Experte fordert Konsequenzen für Russisch-Orthodoxe Kirche

"Ökumenisch endgültig disqualifiziert"

Politisch hat sich das Moskauer Patriarchat fest an den Kreml gekettet. Das hat Folgen für den ökumenischen Dialog zwischen den Kirchen. Rufe nach Konsequenzen der Russischen Orthodoxie aus dem Weltkirchenrat werden lauter.

Patriarch Kyrill I. / © Natalia Gileva (KNA)
Patriarch Kyrill I. / © Natalia Gileva ( KNA )

Der Berliner Ostkirchenkundler Reinhard Flogaus hat Konsequenzen für die Russische Orthodoxe Kirche (ROK) hinsichtlich derer Mitgliedschaft im Ökumenischen Rat der Kirchen gefordert. 

In einem Gastbeitrag für die "Süddeutsche Zeitung" (Dienstag) verweist der Wissenschaftler zur Begründung auf jüngste theologische Rechtfertigungen des russischen Angriffs auf die Ukraine als "Heiligen Krieg".

Russisch-orthodoxe Kirche in Moskau (shutterstock)

Flogaus zitiert aus einem Ende März beschlossenen Grundsatzdokument des kirchennahen "Weltkonzils des Russischen Volkes" (WKRV), in dem eine staatliche Unabhängigkeit der Ukraine kategorisch ausgeschlossen werde. 

"Aus spiritueller und moralischer Sicht ein Heiliger Krieg"

Russlands Krieg in der Ukraine sei demnach "aus spiritueller und moralischer Sicht ein Heiliger Krieg". Es gehe dabei um eine "Verteidigung des einheitlichen geistigen Raums der Heiligen Rus'" gegen den "Ansturm des Globalismus" und den Westen, "der dem Satanismus verfallen" sei. Der Moskauer Patriarch Kyrill I. ist Vorsitzender des WKRV.

Flogaus vermutet, dass Kyrill auch einer der Hauptautoren der Erklärung ist. Mit der Qualifizierung des russischen Bombenterrors als "Heiligem Krieg" habe sich die Moskauer Kirchenleitung "ökumenisch endgültig disqualifiziert", schreibt der Dozent der Berliner Humboldt-Universität. Auch die EU sollte den Patriarchen auf ihre Sanktionsliste setzen.

Dieses von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik via AP veröffentlichte Foto zeigt Patriarch Kyrill bei der Leitung eines orthodoxen Ostergottesdienstes in der Christ-Erlöser-Kathedrale.
 / © Pavel Bednyakov/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa (dpa)
Dieses von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik via AP veröffentlichte Foto zeigt Patriarch Kyrill bei der Leitung eines orthodoxen Ostergottesdienstes in der Christ-Erlöser-Kathedrale. / © Pavel Bednyakov/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa ( dpa )

In seiner Konzeption folgten das Moskauer Patriarchat und das WKRV der Lesart des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Dieser sehe im Zerfall der Sowjetunion "eine 'künstliche, erzwungene Teilung dieser großen russischen Nation, einer Dreieinigkeit aus Russen, Belarussen und Ukrainern'", so der evangelische Theologe. 

"Besser lässt sich die irredentistische und imperialistische Funktion des Narrativs der 'Russischen Welt' für die gegenwärtige Politik des Kremls und seine Verwurzelung im Mythos der 'Heiligen Rus', im russischen Nationalismus des 19. Jahrhunderts und im Sowjetimperialismus des 20. Jahrhunderts kaum zusammenfassen."

 "Unvereinbar mit der Lehre des Evangeliums"

Die früher vom Moskauer Patriarchat abhängige Ukrainische Orthodoxe Kirche (UOK) habe frühzeitig auf die Grundsatzerklärung des WKRV zur "Gegenwart und Zukunft der Russischen Welt" reagiert. Ihr Außenamt habe erklärt, "ein solcher Aufruf zur 'Zerstörung der Ukraine' und eine solche 'Rechtfertigung der militärischen Aggression' seien 'unvereinbar mit der Lehre des Evangeliums'." 

Die Bezeichnung der sogenannten militärischen Spezialoperation als "Heiliger Krieg" widerspreche den Prinzipien der christlichen Moral und könne nicht von Menschen befürwortet werden, "die sich selbst als Kleriker bezeichnen".

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version dieser Meldung wurde behauptet, Flogaus hätte einen Ausschluss der ROK aus dem ÖRK gefordert. Er hat aber nur von "Konsequenzen" gesprochen.

Weltkirchenrat

Dem Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK), auch Weltkirchenrat genannt, gehören derzeit 352 protestantische, anglikanische, orthodoxe und altkatholische Kirchen sowie kirchliche Gemeinschaften in rund 140 Ländern an. Sie repräsentieren weltweit mehr als 500 Millionen Christen. Der Weltbund wurde am 23. August 1948 in Amsterdam gegründet. Er hat seinen Sitz in Genf.

Kapelle des Weltkirchenrats / © Bernhard Raspels (KNA)
Kapelle des Weltkirchenrats / © Bernhard Raspels ( KNA )
Quelle:
KNA