DOMRADIO.DE: Hatten Sie überhaupt Schulferien?
Carina Quirmbach (Leitende Gesamtschuldirektorin der Erzbischöflichen Gesamtschule am Bildungscampus Köln-Kalk): Mein Team und ich wussten schon von Anfang, dass unsere Schulferien etwas geringer ausfallen würden. Denn von den sechseinhalb Wochen Sommerferien sind wir viereinhalb Wochen mit großer Begeisterung dabei, die etwas andere Lösung als die, die wir sie uns vorgestellt hatten, einzurichten.
DOMRADIO.DE: Das heißt, Sie haben Kisten geschleppt und Schränke eingerichtet?
Quirmbach: Da sind wir noch mitten drin: vom Legen der IT-Leitung bis über Kisten schleppen, Möbel aufbauen, Klassenräume einrichten. Das war alles in letzter Zeit unser Job. Aber wir freuen uns schon riesig, weil man enorme Fortschritte sieht.
DOMRADIO.DE: Das eigentlich vorgesehene Schulgebäude ist noch nicht ganz fertig. Welche Zwischenlösung haben Sie gewählt?
Quirmbach: Wir haben glücklicherweise direkt neben der Grundschule eine Brachfläche, auf die wir jetzt eine Containerlösung gestellt haben. Dort können wir alle künftigen Schüler in einer wundervollen Atmosphäre aufnehmen.
Die Container sind absolut neuwertig. Es sind superschöne Möbel drin. Die Kollegen richten mit ganz großer Liebe zum Detail alles Mögliche für die Kinder ein. Insofern ist es gar kein schlimmer Start, sondern wir freuen uns sehr, dass wir diese Container bekommen konnten.
DOMRADIO.DE: Wie lange werden Sie in diesen Containern übergangsweise unterrichten?
Quirmbach: Das Ziel ist, dass wir alle im Mai in das eigentliche Gebäude umziehen können, sowohl die Grundschule als auch die Gesamtschule.
DOMRADIO.DE: Es gibt in der Gesamtschule erst einmal nur den 5. Jahrgang, der auf mehrere Klassen verteilt ist. Was bedeutet es für Sie, sich in dieser Zeit auf nur einen Jahrgang konzentrieren zu müssen?
Quirmbach: Wir haben etwas über 100 Anmeldungen, von denen wir auch einige Kinder aus dem inklusiven Bereich bei uns beherbergen dürfen. Es ist für uns super spannend, weil wir abgesehen von der Lage auch noch ein völlig neues didaktisches Konzept verwirklichen möchten, das wir jetzt mit der 5. Klasse erstmalig erproben und dann kleinschrittig weiter verfeinern können.
DOMRADIO.DE: Was für ein didaktisches Konzept ist das?
Quirmbach: Wer sich den normalen Unterricht vorstellt, der denkt als erstes an einen Stundenplan, wo die ganze Taktung schon beinhaltet ist. Bei uns ist es so, dass die Hauptfächer in einem Band unterrichtet werden und in diesem Stundendeputat sind sowohl Inputstunden, die wir normalerweise als klassischen Unterricht sehen würden. Aber es sind auch große Freibereiche darin, in denen die Kinder im eigenen Tempo lernen können.
Wir haben dazu ein Stufensystem entwickelt, weil wir ja von allen möglichen Schulformen Kinder beherbergen dürfen. Insofern wird das sehr spannend sein, dass wir zum einen dieses sogenannte SoL-Band (selbstorganisiertes Lernen; Anm. d. Red.) haben und das, was man klassisch als Nebenfächer kennt, wird bei uns als Werkstatt unterrichtet.
DOMRADIO.DE: Wie rekrutieren Sie die Lehrkräfte? Sind das solche, die ständig an der Schule sind, oder kommen die auch zum Teil von anderen Schulen her, weil es ja nur um vier Klassen geht?
Quirmbach: Wir haben das große Glück, dass wir mit unserem Gründungsteam und einigen weiteren Kollegen alle Fächer abdecken können, die wir benötigen. Wir sind alle mit großem Eifer dabei, das Material zu erstellen, um diesen Kindern dann einen erfolgreichen Start zu ermöglichen.
DOMRADIO.DE: Kalk ist zwar nicht DER soziale Brennpunkt von Köln, aber es ist ein sehr gemischter Stadtteil mit unterschiedlichen Kulturen und unterschiedlichen Religionen. Welchen Beitrag will da ein Bildungscampus des Erzbistums Köln leisten?
Quirmbach: Das hört sich für viele wie ein Widerspruch an, dass wir uns dort ansiedeln. Aber ich denke, wir sind genau dort an der richtigen Stelle. Zum einen wegen des sozialen Auftrags, den natürlich jede Schule auch mit beherbergt.
Zum anderen, weil wir auch in den Anmeldegesprächen gemerkt haben, wie groß die Vielfalt an Sprachen, an Vorwissen, an Kenntnissen und auch an Bildungshunger ist, der dort herrscht. Wir freuen uns daher sehr, mit unserem Bildungscampus dort eine Stätte für Kinder schaffen zu können.
DOMRADIO.DE: Sie setzen dabei viel auf Kooperation auch mit anderen Partnern. Von Seiten des Erzbistums gab es mitunter Kritik an der Stadt Köln, diese würde sich mit Kooperation schwertun. Läuft es da inzwischen besser oder geht es da weniger um den didaktischen Bereich, sodass Sie als Gesamtschulleiterin gar nicht so viel damit zu tun haben werden?
Quirmbach: Wir bekommen natürlich immer mit, dass es gewisse Spannungen gibt, die zum Glück bis Mai nächsten Jahres aufgehoben sein dürften. Aber für uns heißt Kooperation in erster Linie, dass wir die Fächer, die wir nicht in diesem SoL-Band unterrichten, mit vielen externen Partnern unterstützen möchten.
So haben wir zum Beispiel eine Försterin, die wir im Wald besuchen können. Wir können auch an Forschungsprojekten der Unis teilnehmen und diese partiell in den Unterricht einbinden. Unser Anliegen ist es, das, was man normalerweise als klassischen Unterricht kennt, nach außen zu öffnen und uns immer Experten hinzuzuziehen.
DOMRADIO.DE: Wie sieht es mit dem Thema Religionsunterricht bei Ihnen aus? Es werden ja auch einige muslimische Schüler dabei sein.
Quirmbach: Das war von Anfang an ganz klar, dass wir eine katholische Schule sind und dass es katholische Riten gibt, die bei uns weiterhin Bestand haben. Aber alle Eltern, denen wir dies ganz offen geschildert haben, waren sehr begeistert davon, dass wir gesagt haben, dass wir für Kalk eine Schule sein wollen.
Insofern hatten sie gar keine Probleme damit, diese Maßregeln zu akzeptieren und sich daran zu halten, sodass sie ihre Kinder gerne bei uns aufgenommen sehen.
DOMRADIO.DE: Katholische Schule im Sinne von Brauchtum, also dass es beispielsweise einen Martinsumzug gibt?
Quirmbach: Das ist natürlich klassisch mit drin. Aber es ist bei uns nach wie vor so, dass wir einen Morgenimpuls haben, dass wir Gottesdienste besuchen. Wir erwarten ja nicht von den Kindern, die andere Religionszugehörigkeiten haben, dass sie zum Katholizismus konvertieren.
Unser Anliegen ist es zu zeigen, wie sinnstiftend der katholische Glaube ist und vor allem, wo er richtig angewandt werden kann. Ich denke, Kalk ist dafür maßgeblich.
DOMRADIO.DE: Sie kommen aus Düsseldorf. Als Sie das erste Mal in Kalk waren, wie war da Ihr Eindruck?
Quirmbach: Es gibt auch in Düsseldorf Ecken, die genauso aussehen wie Kalk. Das hat nichts mit der Stadt zu tun. Es ist einfach ein Stadtteil, in den man sich begibt und wo man direkt weiß, ob man hier arbeiten oder nicht arbeiten kann.
Die Menschen, denen ich dort begegnet bin, waren dermaßen freundlich, zuvorkommend und auch interessiert, dass mein Team und ich überhaupt keine Bedenken haben, dort zu unterrichten.
Das Interview führte Jan Hendrik Stens.