Kirchenexperte Faggioli bewertet Deutschland-Vatikan-Streit

Schachmatt für den Synodalen Weg?

Die deutschen Bischöfe waren am Freitag zum Gespräch im Vatikan zur Zukunft des Synodalen Weges. Gibt es einen Ausweg aus dem Konflikt? Der Kirchenexperte Massimo Faggioli sagt: "Deutschland wird zum Versuchskaninchen der Weltkirche."

Bischof Georg Bätzing auf dem Weg zum Vatikan (Archivbild) / © Riccardo De Luca (KNA)
Bischof Georg Bätzing auf dem Weg zum Vatikan (Archivbild) / © Riccardo De Luca ( KNA )

DOMRADIO.DE: Diesen Freitag haben sich das erste Mal seit der Absage an den "Synodalen Ausschuss" in Rom die deutschen Bischöfe und die Kurienchefs getroffen. Denken Sie, es gibt die Option für einen Kompromiss?

Massimo Faggioli (privat)
Massimo Faggioli / ( privat )

Massimo Faggioli (Kirchenhistoriker und Publizist, Villanova University Pennsylvania): Schwer zu sagen, auch wegen dem, was die letzten Tage erst passiert ist. Das Synodenbüro hat vor einer Woche bekannt gegeben, dass es verschiedene Kommissionen schaffen wird, die sich mit den großen Themen der Synode befassen. Die Vermutung ist, dass das ein Schritt ist, der die Konfliktthemen aus der nächsten Runde der Synode im Herbst heraushalten soll. 

Man könnte sagen dieses Treffen zwischen den deutschen Bischöfen und der Kurie hat dadurch an Bedeutung verloren, weil die großen Konfliktthemen eh nicht bei der Weltsynode besprochen werden. Damit kann dann auch auf deutscher Ebene keine Entscheidung getroffen werden, weil man dort bis jetzt bei den Fragen der Lehre immer auf das Entscheidungsgremium der Weltsynode verwiesen hat. Das ändert jetzt die ganze Ausgangslage. 

DOMRADIO.DE: Also wenn Rom die Konfliktthemen wie Frauen und Zölibat aus der Synode nimmt, ist auch der Synodale Weg Schachmatt gesetzt? 

Faggioli: Ich könnte mir zumindest vorstellen, dass einige Entscheidungsträger im Vatikan das erwarten oder erhoffen. Ob es dann auch so kommt, ist eine andere Frage. Wenn wir uns den bisherigen Konflikt anschauen, hat Deutschland ja bereits einige Schritte gegen den Willen Roms unternommen, immer mit Betonung, dass sie nicht gegen das Kirchenrecht handeln. 

So lange diese großen Konfliktthemen Teil des Prozesses der Weltsynode waren, hatten auch die lokalen synodalen Prozesse bei diesen Fragen eine Legitimität, weil man auf Entscheidungen bei der Synode hoffen konnte. Jetzt ist nicht mehr klar, weshalb auf Ebene der Teilkirchen über solche Fragestellungen noch diskutiert wird, wenn man weiß, dass die Entscheidung nun in einem ganz anderen Gremium liegt. Meines Wissens wurde vom Synodenbüro auch noch nicht erklärt, wie diese Kommissionen überhaupt zusammengesetzt sind oder arbeiten sollen, und was das eben für die synodalen Prozesse auf lokaler Ebene bedeutet.

Deutschland ist ja nicht das einzige Land, dass synodale Projekte gestartet hat. Man kann aber sagen, dass die Konfliktthemen wie Homosexualität, Weihe oder Mitbestimmung in den anderen Ländern nicht so eine zentrale Rolle einnehmen. Deshalb denke ich, dass die Einrichtung dieser Gremien vor allem Auswirkungen auf Deutschland haben wird. 

DOMRADIO.DE: Die Verantwortungsträger in Deutschland betonen ja immer wieder, dass Synodalität und mehr Verantwortung für die Ortskirchen ja Kernanliegen von Papst Franziskus sind. Mehr noch, in Lateinamerika gibt es inzwischen eine Art "Synodalen Rat", der in Deutschland nach Willen des Vatikans nicht eingerichtet werden darf. Warum dürfen die einen, die anderen aber nicht?

Faggioli: Deutschland ist sehr direkt und auch mutig dabei über Kernfragen der katholischen Lehre zu diskutieren, die nach römischer Überzeugung nur auf Ebene der Weltkirche entschieden werden können, also in Rom. Priesterausbildung, Zölibat, Frauenweihe. Über all das wurde beim Synodalen Weg offen diskutiert und abgestimmt. 

Wenn wir über Synoden reden, sprechen wir auf allen Ebenen von Diskussionen des gesamten Gottesvolkes. Laien, Ordensleute, Priester, Bischöfe. Wenn in anderen weltkirchlichen Kontexten von gemeinsamer Entscheidung und Mitbestimmung gesprochen wird, ist eigentlich am Ende immer klar, dass die Bischöfe das letzte Wort haben. Beim synodalen Gremium in Lateinamerika läuft es meistens so, dass der Bischof klarmacht, was er denkt, und die Mehrheit des Gremiums dann dieser Entscheidung folgt und vertraut. 

Massimo Faggioli

"Wenn beim Synodalen Weg abgestimmt wird, ist es nicht klar, dass sich die Meinung des Bischofs am Ende durchsetzen kann."

Synodale Kultur in Deutschland und anderen europäischen Ländern wird anders aufgefasst. Es gibt einen radikaleren, demokratischeren Ansatz. Wenn beim Synodalen Weg abgestimmt wird, ist es nicht klar, dass sich die Meinung des Bischofs am Ende durchsetzen kann. Rom hat hier große Bedenken, weil das eben die grundsätzliche Rolle des Episkopats in Frage stellt, wie es seit Jahrhunderten definiert ist. 

Es ist also am Ende nicht nur die Frage, ob man pro oder contra Frauenweihe ist, sondern inwiefern der Entscheidungsprozess, der dahin führt, die Verfasstheit der katholischen Kirche in Frage stellt. Das ist meiner Meinung nach der Kern des Streits zwischen Deutschland und dem Vatikan. Rom kann schon bei Konfliktthemen durchaus differenzieren, das sehen wir ja durch "Fiducia supplicans" und die Zusage für den Segen für irreguläre Paare. Das ist ein kleineres Problem für viele im Vatikan, als zu akzeptieren, dass ein Bischof das gleiche Stimmrecht wie eine Laienperson hat. Das wird sicher nicht so leicht akzeptiert.

DOMRADIO.DE: Ist das am Ende vielleicht nicht auch einfach ein Mentalitätskonflikt? Der Papst und seine Vatikanbeamten haben bei vielen Themen mehr einen pastoralen als hierarchischen oder theologischen Ansatz. 

Faggioli: Ich denke das ist zumindest Teil des Problems, und das sehen wir sehr gut verdeutlicht an den doch relativ vagen Dokumenten, die der Vatikan bis jetzt zur Weltsynode veröffentlicht hat. Das Projekt ist im Moment gar nicht so recht definiert. Wir wissen zum Beispiel nicht, ob das jetzt ein Ausnahmefall ist, dass bei der Synode Laien und Frauen Stimmrecht haben, oder ob das auch bei zukünftigen Synoden so sein soll. 

Ich bin mir sicher, für Papst Franziskus steht bei Synodalität vor allem die pastorale Dimension im Vordergrund. Er will eine weniger klerikale Kirche, die mehr zuhört und missioniert. Das braucht für ihn nicht unbedingt festgeschriebene Regeln und Paragrafen. 

In anderen Ländern, vor allem in Europa und Nordamerika, erwartet man sich formale Schritte um genau zu definieren, wer welche Rechte hat und wo das ganze Projekt hinführen soll. Das ist also ein ganz klarer Unterschied zwischen dem pastoralen und dem formalen Ansatz. Der pastorale Ansatz ist ganz typisch für die Kirche aus Lateinamerika, aus der Franziskus ja kommt. Weniger Konfrontation, mehr Konsens. In Europa gehört Opposition und Konfrontation zu solchen Diskussionen einfach dazu. Ich denke Rom versucht den Deutschen klar zu machen, dass sie eher auf der pastoralen Seite dieser Debatte stehen. 

DOMRADIO.DE: Sie sind von Hause aus Kirchenhistoriker. Kann man diesen Konflikt eigentlich mit irgendwas vergleichen? Es gibt ja Stimmen, die sprechen schon vom Schisma und stellen Vergleiche zur Reformation von Martin Luther auf. Ist da was dran, oder gibt es solche Streitigkeiten alle paar Jahrzehnte in der Kirche?

Faggioli: Ich denke schon, das ist was anderes als die Konflikte unter Johannes Paul II. zum Beispiel. Auf der anderen Seite gibt es aber auch jetzt Ortskirchen, die viel näher an einem Schisma liegen als Deutschland. Wenn wir in die USA schauen, gibt es dort eine Hyper-Politisierung der Kirche. Ein bestimmter katholischer Sektor befindet sich de facto jetzt schon im Schisma. 

Massimo Faggioli

"Die Spannungen mit Deutschland sind eine Herausforderung für das Konzept Synodalität an sich."

Es stimmt, Spannungen gibt es immer, was jetzt aber anders ist: Die Spannungen mit Deutschland sind eine Herausforderung für das Konzept Synodalität an sich. Andere Herausforderungen kommen aus den Kirchen in Amerika oder Afrika, wo zum Beispiel "Fiducia supplicans" große Widerstände findet. Mit diesen Ortskirchen wird anderes umgegangen als mit Deutschland. Man könnte sagen, der Vatikan geht mit Deutschland einen Sonderweg, weil man weiß, dass viele Fragen des Synodalen Weges eine große Rolle auch für andere säkulare Gesellschaften spielen. Diese Fragen von Rom aus zu beantworten, sendet nicht nur ein Signal nach Deutschland, sondern in die ganze westliche Welt. Deutschland wird quasi zum Versuchskaninchen der Weltkirche. 

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Die Voten des Synodalen Wegs im Überblick

Die fünfte und letzte beschlussfassende Vollversammlung des Synodalen Wegs in Frankfurt (9. - 11. März) hat Beschlüsse zu Reformen in der katholischen Kirche gefasst. Insgesamt berieten die 210 Delegierten von Donnerstag bis Samstag zehn Papiere. Acht Texte wurden in Zweiter Lesung verabschiedet. Ein Text wurde zur Weiterbearbeitung in den noch zu gründenden Synodalen Ausschuss überwiesen. Ein Text passierte die Erste Lesung und ist deswegen noch nicht final beschlossen.

Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) fasst wesentliche Inhalte und Abstimmungsergebnisse zusammen.

Abstimmungsgerät bei der vierten Synodalversammlung / © Max von Lachner (SW)
Abstimmungsgerät bei der vierten Synodalversammlung / © Max von Lachner ( SW )
Quelle:
DR