In der einen Ecke wird Billard gespielt und dazu laut Musik gehört, in der anderen Ecke unterhält sich kichernd eine Gruppe junger Mädchen, aus der Mitte des Raumes ist der Aufprall eines Tischtennisballs auf der Ping-Pong-Platte zu hören. Ein ganz normaler Nachmittag in der "Villa Lampe" in Heiligenstadt. Wer seine Ruhe sucht, ist in der offenen Jugendbetreuungseinrichtung der Salesianer nicht an der richtigen Adresse. Jeden Tag öffnet das Haus für Kinder und Jugendliche seine Türen und bietet ein buntes Freizeitangebot.
"Hier unten im Saal ist immer was los", schwärmt Danilo. Der 19-Jährige absolviert nach seinem Fach-Abi ein FSJ in der katholischen Sozialeinrichtung und sagt: "Hier herrscht eigentlich immer gute Laune." Er nimmt einen Queue in die Hand und beugt sich über den Billardtisch. Gleich nebenan steht Ryan vor der Tischtennisplatte und wirkt ganz konzentriert. Er spielt eine schnelle Angabe, schlägt ein paar Mal den Ball zurück, und dann macht er einen Punkt.
Tischtennis spiele er nicht nur gerne, sondern auch ziemlich gut, sagt der 15-Jährige nicht ohne Stolz, und so komme er mehrfach in der Woche in die "Villa Lampe". "Wir haben einen Ort, wo wir hingehen können", sagt er und erinnert sich, wie er sich noch vor einiger Zeit mit Freunden auf der Straße oder in Parks getroffen hat und "das Draußen-Abhängen" irgendwann langweilig für den Neuntklässler wurde.
"Keine blöden Sachen machen"
In Ähnliches erzählt auch Agnes. Die 16-Jährige sucht seit gut einem Jahr fast täglich die "Villa Lampe" auf, zuvor verbrachte sie mit Freunden ihre Zeit auf Spielplätzen oder Skaterbahnen, erzählt sie. Kurzweilig war das nicht. "Irgendwann sagte mir jemand: Geh in die Villa", erinnert sie sich. Sie kam her, und es hat ihr auf Anhieb gefallen. "Hier kann ich meine Freunde treffen und neue Leute kennenlernen", sagt sie. "Und das alles im geschützten Raum."
Maik Herwig nickt. Der 49-Jährige leitet heute die Jugendeinrichtung und erzählt davon, wie er selbst so jung war wie heute Agnes, Danilo oder Ryan. Anfang der neunziger Jahre war das, als die "Villa Lampe" gerade erst gegründet wurde. "Wir hatten damals noch keine richtige Alternative, wie wir unsere Freizeit gestalten sollen", erinnert er sich an jene Zeit nach der Wende, die für viele Familien in Ostdeutschland von Arbeitsplatzverlust und Zukunftssorgen geprägt war. "Wir trafen uns manchmal in der Garage oder so."
In jener Zeit kamen viele junge Menschen mit rechtsradikalen Gruppen in Kontakt und schlossen sich diesen an. Heiligenstädter Kommunalpolitiker hatten da die Idee, für Heranwachsende einen Jugendclub zu eröffnen. Heute, mehr als 30 Jahre später, gelte das weiterhin, sagt Herwig. "Wir wollen, dass Kinder und Jugendliche hier ihre Freizeit sinnvoll und in einem geschützten Raum verbringen." Mit "sinnvoll" meine er, dass die Jugendlichen nicht auf schiefe Bahn gerieten. "Nicht irgendwelche blöden Sachen machen", wie er es nennt.
Als ausgebildeter Sozialarbeiter weiß er, dass Heranwachsende sich ausprobieren müssen, und genau dafür biete "die Villa" den Rahmen, sei es Fußball auf dem Bolzplatz, eine Werkstatt zum Herumbasteln oder eine überdachte Kletterwand. "Wir wollen die Interessen der Jugendlichen freilegen", sagt der Einrichtungsleiter. "Diesen guten Kern, den es zu fördern gilt, und sie nicht für irgendwas einspannen, was nicht gut für ihre Entwicklung ist."
Wie etwa rechtspopulistisches Gedankengut. "Das Eichsfeld bleibt da nicht außen vor, wie in ganz Thüringen", sagt Herwig und meint damit etwa die wachsende Zustimmung zu rechtspopulistischen Parteien bei Wahlen. Was dagegen hilft? Der christliche Glauben spiele eine Rolle, weiß Herwig. "Wir arbeiten nach der Pädagogik Don Boscos", sagt der Sozialarbeiter. "Das bedeutet, wir glauben immer an das Gute im Menschen, in den Jugendlichen", ergänzt Pater Otto. Der Salesianerpater war schon bei der Gründung der "Villa Lampe" dabei und kam nach verschiedenen Stationen vor wenigen Jahren wieder zurück zu der Jugendeinrichtung in Heiligenstadt.
30 Jugendclubs gehören zum „sozialen Netzwerk“
Wobei von einer Einrichtung nicht mehr gesprochen werden kann. Neben der eigentlichen "Villa Lampe", die übrigens von dem Zigarrenfabrikanten "Lampe" in der Vorkriegszeit erbaut wurde, gibt es den "Liethentreff". Mitten in einem Wohnviertel gibt es auch hier einen offenen Jugendtreff sowie Kaffeerunden für junge Mütter. Zudem gehören 30 weitere Jugendclubs in den umliegenden Dörfern zum "sozialen Netzwerk für junge Menschen", wie die "Villa Lampe" sich beschreibt. Die Clubs gehören zwar den Kommunen, das pädagogische Personal stellt dabei aber die "Villa Lampe".
So kommen die rund 50 Villa-Lampe-Mitarbeiter jährlich mit rund 1.000 Jugendlichen in Kontakt, bis zu 70 Heranwachsende besuchen am Tag das "Haupthaus" mit dem markanten Don-Bosco-Graffito an der Außenfassade. Auch innen werden die Jugendlichen von einem großen Don-Bosco-Bild begrüßt, umrahmt von Begriffen wie "Gott", "Gemeinschaft", "Trost" und "Toleranz".
"Trotzdem." würde auch dazupassen. Es ist das Leitwort der Bonifatiuswerk-Firm-Aktion 2024. "Mit dem Empfang des Firmsakraments zeigen Jugendliche, dass sie Verantwortung für ihr Leben, ihren Glauben und die Kirche übernehmen möchten", erklärt Monsignore Georg Austen, der Generalsekretär des Bonifatiuswerkes, das Motto 2024.
"Während der Firmung sagen sie 'Ja' zu ihrem christlichen Glauben – in aller Öffentlichkeit." Und weil die "Villa Lampe" mit ihrem pädagogischen Konzept christlichen Glauben konkret vorlebt, kommt ihr ein Teil der Firm-Kollekte zugute. Denn die Neugefirmten sammeln für sozial-karitative Projekte der Kinder- und Jugendhilfe des Bonifatiuswerkes. So bleiben in der "Villa Lampe" die Türen für Jugendliche wie Agnes oder Ryan geöffnet mit Angeboten, bei denen sich die jungen Menschen ausprobieren können. Es bleibt also weiterhin laut und umtriebig in der "Villa Lampe".
Einen Film zur "Villa Lampe", dem Beispielprojekt der Firmung 2024 finden Sie hier.