DOMRADIO.DE: Wenn der Pfarrer am Ostermorgen im Gottesdienst einen Witz erzählt, dann sprechen wir vom Osterwitz, vom Osterlachen. Wo kommt dieser Brauch eigentlich her?
Pfarrer Rainer Maria Schießler (Münchener Stadtpfarrer und Mitautor des Buches "Das neue kleine Buch vom Osterlachen"): Das ist fast ein liturgisches Element. Das kommt vor allem aus einer Gegenbewegung, möchte man sagen, gegen eine übertriebene Ernsthaftigkeit in der Liturgie. Man muss einfach wissen, das vor allem im Alten Testament das Lachen eine ganz andere Bedeutung hatte. Es ging aber immer in die Richtung "Verspotten", also hat man es vermieden, weil man ja Gott verspotten könnte. Und das hat sich dann bis in die Liturgie mit eingeschlichen.
Wir finden im Neuen Testament keinen lachenden Jesus. Wir finden einen bestürzten Jesus beim Tod von Lazarus, einen traurigen, aber nie an den lachenden Jesus.
Auf der anderen Seite haben wir die Aufforderung von Paulus an Ostern: "Mensch, Tod, wo ist dein Stachel. Totenreich, wo ist ein Sieg?" So wurde dann das Lachen kultiviert, in die Liturgie mit eingeführt, dass man diese Regung, dass man dieses Erlöstsein und Befreitsein spürt. Wie der Hanns Dieter Hüsch sagt, dass man dies einmal erleben kann.
DOMRADIO.DE: Trotzdem war der Brauch lange fast vergessen. Jetzt ist es wieder in. Der Passauer Bischof Stefan Oster geht zum Beispiel gerade mit seinem Osterwitz auf YouTube richtig viral, ein Witz, den er aus Ihrem neuen Buch zitiert. Auch aus diesen Gründen oder sind da noch andere Gründe mit im Spiel?
Schießler: Also ich kenne den Brauch auch nicht aus meiner Kindheit. Ich komme aus einer modernen Pfarrei, aber das hat es nie gegeben, man hatte gelacht, wenn es Anlässe gab. Stichwort Situationskomik, aber nicht dieses programmierte Lachen, diese Form mit einem Witz lachen hervorzurufen. Das habe ich bei meinem ersten Ausbildungspfarrer Ende der 80er Jahre gelernt.
Wir müssen schauen, dass die Formen miteinander passen. Durch Lachen kann die Gemeinschaft ihre Freude zeigen über das, was an Ostern passiert ist.
DOMRADIO.DE: Was macht einen guten Osterwitz aus?
Schießler: Eigentlich dasselbe wie jeder Witz: Er muss zum Lachen bewegen. Es gibt nichts peinlicheres als Witze zu erzählen und man merkt, die wenden sich ab, sie kennen ihn schon.
Man glaubt gar nicht, was die Leute mir für Pfarrerwitze erzählen wollen. Glaubst du wirklich, ich kenne den nicht? Ich bin 40 Jahre in diesem Geschäft tätig…
Ein Witz in der Kirche muss natürlich salonfähig sein, ist klar. Also es gibt gewisse Grenzen. Es gibt moralische Grenzen und es darf kein gequältes Lachen sein. Gequältes Lachen beim Osterwitz ist schlimmer als Gockellachen.
DOMRADIO.DE: Dann machen wir mal die Probe. Welcher war Ihr Osterwitz dieses Jahr?
Schießler: Ein ganz schöner Witz über die beiden Raben. Die Raben sitzen ganz oben auf dem Baum und dann kommt und der Hase vorbei und sagt: "Was macht denn ihr da oben?"
"Nix", sagen die zwei, "wir sitzen da und schauen blöd". Da kommt der Fuchs vorbei und sagt zum Hasen: "Was machst du da?"
"Das, was die Raben machen. Ich sitze da und schaue blöd." Da kommt der Bär und fragt: "Was macht ihr da?" Und sie sagen, "wir sitzen da wie die Raben und schauen blöd".
Da kommt der Jäger und schießt mit drei Schüssen Fuchs, Hase, Bär einfach ab. Da sagt der eine Rabe zum anderen: "Merkst, dumm rumsitzen, blöd schauen, das kannst du nur, wenn du ganz oben bist".
Wir wissen ja, welche Leute ganz oben sitzen und nichts machen. Es ist nicht verletzend, das ist wichtig.
DOMRADIO.DE: Sie sind ja generell jemand, der mit viel Humor auch in den Gottesdiensten und auch in der Öffentlichkeit auftritt. Sind Sie damit auch mal angeeckt?
Schießler: Ja, natürlich. Ich treffe ja auch auf humorlose Menschen. Es gibt Leute, denen wird das zu viel, in die Kirche wird nie gelacht, sagen die. Ich kenne wirklich diese Leute, die sagen, in der Kirche ist man nur ernst.
Beim Lachen benutzt man mehr Muskeln als beim grimmig schauen. Da ist Lachen eine Art Fitnessstudio der Seele.
DOMRADIO.DE: Wünschen Sie der Kirche insgesamt mehr Lockerheit?
Schießler: Unbedingt. Viele Bischöfe sagen, seht selber, wir müssen wieder lernen, über uns selbst zu lachen, dann können wir uns selbst ein bisschen ins Gericht nehmen und uns vielleicht selbst neu aufstellen.
Das Interview führte Carsten Döpp.
"Das neue kleine Buch vom Osterlachen" ist im Benno-Verlag erschienen und kostet 9,95 Euro.