Kardinal Woelki wirbt in Chrisammesse für Christusbeziehung

"Priester sind mehr als Funktionäre und Ermöglicher"

Immer am Montag in der Karwoche lädt der Kölner Erzbischof die Priester, Diakone und Seminaristen seines Bistums zu einem Oasentag ein, der der Stärkung der eigenen Berufung dienen soll. Außerdem werden die heiligen Öle geweiht.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Chrisammesse im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti (DR)
Chrisammesse im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Als am Ende des feierlichen Gottesdienstes auf der Orgel im Fortissimo der Schlusschoral aus Bachs Matthäus-Passion ertönt, bietet sich selbst für Kölner Verhältnisse, wo es liturgisch gemein hin sehr festlich zugeht, ein äußerst beeindruckendes Bild. Denn endlos lang ist die Prozession der ausziehenden Seminaristen, Diakone, Priester und Bischöfe.

Zu keinem anderen Zeitpunkt im Jahr nämlich sind so viele Seelsorger aus dem gesamten Erzbistum um den Altar des Kölner Doms versammelt wie in der Chrisam-Messe am Montag der Karwoche. Dann stehen mehrere hundert Geistliche in Chorkleidung in den Bänken des südlichen und nördlichen Querhauses. Aber auch um den Altar schart sich an diesem Tag ein großer Kreis von Konzelebranten in festlich weißen Gewändern: das Domkapitel sowie die Stadt- und Kreisdechanten.

 

Erzbischof Kardinal Woelki spricht dann in seiner Begrüßung auch von der "Missa chrismatis" als einem "einzigartigen Gottesdienst im Jahr", weil sich damit gewissermaßen ein Eintreten in den Vorraum des Abendmahlssaales, ein Einblick in das Geschehen des österlichen Triduums verbinde. Außerdem, so sagt der Kardinal, käme das ganze Presbyterium zusammen und erneuere seine Bereitschaft, als Priester Jesu Christi zu wirken und zu arbeiten. So sei das eine "erneute Liebeserklärung an den, dem wir unsere Berufung verdanken". Er wendet sich den vielen konzelebrierenden Mitbrüdern im südlichen und nördlichen Querhaus zu, aber auch an die große mitfeiernden Gemeinde an Gläubigen und nennt diesen Gottesdienst eine "wichtige Stunde für die Diözese", weil mit der Weihe der heiligen Öle vielen Menschen von hier aus Heil geschenkt werde und Kranke gestärkt würden.

Oasentag bietet Gelegenheit zum Kraft Schöpfen

In der Chrisammesse gedenken die vielen anwesenden Priester in besonderer Weise ihrer Priesterweihe. Es ist ihr Tag: der sogenannte Oasentag, der immer mit einem geistlichen Impuls in der Minoritenkirche beginnt und einem gemeinsamen Abendessen im Maternushaus endet. Er soll Gelegenheit zum Kraft Schöpfen geben und zur Selbstvergewisserung des eigenen Glaubens. Dem entspricht, dass nach kirchlicher Überzeugung Christus im Rahmen der Abendmahlsfeier am Gründonnerstag die Eucharistie und das Priestertum eingesetzt hat. Die geweihten Öle werden nach der Feier an die Stadt- und Kreisdechanten übergeben, die diese dann in die Gemeinden bringen.

Geistliche Stärkung an diesem Nachmittag aber versprechen sich auch die vielen anderen, die gekommen sind. So argumentiert Sr. Francisca vom Orden der Töchter der göttlichen Liebe aus Nigeria und Gemeindereferentin in St. Martin, Euskirchen, für ihre Mitschwestern in der ersten Reihe gleich mit, als sie berichtet, dass die Chrisammesse auch in ihrer Heimat schon immer von besonderer Bedeutung gewesen ist. "Gerade die heiligen Öle sind für uns ein wichtiges Zeichen, schließlich sind wir dadurch zu Christen geworden. Hier zu sein gehört für uns zur Karwoche einfach dazu."

Abbé Pauljo von Loe

"Diese Messe erinnert mich daran, dass ich als Priester dazu berufen bin, mein Amt aus Freundschaft zu Jesus zu leben."

Für Abbé Pauljo von Loe, Kaplan in Neviges und erst im letzten Jahr für die Gemeinschaft St. Martin zum Priester geweiht, ist die Teilnahme an der Chrisammesse "eine Selbstverständlichkeit", erst recht nun in seiner neuen Aufgabe. "Diese Messe erinnert mich daran, dass ich als Priester dazu berufen bin, mein Amt aus Freundschaft zu Jesus zu leben. Außerdem macht sie mir die Einheit von Christus und uns Priestern, aber auch die zwischen dem Bischof und den Priestern und unserer priesterlichen Gemeinschaft untereinander neu bewusst. In Köln ist diese Feier einfach außergewöhnlich schön", schwärmt der 29-Jährige. 

Pfarrer Martin Wierling aus Neunkirchen-Seelscheid hingegen profitiert vor allem von der "Geistlichen Stunde", wie er sagt, in der diesmal der Jesuit Professor em. Dr. Michael Schneider, Spiritual am Bischöflichen Seminar Collegium Willibaldinum im Bistum Eichstätt, über das Thema: "… und stelle dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes! Das Lebensprojekt unseres Dienstes aus der Sicht des Triduum Paschale" gesprochen hat. "Daraus nehme ich jedes Mal Gedanken für meine Osterpredigt mit", so Wierling. "Ein Angebot, das ich sehr schätze." 

Pfarrer Wilhelm Darscheid

"Zum einen ist dieser Tag für mich ein Ruhepunkt in der Karwoche. Und dann feiere ich in der Liturgie mit den Mitbrüdern, aber auch der ganzen Gemeinde hier im Dom die Lebensquellen der Kirche: das Wort und das Sakrament."

Wilhelm Darscheid, leitender Pfarrer in Bergisch Gladbach-West, ist seit seiner Zeit im Priesterseminar jedes Jahr mit dabei und empfindet diesen Tag als ein Geschenk. "Zum einen ist er für mich ein Ruhepunkt in der Karwoche. Und dann feiere ich in der Liturgie mit den Mitbrüdern, aber auch der ganzen Gemeinde, die hier im Dom zusammenkommt, die Lebensquellen der Kirche: das Wort und das Sakrament." Als Priester seien sie ja für die Menschen da. "Daher ist es gut, dass die Gläubigen diesen Tag mit uns Priestern mitfeiern, weil wir als Kirche zusammengehören." 

Gleichzeitig denke er in diesem Gottesdienst immer auch an diejenigen in seiner Gemeinde, die mit diesen Ölen gesalbt würden: an die Täuflinge, die Firmlinge und die Kranken. So freut sich der Seelsorger auf die Taufe von zwei Kommunionkindern am Ostermontag. "Ich habe ihnen erzählt, dass ich hier heute eigens aus dem Kölner Dom das Öl hole, mit dem ich sie salben werde." Und schließlich sei für ihn das Bereitschaftsversprechen zum priesterlichen Dienst eine "dankbare Erneuerung der Liebenserklärung an Christus und das priesterliche Leben".

Handeln als Antwort auf Berufung

Um die Ermutigung zu dieser Christusbeziehung geht es auch  Kardinal Woelki, als er in seiner Predigt betont, dass jeder Priester von Jesus Christus selbst erwählt und berufen sei, um in seiner Kirche zu wirken. "In seinem Namen sollen sie handeln und in seiner Vollmacht als gute Hirten sein heiliges Volk leiten. Die Berufung durch den Herrn ist also immer das Entscheidende und das Erste. Und unser Handeln kann dann immer nur die Antwort sein auf diese Berufung durch Christus." 

Jeder Priester habe mit seinem ganzen Leben und Wirken dafür einzustehen, dass die Kirche den Grund ihres Daseins nicht in sich selbst habe, sondern jenseits ihrer selbst: in Christus. So könne das geweihte Amt auch niemals durch eine Gemeinde demokratisch delegiert werden, sondern sei immer eine Sache der sakramentalen Sendung durch Christus, so der Erzbischof, auch wenn viele heute nicht mehr um die Zeichenhaftigkeit des priesterlichen Dienstes wüssten. 

Das Entscheidende nicht vom Menschen gemacht

Priester seien eben mehr als nur Funktionäre, Organisatoren einer Pfarrei oder Ermöglicher, zumal ein solches Verständnis im Letzten auf eine Selbst-Säkularisierung des Priestertums und der Kirche hinauslaufe, argumentiert Woelki. Das Entscheidende in der Kirche aber sei nicht vom Menschen gemacht, sondern geschehe ausschließlich von Christus her. "Er ist der Ursprung, er ist die Mitte, er ist das Haupt, er ist das Ziel der Kirche", bekräftigt er. "Diesen Geschenkcharakter im Leben der Kirche sichtbar darzustellen, das ist eine der ersten Aufgaben von uns Priestern."

Das sakramentale Zeichen der Weihe bürge dafür, dass sich die Kirche auch die Sakramente nicht selber geben, sondern sie sie vielmehr nur vom Herrn her durch die Vermittlung der Kirche empfangen könne. "Dies gilt in besonderer Weise von der Eucharistie, die nicht einfach nur eines der sieben Sakramente ist, sondern vielmehr jener Lebensvollzug, in dem die Kirche immer wieder neu entsteht. Denn alles Tun der Kirche geht aus vom Altar und kehrt zum Altar, der für Christus steht, zurück." So sei die Eucharistie das Nerven- und das Lebenszentrum der Kirche und auch die Mitte der priesterlichen Sendung. Von daher könne ein Priester auch immer nur durch einen Priester ersetzt werden und die Kirche ohne Priester nicht katholisch sein.

Rainer Maria Kardinal Woelki

"Wir können nämlich nur dann Menschen zu Christus führen, wenn wir selbst mit ihm auf du und du im Blickkontakt und in Hörweite zu ihm leben."

Das Fundament dieser Sendung aber, so Woelki weiter, müsse eine ganz persönliche Christusbeziehung sein, ohne die die Kirche nur als eine Institution und absurde Wirklichkeit erscheine und priesterliches Tun zur Phrase und Karikatur würde. Abschließend ermutigt der Kardinal seine Mitbrüder zu einem persönlichen Lebenszeugnis für den auferstandenen Christus – durch Gebet, Gottesdienstfeier und Pflege dieser Christusfreundschaft. "Wir können nämlich nur dann Menschen zu Christus führen, wenn wir selbst mit ihm auf du und du im Blickkontakt und in Hörweite zu ihm leben." Dann aber bringe ein solcher vertrauter Umgang mit ihm Freude, gebe Kraft und lasse auch manches Schwere durchtragen. 

Vor dem Schlusssegen dankt der Erzbischof seinen Mitbrüdern für ihren Dienst im Priester- und Diakonenamt während des zurückliegenden Jahres sowie der Gemeinde, diese durch ihr Gebet mitzutragen. Ans Presbyterium gewandt, sagt er wörtlich: "Danke, dass Sie einmal dem Ruf des Herrn gefolgt sind, Ihr ‚Adsum’ jeden Tag aufs Neue versuchen, einzulösen und zu leben – und das in diesen gegenwärtig herausfordernden Umbruchzeiten. Danke, dass es Sie gibt! Danke für Ihren seelsorglichen, priesterlichen und diakonalen Dienst, Ihren Einsatz, der oftmals sicher auch über die eigenen Kräfte hinausgeht!"

Und auch das gehört inzwischen zu jeder Chrisammesse dazu: dass Kardinal Woelki am Ende diesem Dank an die Mitbrüder noch eine persönliche Bitte um Vergebung anschließt, wenn er, wie er wörtlich formuliert, ihnen nicht gerecht geworden sei, sie aus dem Blick verloren oder ihnen in irgendeiner Weise Unrecht getan habe.

Quelle:
DR