In der Debatte über radikale Islamisten und ihre Forderungen nach einem Kalifat hält Islamexperte Mohanad Khorchide Verbote für unzureichend.
Im Deutschlandfunk forderte der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie der Uni Münster am Sonntag mehr Angebote, um jungen Menschen einen "vernünftigen Zugang zum Islam" zu eröffnen.
Professionelle Medienarbeit von radikalen Islamisten
Es gebe eine kleine Minderheit von radikalen Islamisten, die Scharia und Kalifat durchsetzen wollten und dabei sehr professionelle Medienarbeit betrieben. Ihnen müsse man mit konkreten Restriktionen begegnen, sagte Khorchide mit Blick auf Gruppierungen wie "Muslim Interaktiv" oder das dem Iran nahestehende Islamische Zentrum Hamburg (IZH).
Es gebe aber in Deutschland eine mehrere 10.000 meist junge Menschen umfassende Gruppe von Muslimen, die auf der Suche nach Identität und Wir-Gefühl seien und sich als Opfer der Gesellschaft fühlten.
Der Konflikt im Gaza-Streifen habe dieses Gefühl, dass die westliche Welt mit unterschiedlichen Maßstäben messe, dramatisch verschärft. Die meisten von ihnen wüssten gar nicht, was Kalifat oder Scharia bedeuteten.
Keine "vernünftige Zugänge" zum Islam
Insbesondere in den Sozialen Medien sei in den vergangenen Jahren eine Blase der Radikalisierung entstanden, so der Theologe. Zugleich gebe es auf Instagram oder TikTok kaum alternative Angebote und "vernünftige Zugänge" zum Islam.
Khorchide zeigte sich in diesem Zusammenhang selbstkritisch: "Wir arbeiten sehr elitär", sagte er mit Blick auf Islam-Studiengänge an Universitäten oder Bücher zum Islam. Damit würden junge Menschen auf der Suche kaum erreicht; das Vakuum füllten dann radikale Kräfte.
Rund 1.000 Demonstranten haben in Hamburg die Errichtung eines Kalifats gefordert
In Hamburg hatten am vergangenen Wochenende rund 1.000 Demonstranten um die extremistische Gruppierung "Muslim Interaktiv" die Errichtung eines Kalifats gefordert. An diesem Samstag gab es an gleicher Stelle eine Gegendemonstration, an der sich ebenfalls bis zu 1.000 Menschen beteiligten.
Die Demonstrierenden kamen laut Medienberichten aus ganz unterschiedlichen Lagern. Zu sehen waren unter anderem israelische und deutsche Flaggen, Regenbogen-Fahnen, Antifa-Symbole und verschiedene deutsche Partei-Embleme. Auf Bannern und Schildern standen Schriftzüge wie "Gegen jeden Antisemitismus", "Freiheit" oder "Matriarchat statt Kalifat"