Für acht Wochen hatte ich mein Büro in mein Schlafzimmer verlegt, weil Treppensteigen in den ersten Wochen kaum, und später nur mühsam ging. Mein Fenster lässt mir den Ausblick auf die zwei Baustellen des linken und rechten Nachbarhauses zu und es ist so spannend, was da wird. Manchmal stehe ich auf um besser zu sehen, was da gebaut wird, aber mir fehlt noch die Fantasie für das Ergebnis.
Und etwas leicht links ist die Wand, die seit Wochen ebenso meinen Blick nochmal anders fesselt. Da ist das Kreuz, dass ich seit frühen Ordensjahren habe, einfach aus Holz und mit Corpus, der den leidenden und sterbenden Jesus zeigt. Und ringsum sechs verschiedene Ikonenbilder, die meist geschenkt und eins auch selbst geschrieben ist. Diese Bilder sind bunt und zeigen verschiedene Menschen, die versucht haben, mit ihrem Leben diesem leidenden und gekreuzigten Jesus nachzufolgen: Katharina, Maria Magdalena, Antonius und so weiter. Das Kreuz ist einfarbig und unscheinbar, obwohl es das größte Liebeswerk der Menschheitsgeschichte zeigt. Und die Bilder der Nachfolger:innen sind prachtvoll und farbig und sehr verschieden.
Den leidenden Christus anzuschauen ist oft unerträglich und lässt uns sprachlos zurück, falls wir uns nicht längst in diesen Anblick gewöhnt haben. In den Kirchen sind seit Sonntag die Kreuze verhüllt. Weil das Wesentliche, das Leiden und Sterben des Sohnes Gottes für uns, neu sichtbar werden soll. Verhüllen um neu zu sehen. Es klingt und ist paradox. Und erst am Karfreitag, dem Tiefpunkt der Liebe Gottes, wird das Marterwerkzeug wieder sichtbar, damit uns neu bewusst wird: "So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab."
Das Leiden Jesu zeigt die Leidenschaft Gottes für seine Menschen. Und nur deshalb können seine Menschen ihm mit Leidenschaft nachfolgen und in den verschiedensten Farben und Formen des Lebens versuchen, wie ER zu werden.