"Es ist kurz vor Beginn der Heiligen Messe. Ein Mann betritt die Kirche und geht von Reihe zu Reihe, begrüßt jeden, der dort sitzt mit Handschlag, stellt sich vor und fragt nach dem Namen seines Gegenübers. Am Ende setzt er sich in die vorletzte Reihe. Die Gottesdienstbesucher sind nicht wenig irritiert. So freundlich begrüßt werden sie doch sonst nie.
Manche sind nicht nur verwundert, sie halten sogar schützend ihre Hände über die Taschen mit den Wertsachen. Solch ein Verhalten ist offensichtlich ungewöhnlich und ruft Skepsis hervor. Am Ende der Messe sagt der Mann: "Ach, das hat gut getan" – und verschwindet. Während sich vor der Kirche die Gottesdienstbesucher sammeln, kommt ein anderer Mann ganz aufgeregt angerannt und fragt: "Habt ihr den Georg gesehen?" Offensichtlich ist Georg ein Bewohner einer nahe gelegenen Wohngruppe für Menschen mit Behinderungen.
Mich hat diese kleine Begebenheit zum Nachdenken gebracht: Georg hat eine Atmosphäre geschaffen, die ich mir eigentlich für alle unsere Gemeinden wünsche. Unbefangen, herzlich und persönlich werden alle willkommen geheißen. Denn auf diese Weise entsteht Gemeinschaft. Wie schade, dass es umgekehrt nicht auch so gut läuft. Schade, dass die Inklusion nicht überall so gelingt. Auch in unseren eigenen Gottesdiensten manchmal nicht.
In diesen Tagen beginnt die Woche für das Leben. Das diesjährige Thema ist „Generation Z(ukunft): Gemeinsam. Verschieden. Gut.“ Eine gute Gelegenheit, darüber nachzudenken, wie wir Menschen mit Behinderungen an unserem gesellschaftlichen und kirchlichen Leben besser teilhaben lassen können und ihnen ein Gefühl geben, wirklich willkommen zu sein.
Ihr Rainer Woelki
Erzbischof von Köln"