Mit einem Festakt auf dem Jerusalemer Zionsberg hat das "Theologische Studienjahr Jerusalem" am Freitag sein 50-jähriges Bestehen gefeiert.
Seit 1973/74 haben hier rund 1.200 katholische und evangelische Theologiestudenten aus dem deutschsprachigen Raum mit Stipendien des Deutschen Akademischen Austauschdienstes DAAD ein jeweils zweisemestriges Studium in Ökumene, Bibelwissenschaften, Archäologe und interreligiösem Dialog absolviert und die Zeitgeschichte des Nahen Ostens unmittelbar kennengelernt.
Festakt in der Klosterkirche der Dormitio
An dem Festakt in der Klosterkirche der Dormitio waren unter den rund 120 Teilnehmern neben Studenten und Dozierenden des 50. Jahrgangs viele ehemalige Absolventen, die Mönche der gastgebenden Benediktiner-Abtei sowie die der römischen Trägeruniversität Sant'Anselmo.
Für die Ortskirche nahmen der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, sowie Geistliche anderer christlicher Kirchen teil. Die Deutsche Bischofskonferenz war mit dem neuen Paderborner Erzbischof Udo Bentz vertreten.
DAAD-Präsident dankt dem Studienjahr in einem Grußwort
DAAD-Präsident Joybrato Mukherjee dankte dem Studienjahr in seinem Grußwort für ein einzigartiges ökumenisches Studienprogramm über 50 Jahre. Es vermittle an einem religiös einzigartigen Ort, der zugleich Brennpunkt von Gewalt zwischen Anhängern der drei monotheistischen Religionen sei, besondere Kompetenzen, die auch für den DAAD von hohem Stellenwert seien. Es bilde Fachleute für den Dialog in einer multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft aus, und ebenso Experten für Israel und Palästina. Dies sei gerade für Deutschland wichtig.
Ausdrücklich dankte der DAAD-Präsident der aktuellen Studiendekanin, Johanna Erzberger, für ihre Arbeit und ihr Krisenmanagement seit Beginn des Gaza-Krieges. Dem Dormitio-Kloster unter Abt Nikodemus Schnabel dankte er für gelebte Gastfreundschaft und das Engagement in der Lehre. Angesichts sinkender Theologenzahlen brauche man kreative Gedanken aller, um das Studienjahr für die nächsten 50 Jahre krisenfest aufzustellen.
Festredner war der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth. Er sagte, inmitten des Nahost-Konflikts leiste das Studienjahr seit 50 Jahren angesichts der Größe der Konflikte einen "sicher bescheidenen, aber doch in seiner Bedeutung nicht gering zu schätzenden Beitrag zu einem interreligiösen und interkulturellen Dialog". Die sei auch "ein wichtiger, beständiger und Hoffnung stiftender Beitrag für eine friedlichere Welt".
"Geschichte(n) erinnern - Gegenwart bestehen - Zukunft entwerfen"
Das Motto des 50. Studienjahres - "Geschichte(n) erinnern - Gegenwart bestehen - Zukunft entwerfen" - werfe unweigerlich Parallelen zu einem weiteren Jubiläum auf, das in Deutschland in wenigen Wochen begehe, so Harbarth: den 75. Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 mit seinem Gottesbezug in der Präambel.
Der Deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, sagte in seinem Grußwort, für junge Theologen gebe es kaum eine eindrucksvollere Lern- und Wirkungsstätte als Jerusalem. Hier träfen Glaube, Geschichte und Religion in einmaliger Weise zusammen. Das Studienjahr und die Studierenden hätten die Höhen und Tiefen des Nahost-Konflikts in seiner ganzen Komplexität hautnah erlebt.
"Geschmack auf Komplexität"
Dormitio-Abt Schnabel bezeichnete Jerusalem als den wohl spannendsten und herausforderndsten Ort nicht nur für Theologen, um sich mit den grundlegenden Fragen von interreligiösem Dialog, Ökumene, Bibelkunde und Landesgeschichte zu befassen. Das Studienjahr mache "Geschmack auf Komplexität", die Welt nicht nur in 30 Sekunden erklären zu wollen. Neben Ökumene und Archäologie bilde der interreligiöse Dialog mit Judentum und Islam wichtige Elemente.
Bei dem Festakt berichteten mehrere Ehemalige, wie das Studienjahr ihr Leben geprägt, wie es sie auch "ökumenisch trittsicher" gemacht habe; und wie der Aufenthalt im Nahen Osten ihnen gezeigt habe, dass die Politik und auch das Geflecht der drei monotheistischen Religionen noch komplizierter seien, als sie auf den zweiten oder dritten Blick erschienen.
Die frühere Bundesministerin und Botschafterin Annette Schavan, die in ihrer Amtszeit den nach seinem Gründer benannten Laurentius-Klein-Lehrstuhl beim Studienjahr errichtet hatte, bezeichnete das Studienjahr in einem Kommentar als ein kulturelles Laboratorium. Es stelle Fragen und betreibe Theologie in einer Weise, die Menschen verändere, um Multiplikatoren in der Welt und für die Zukunft zu sein.