Die jüngst lauter werdenden Forderungen nach einer Vier-Tage-Woche sieht der Bund Katholischer Unternehmer (BKU) hingegen kritisch.
Das auch hinter den Rufen nach Arbeitszeitverkürzungen stehende Problem des vor allem demografisch bedingten Fachkräfte- und Personalmangels kann nach Ansicht des BKU nicht allein durch Automatisierung oder eine Erhöhung der in Deutschland ohnehin schon hohen Erwerbsquote gelöst werden.
Zahl der Erwerbstätigen sinkt
Aber auch generelle Arbeitszeitverkürzungen, wie etwa in Form der Vier-Tage-Woche, würden an dieser Stelle nicht grundsätzlich weiterhelfen, weil die Zahl der Erwerbstätigen insgesamt sinkt, wie der Düsseldorfer Arbeitsrechtler und BKU-Bundesvorsitzende Dr. Martin Nebeling betont.
"Das kann schon mathematisch nicht die richtige Antwort auf den Fachkräftemangel sein", erklärt der BKU-Vorsitzende. Eine Vier-Tage-Woche würde der bereits durch erhöhte Fehlzeiten, aber auch Lieferkettenprobleme und Materialengpässe belasteten Produktivität einen weiteren Schlag versetzen.
Stattdessen müsse man, so Nebeling, "über die im EU-Vergleich niedrige Lebensarbeitszeit in Deutschland nachdenken und anerkennen, dass wir uns einer Verschiebung des Renteneintrittsalters nicht verweigern können, aber auch dem Thema Zuwanderung und Integration in Arbeitsmarkt und Gesellschaft mehr Aufmerksamkeit widmen müssen".
Neben einer diese Themen umfassenden neuen Sozialpartnerschaft ist nach Ansicht des BKU vor allem eine Flexibilisierung der Arbeitszeit notwendig, die auch für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und damit letztlich für die demografische Entwicklung von Bedeutung sei. Zusammenfassend gilt für den BKU: "Mehr Flexibilität löst, die Vier-Tage-Woche schafft Probleme."
Flexibilisierung der Arbeitszeit für Freiheit, Produktivität und Humanität
Um der Freiheit von Arbeitnehmern und Arbeitgebern größtmöglichen Raum zu geben, sei es Aufgabe der Tarifparteien, einen Rahmen zu definieren, in dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu einem jeweils individuellen Interessenausgleich gelangen können. Der BKU spricht sich für eine Flexibilisierung der Arbeitszeit aus. Er beruft sich dabei auf den Wert der Personalität, der als wichtige Säule der katholischen Soziallehre Freiheit und Selbstbestimmung einfordert.
Prof. Dr. Timo Meynhardt, Wissenschaftlicher Berater des BKU und Inhaber des Arend-Oetker-Lehrstuhls für Wirtschaftspsychologie und Führung an der Handelshochschule Leipzig konkretisiert die Forderung des BKU nach mehr Flexibilität:
"Angesichts der Pluralisierung von Erwerbsbiografien brauchen wir eine lebensverlaufsorientierte Arbeitszeitgestaltung, bei der Langzeitarbeitskonten, Optionszeitmodelle bis hin zu Varianten des ‚Un-Retirements‘ oder ‚Re-Retirements‘ attraktiver werden. Nur so kann ein neues Gleichgewicht zwischen Flexibilität, Produktivität und Humanität entstehen."