Auf 700 Seiten will sie sowohl von 35 Jahren in der DDR als auch von 35 Jahren in der Bundesrepublik erzählen; von der Kindheit und Jugend im geteilten Deutschland über den Mauerfall bis zu den Begegnungen mit den Großen der Weltpolitik. Dazu gehörten auch drei Päpste.
Vielleicht könnte der runde Geburtstag auch die Versöhnung mit der CDU einläuten. Besonders das Verhältnis zu CDU-Chef Friedrich Merz gilt als angespannt.
Merkel hat nicht nur auf den Ehrenvorsitz der Partei verzichtet, sie zog sich aus dem Vorstand der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung zurück und meidet die Parteitage. Zeit fand sie hingegen unlängst für eine Abschiedsrede des Links-Grünen Jürgen Trittin. Das sorgte selbst bei alten Weggefährten in der CDU für Unmut.
Abschied von der "Ära Merkel"
Mit der Verabschiedung des vierten Grundsatzprogramms auf dem 36. Parteitag Anfang Mai nahm wiederum die CDU Abstand von Grundentscheidungen der Ära Merkel. Darunter fielen der Ausstieg aus der Atomenergie, die Aussetzung der Wehrpflicht oder eine "Willkommenskultur" in der Migrationspolitik.
Vor allem hat die Partei Abstand von Merkels pragmatischer Politik der Mitte genommen und sich wieder stärker rechts positioniert. Vielleicht gab das nun wiedergefundene Selbstbewusstsein nach schwierigen Übergangsjahren Merz den Anstoß, für die ehemalige Parteivorsitzende Ende September in der Berliner Akademie der Wissenschaften einen Empfang geben zu wollen.
Nach Medienberichten soll der renommierte Berliner Kunsthistoriker Horst Bredekamp den Festvortrag halten. Zu Merkels 60. sprach der Konstanzer Historiker Jürgen Osterhammel und zum 50. der Frankfurter Hirnforscher Wolf Singer. Das knüpft an das breitgefächerte Interesse der promovierten Physikerin an, dem sie auch gerne bei ihren Auslandreisen als Kanzlerin nachging.
"Angie" bleibt international beliebt
Die einstmals mächtigste Frau der Welt genießt weiterhin international hohes Ansehen. Immerhin sollen ihre Memoiren in 30 Ländern erscheinen - das schaffen sonst bestenfalls US-Präsidenten.
Die Kanzlerin galt als Stabilitätsanker nicht nur in Europa. Bei der Amtsübernahme von US-Präsident Donald Trump richteten sich die Blicke vieler westlicher Demokratien auf sie. Dies soll der entscheidende Anstoß für ihre dritte Kandidatur gewesen sein.
Auch im Vatikan ist ihr Ansehen ungebrochen. Papst Franziskus würdigte die Tochter eines evangelischen Pfarrers als beispielhaft für eine Politik des Gemeinsinns. "Ich halte die Amtsführung von Angela Merkel für einen interessanten Meilenstein der Weltpolitik und einen Aufruf an Frauen, die politische Berufung verspüren", so der Papst im Interview.
Die Sympathien sind offenkundig beidseitig. Immerhin trafen sie sich fünf Mal, zuletzt auf Merkels Wunsch zu ihrem Abschied aus dem Amt. Damit war Merkel häufiger im Vatikan als alle ihre Amtsvorgänger und begegnete auch Johannes Paul II. und Benedikt XVI.
Der konservativ-feinsinnige Theologe aus Bayern und die pragmatische, preußisch geprägte Naturwissenschaftlerin verstanden einander aber nur begrenzt.
Niemals Zweifel am "C"
Dennoch ließ die Pfarrerstochter aus Templin nie einen Zweifel am Bekenntnis zum "C" und ihrer Glaubensüberzeugung - wenn auch mit protestantischer Zurückhaltung und im Bewusstsein, dass die CDU kein verlängerter Arm der Kirchen ist.
Als Stammgast bei Katholiken- oder Kirchentagen und Empfängen hatte sie stets ein offenes Ohr für kirchliche Anliegen. Umgekehrt unterstützten sie die Kirchen bei der umstrittenen Grenzöffnung für über eine Million Zuwanderer im Jahr 2015. Vorübergehende Konfliktpunkte ergaben sich aus der Öffnung der Ehe für alle und dem Umgang mit der Religionsfreiheit zu Beginn der Corona-Pandemie.
Eine Bewertung vieler Entscheidungen wird erst langfristig möglich sein, etwa in der Finanz- und in der Flüchtlingskrise, der Pandemie, der Energiepolitik oder beim Wandel des Familienbilds. Hierauf wird die erste weibliche Kanzlerin sicherlich in ihren Memoiren eingehen.
In einem Gespräch nach ihrem Abgang mit dem Journalisten Alexander Osang sagte Merkel: "Es ist nicht meine Aufgabe, Kommentare von der Seitenlinie zu geben". Bislang hat sie sich weitgehend daran gehalten. Anders dürfte es die Fußballbegeisterte bei der laufenden Europameisterschaft halten, wo sie mutmaßlich auf den Rängen sitzen wird.