DOMRADIO.DE: Haben Sie für diese vier Wochen EM Ihr Team aufgestockt, damit Sie dem Ansturm der Fans gerecht werden können?
Johannes Westerdick (Seelsorger am Flughafen Düsseldorf): Ja, wir haben natürlich schon in der Vorplanung gesehen, dass es die EM-Zeit ist, dass es lebendiger ist. Der Flughafen hat sich schon sehr gut aufgestellt, aber wir haben unser eigenes ehrenamtliches System. Wir haben unser Engagement mit bis zu 40 Ehrenamtlichen hochgefahren, damit wir hier präsenter sein können, damit wir bei Ablaufschwierigkeiten einfach vermitteln oder informieren können, damit es einfach auch zügig und gut funktioniert.
DOMRADIO.DE: In Köln waren bisher die Schotten die Fans der Herzen. Wie haben Sie die Schotten erlebt?
Westerdick: Da gibt es eine schöne Beobachtung von den Schotten, die man ja wirklich sehr deutlich in ihrem Kilt erkennen kann: Das eine war, dass so eine schottische Zwei-Mann-Truppe lärmend durch den Flughafen lief und ihnen ein italienischer Fan entgegenkam. Ich war gespannt, was passierte. Und dann begrüßten sie sich, beschnupperten sich so und dann nahmen sie sich in den Arm und wünschten sich beide eine tolle EM.
Das fand ich eine ganz großartige Aktion, wo ich so dachte, das ist wirklich das, was EM ausmacht: diese Völkerverständigung über die Grenzen hinaus. Nach dem Motto "ihr seid Fans, ich bin Fan, wir sind unterschiedliche Fans, aber wir genießen den gemeinsamen Fußball".
DOMRADIO.DE: Die Schotten sind ja leider aus der WM gekickt worden …
Westerdick: Ja, das war insofern auch ein bisschen tragisch, als dass ein schottischer Fan hier bei uns gestrandet ist, obwohl er eigentlich alles richtig gemacht hatte.
Nach dem Schottlandspiel hatte er in Bonn noch einen Freund besucht, der im Krankenhaus liegt. Dann hat er sich getraut, die Deutsche Bahn zu benutzen, was für ihn keine gute Idee war. Er kam mit zwei Stunden Verspätung an, sein Flug war weg und er hatte nicht mehr die finanziellen Mittel, sich einen neuen Flug zu kaufen. Er hatte jetzt auch keinen, der ihm mal eben einen neuen Flug sponsert.
Auch die britische Botschaft war nicht unbedingt in der Lage ihm zu helfen, denn er hatte ja noch so knapp 150 Euro. Dann haben wir ihn mit langem Hin und Her in einen Fernbus gesetzt, ihm das Busticket besorgt, haben noch ein bisschen dazugetan, damit er was essen konnte. Und dann hat er sich für 29 Stunden ab Düsseldorf Hauptbahnhof in den Flixbus nach Hause gesetzt. Er hat sich tierisch bedankt. Für mich war das unser Teil zur Völkerverständigung.
DOMRADIO.DE: Die meisten Fans kommen ja wahrscheinlich euphorisch an, aber dann läuft es vielleicht nicht so gut für ihre Mannschaft und es geht schon wieder nach Hause. War der Frust da manchmal so groß, so dass Sie trösten mussten?
Westerdick: Haben wir so nicht erlebt, weil die grundsätzliche Begeisterung ein bisschen über den Frust hinweg trägt.
Die albanische Nationalmannschaft ist von hier schon wieder abgeflogen. Die wurde nach Landung, wie alle Mannschaften, die hier im Flieger angekommen sind, mit einer Wasserfontäne der Flughafen-Feuerwehr begrüßt. Die sind hier aber auch verabschiedet worden, der ganze VIP-Service war an Bord. Selbst die Leitung des Terminalmanagements hat mit angepackt, die Koffer auf Waagen zu bringen, damit die alle mit ihrem Gepäck auch gut wieder weg kamen. Das fand ich schon ein tolles Zeichen, dass sie alle auch anpacken, um es den Leuten so gut wie möglich gehen zu lassen.
DOMRADIO.DE: Nach all dem, was Sie so erzählen, klingt das für mich, als sei die Stimmung unter den Fans und auch den Mitarbeitenden am Flughafen ganz gut.
Westerdick: Ja, das hängt auch damit zusammen, dass wir deutlich, deutlich besser aufgestellt sind als im letzten oder vorletzten Jahr. Das Thema "Sicherheit" funktioniert ordentlich, die Groundhandler, also die Servicefirmen, die für die Airlines hier die Abwicklung machen, sind gut genug besetzt. Die Abläufe sind einigermaßen klar und es ist genügend Personal da, das unterstützt.
Wir haben Volunteers hier, die auch Fan-Gäste begleiten und unterstützen, wenn sie Fragen haben. Wir haben kleine Aktionen hier am Flughafen: Wir hatten kurz vor dem Start der EM ein Torwandturnier, wo die Geschäftsführung auch mitgespielt hat und wo es eine Reise nach Italien für eine ganze Familie zu gewinnen gab.
Außerdem haben wir einen mobilen Tippkicker, an dem sich dann schon mal zwei Fangruppen melden und dann selber das Spiel noch mal nachspielen, unter offizieller Aufsicht, das ist ganz witzig.
Wir haben hier sogar einen Geschäftsraum, der extra als Fanmeile eingerichtet ist, in dem Mitarbeitende oder Fluggäste kostenlos die Spiele gucken können. Das ist so eine freundlich-europäische internationale Atmosphäre. Es gibt ganz viel Achtsamkeit, das ist wirklich nett und schön zu erleben.
Das Interview führte Hilde Regeniter.