mit Zeichnungen von Kreuzen und Jesus. Auch spielen Fotos von heutigen Leidsituationen wie Krieg und Terror eine Rolle. Einschläge von Nägeln untermalen die ganze Szenerie akustisch.

"Alle Menschen gleich viel Wert"

„Um uns herum passieren zur Zeit viele schlimme Dinge, die für uns vorher unvorstellbar waren“, betont Birgit Müller-Klein. „Es ist uns jahrelang ziemlich gut gegangen und nun haben wir einen Krieg in der Ukraine und einen Krieg in Israel. Auch werden Frauen im Iran und Afghanistan erniedrigt. Unser christlicher Glaube hilft uns dabei, mit diesen schwierigen Situationen umzugehen. Der christliche Gedanke ist, dass alle Menschen gleich viel Wert sind und die gleichen Rechte haben. Wir alle sind geliebtes Kind Gottes.“

Dieser Gedanke soll im Kempener Ostergarten weitergetragen werden. Auch zeigen die Stationen, dass es einen Weg jenseits des Leidens gibt und wir durchaus Auferstehungsmomente in unserem eigenen Leben finden können..

Kirche kann auch anders

In Kempen blicken nun alle gespannt auf die Führungen, die bald starten werden. Der Ostergarten ist ein generationsübergreifendes Projekt und so sind alle, egal ob Kinder oder Erwachsene eingeladen, die Kirche St. Mariae Geburt zu besuchen. „Die Vielfalt des Glaubens und wie Menschen diesen Glauben leben berührt mich sehr“, sagt Gemeindereferent Andreas Bodenbenner. „Die ehrenamtlich Beteiligten bringen ihre Bilder, Gedanken und Vorstellungen des Glaubens mit in den Ostergarten ein und somit ist er jedes Jahr aufs Neue spannend.

Die Menschen machen heutzutage sehr negativ geprägte Erfahrungen mit der Kirche. Der sexuelle Missbrauch zum Beispiel legt seinen Schatten über vieles in der Kirche. Der Ostergarten ist ein Leuchtturmprojekt und wir als Kirche leben damit eine ganz andere Erfahrung, die wir nach außen transportieren können.“

Auch Peter Werminghaus ist fest entschlossen, nach seinen positiven Erfahrungen in Viersen ebenfalls Führungen in Kempen zu bestreiten. Er hat im letzten halben Jahr bei der Organisation des Ostergartens mitgewirkt und freut sich auf neue Begegnungen mit Menschen und intensive Diskussionen über Glaubensfragen.

Quelle:
DR