Münchens Erzbischof predigt engagiert in Augsburg

Der Revival-Kardinal

Beim Boxkampf gilt eigentlich die Regel: "They never come back!“ Wer einmal ausgezählt und k.o am Boden liegt, der kommt sehr selten zurück. Ein Kirchenmann zeigt bei der Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe Comeback-Qualitäten.

Autor/in:
Ingo Brüggenjürgen
Reinhard Kardinal Marx in Augsburg / © Marko Orlovic  (DBK)
Reinhard Kardinal Marx in Augsburg / © Marko Orlovic ( DBK )

Nach seinem Rücktrittsgesuch war der Münchner Erzbischof, ein Kardinal und Schwergewicht in der Weltkirche, mehr als angezählt und am Boden. Auch wenn Papst Franziskus ihn nicht aus dem Rennen nahm, Marx wirkte angeknockt – fast ein wenig orientierungslos. Wie sollte es denn mit ihm und seiner Rolle in der Kirche weitergehen? 

Steiler Weg nach oben

Der rhetorisch wie intellektuell außergewöhnlich begabte Kirchenmann aus Geseke konnte bis dahin auf eine sehr steile Karriereleiter zurückblicken: Ob in Paderborn, Trier, München oder Rom – für ihn schien es immer nur nach oben zu gehen. Lange war er so etwas wie der geborene Vorsitzende der Bischofskonferenz – den Präsidenten der Europäischen Bischofskommission und Großprior des Ritterordens machte er quasi noch so nebenbei. 

Thomas Sternberg (l.), Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), und Kardinal Reinhard Marx (r.), Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), bei der Pressekonferenz  / © Harald Oppitz (KNA)
Thomas Sternberg (l.), Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), und Kardinal Reinhard Marx (r.), Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), bei der Pressekonferenz / © Harald Oppitz ( KNA )

Dort, wo andere Mitbrüder sich schüchtern wegduckten, stellte er sich breitbeinig und souverän in die Mitte. Ob im Altarraum oder vor den Fernsehkameras. Gestreut seinem Lebensmotto: "Das Beste kommt für eine Christen erst immer noch!" ging er selbst da mutig voran, wo andere lieber ängstlich das Weite suchten. Berührungsängste kannte der Kardinal aus München nicht. Ob Ökumene oder Gesellschaft, Marx war immer mitten drin – gelegen oder ungelegen ein Mann, der das Evangelium nicht nur predigte, sondern lebe. Macht war für den Machtmenschen Marx somit nie eine Bürde, sondern stets eine Chance, die er selbstbewusst nutzte.

Rücktrittsgesuch abgelehnt

Ein erster für alle unübersehbarer Rückschlag war sein überraschender Rücktritt vom Vorsitz der Bischofskonferenz 2020. Da ahnte man schon, dass er Wirkungstreffer eingesteckt haben musste. Bei der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauches in den eigenen kirchlichen Reihen zeigte sich ein ambivalentes Bild mit großen persönlichen Unzulänglichkeiten. 2021 schrieb er dem Papst sein Rücktrittsgesuch – sah seine Kirche an einem "toten Punkt!" Vermutlich sah er das für sich selber auch so. 

Aber Schritt für Schritt kämpfte sich Marx zurück. Er entschuldigte sich für seine Fehler und seine schwere Schuld, dass er die Betroffenen übersehen hätte. Dies könne er nicht ungeschehen machen. Er wolle aber "jetzt und zukünftig anders handeln!"

Marx war fortan nicht mehr der unantastbare alles überstrahlende Kirchenfürst. Er wirkte verletzlich – war auch gesundheitlich angeschlagen. Er, der katholische Überflieger hatte seine ganz eigene harte Bodenlandung erlebt. 

Das hat dem meistens gut gelaunten Kirchenmann nicht unsympathischer gemacht. Wer den Erzbischof von München hier bei der Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe in Augsburg erlebt, der kann das beobachten. 

Kraftvolle Predigt zu den Mitbrüdern

Beim Frühgottesdienst predigt er wieder. Ohne Manuskript völlig frei – fast wie aus dem Stehgrief. Spannt den ganz großen historischen Bogen, von der Antike über den Heiligen Ulrich im Mittelalter bis zu den aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen für die Demokratie. 

Gottesdienst am zweiten Tag der Vollversammlung in der Basilika St. Ulrich und Afra in Augsburg unter Leitung von Kardinal Reinhard Marx. / © Marko Orlovic (DBK)
Gottesdienst am zweiten Tag der Vollversammlung in der Basilika St. Ulrich und Afra in Augsburg unter Leitung von Kardinal Reinhard Marx. / © Marko Orlovic ( DBK )

Souverän stellt er klar: Unsere Gesellschaft braucht die Religion, braucht die Kirche. Aber auch die katholische Kirche brauche die Demokratie. Mitverantwortung, Mitgestaltung aller Gläubigen. Dabei ging er mit seinem Mikrophon Schritt für Schritt auf seine Mitbrüder im Bischofsamt und die Gläubigen in den Kirchenbänken zu. Keiner, der von oben herab – sondern aus der Mitte das Evangelium verkündete und so wirklich Mut machte. 

Marx ist ganz offensichtlich wieder dort angekommen, wo er sich am wohlsten fühlt. Mitten drin und mitten im Getümmel. Ein Kämpfer für die Freiheit des Glaubens in Kirche und Gesellschaft. Ob Putin, Kyrill oder die AfD-Träume, er stellt sich diesen Träumern entgegen. Er, der Revival Kardinal beherzigt wieder voll und ganz sein Bischofsmotto: "Wo der Geist des Herrn wirkt, dort ist Freiheit!" 

 

Quelle:
DR