DOMRADIO.DE: Der private Cannabis-Konsum wird bis zu einer gewissen Grenze legalisiert. Wird das Gesetz tatsächlich helfen, den Konsum aus der Illegalität zu holen?
Angelika Schels-Bernards (Referentin bei der Sucht-und Aidshilfe im Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln e.V. ): Das Gesetz wird den Schwarzmarkt wahrscheinlich nicht austrocknen.
Der wird weiterhin parallel dazu existieren. Darum geht es aber vorrangig nicht, sondern es geht darum, die Risiken, die mit Cannabis-Konsum einhergehen, zu minimieren, indem man eine Angebotsstruktur schafft, die weniger risikoreichen Konsum ermöglicht.
DOMRADIO.DE: Haben Sie die Hoffnung, dass Konsumenten dadurch einen sauberen Stoff bekommen, dass sie wissen, was drin ist?
Schels-Bernards: Es hat im Vorfeld dieser ganzen Gesetzesinitiative ein Expertenhearing gegeben, das vom Bundesgesundheitsministerium angeregt wurde. Die Kolleginnen und Kollegen haben sich dafür ausgesprochen.
Wir haben es in den letzten Jahren ganz massiv mit jungen Cannabis-Konsumentinnen und Konsumenten zu tun, die durch hoch potente und überzüchtete Substanzen schwere psychische Störungen erleiden. Von 2011 auf 2021 hat sich die Zahl derjenigen fast verdoppelt. Wir reden hier über fast 4.000 Menschen, die aufgrund psychischer Verhaltensstörungen durch Cannabinoide stationär im Krankenhaus behandelt werden mussten.
DOMRADIO.DE: Es gibt Experten, die sagen, dass der Konsum für junge Menschen besonders riskant ist, weil das Gehirn noch nicht ausgereift ist. Wenn das nun legal sein soll und es dann leichter ist an den Stoff zu kommen, ohne sich strafbar zu machen, ist das dann nicht der Weg in die Abhängigkeit?
Schels-Bernards: Es wird darauf ankommen, dass die Legalisierung von entsprechenden Präventionskampagnen begleitet wird. Alkohol ist auch legal und verfügbar. Trotzdem haben wir keinen flächendeckenden Alkoholismus hier in Deutschland oder in NRW. Natürlich ist das problematisch.
Es wird darauf ankommen, Angebotsstrukturen zu etablieren, dass auch bei einer zu erwartenden höheren Anzahl von Erstkonsumentinnen und Konsumenten keine Abhängigkeitsstörung entsteht. Das ist das eine.
Das andere ist, dass die Suchthilfen die Aufgabe übernehmen muss, eine Risikokompetenz anstatt eines Verbotes zu vermitteln. Wir von der Caritas-Suchthilfe glauben, dass das der bessere Weg ist.
DOMRADIO.DE: Wie kann die Warnung an die Konsumenten aussehen? Wie erreicht man die Menschen?
Schels-Bernards: Indem man darüber aufklärt. Was ist eigentlich wo drin? Mit welcher welcher Substanz erreiche ich welche Wirkung? Was kann mir passieren? Wie kann ich in meiner Freizeit konsumieren ohne eine Abhängigkeitsstörung zu bekommen? Wie zeigen sich erste Probleme, erste Verhaltensänderungen, die auf eine mögliche Abhängigkeitserkrankung hindeuten?
DOMRADIO.DE: Manchmal gibt es Menschen, die keine Drogen nehmen wollen. Jetzt ist es legal und sie denken sich, das sie es mal probieren können. Wie schätzen Sie das Risiko ein, dass Menschen nach einer Weile zu stärkeren Drogen greifen, wenn sie sich daran gewöhnt haben?
Schels-Bernards: Cannabis als Einstiegsdroge ist ein Mythos aus den 1980er Jahren. Das hat sich nicht nicht bewahrheitet, dass Menschen, die mal einen Joint gezogen haben oder regelmäßig Cannabis konsumieren, gleich an der Nadel hängen.
Das ist kein linearer Verlauf, den man sich hier vorstellen kann. Es ist wie beim Alkohol, dass der Erstkonsum meistens überhaupt nicht mit positiven Erlebnissen verbunden ist. Je nachdem aber trotzdem weiter trinkt, aber moderat.
Für die Suchthilfe wird es bei auffälligen Erstkonsumentinnen und Konsumenten weiterhin darum gehen, dass man mit den jungen Leuten gut arbeitet und gut darauf hinwirken kann, dass keine Abhängigkeitserkrankung entsteht. Da haben wir schon gute Angebote.
DOMRADIO.DE: Dieses Gesetz wurde von erheblichen Diskussionen begleitet. Was wünschen Sie sich denn von der Politik als nächsten Schritt, um Drogenabhängigen spürbar zu helfen?
Schels-Bernards: Als ersten Schritt im Rahmen der Legalisierung ist ein Ausbau der Präventionsangebote nötig. Ohne das geht es nicht und da ist wirklich noch Luft nach oben. Das muss man einfach sagen. Es wurde eine emotionale Debatte geführt, weil gerade die Suchthilfe viel zu wenig gehört und viel zu wenig mit hinein genommen wurde.
Man hätte die Debatten so versachlichen können, weil wir jeden Tag mit den Menschen zu tun haben. Wir können gut erklären, was Gefahren und was Risiken sind und was nicht.
Von der Politik insgesamt wünsche ich mir, dass das Thema Sucht und Suchthilfe ganz oben auf die Agenden der politischen Diskussion gelangen, weil es wichtig ist. Das betrifft nicht nur Cannabis. Wir haben in NRW ein Riesenthema mit Kokain und Crack. Wir sehen die Menschen auf den Straßen, die verelenden. Denen muss geholfen werden. Hier muss etwas getan werden.
Das Interview führte Mathias Peter.