Täter nach tödlichem Solinger Messerangriff auf der Flucht

Blumen in der Nähe des Tatorts in der Solinger Innenstadt / © Christoph Reichwein (dpa)
Blumen in der Nähe des Tatorts in der Solinger Innenstadt / © Christoph Reichwein ( dpa )

Nach dem tödlichen Messerangriff von Solingen fahndet die Polizei weiter mit einem Großaufgebot nach dem Täter. Dieser ist nach Angaben der Ermittler vom frühen Morgen noch nicht identifiziert. "Die Ermittlungen dazu laufen", sagte eine Sprecherin. Die Polizei mahnte die Bevölkerung in Solingen weiter zur Vorsicht. Nach Angaben eines Reporters der Deutschen Presse-Agentur waren am Morgen weiterhin auch Spezialeinheiten in der Stadt unterwegs.

Bei dem Angriff auf einem Stadtfest waren am Freitagabend drei Menschen getötet worden. Acht Menschen wurden verletzt, fünf davon schwer. Die Polizei in Nordrhein-Westfalen stufte die Tat wegen des zielgerichteten Vorgehens des Täters als Anschlag ein. 

Dem Täter sei es gelungen, im Tumult und in der sich anfangs ausbreitenden Panik nach der Tat zu entkommen, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Nordrhein-Westfalen. Ein Polizeisprecher sagte in der Nacht, zum Aussehen des Flüchtigen gebe es keine gesicherten Informationen.

"Ich glaube, das ist unser Riesenproblem. Wir haben noch nicht so viele Angaben zum Täter", erklärte Alexander Kresta, Sprecher der Polizei Wuppertal. Zeugen, die in unmittelbarer Nähe zum Geschehen waren, stünden unter Schock. "Die werden von uns im Augenblick professionell betreut, und wir vernehmen diese natürlich, um da jetzt genauere Angaben zu bekommen."

Allerdings könnten die Ermittler derzeit davon ausgehen, dass es sich um einen einzelnen Täter handelt, sagte Kresta weiter. Alle Zeugenaussagen, die die Polizei bislang aufnehmen konnte, wiesen darauf hin. "Von weiteren Personen ist uns nichts bekannt."

Nach Angaben der Behörden scheint der Täter wahllos auf Passanten losgegangen zu sein, seine Opfer also zufällig ausgewählt zu haben. Dem Innenministerium zufolge hat er aber sehr gezielt auf ihre Hälse eingestochen. Über den Zustand der Verletzten wurde bis zum Morgen nichts Neues bekannt.

Bei den Opfern dürfte es sich um Besucher des Festes zum 650. Jahrestag der Stadtgründung Solingens gehandelt haben. Tatort war der zu diesem Zeitpunkt gut besuchte Fronhof - ein Marktplatz in der Innenstadt, auf dem für das Jubiläumsfest eine Bühne aufgebaut war. Die Tat trug sich unmittelbar vor der Bühne zu.

Die Suche nach dem Täter lief am Samstagmorgen weiter. "Menschen im Solinger Innenstadtbereich sollen vorsichtig sein", sagte ein Sprecher der Düsseldorfer Polizei mit Blick auf den noch flüchtigen Täter. "Wer eine verdächtige Person sieht, soll sofort den Notruf 110 wählen und diese nicht ansprechen."

Bundesinnenministerin Nancy Faeser zeigte sich erschüttert über den "brutalen Anschlag". "Meine Gedanken sind bei den Familien der Getöteten und bei den Schwerverletzten", schrieb die SPD-Politikerin auf X. Die Sicherheitsbehörden täten alles, um den Täter zu fassen und die Hintergründe zu ermitteln.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) traf in der Nacht am Tatort ein und zeigte sich sichtlich betroffen. "Aus dem Nichts sticht jemand wahllos auf Menschen ein", sagte Reul. "Wir in Nordrhein-Westfalen, wir sind tief erschüttert und in Trauer vereint." Bei den Toten handele es sich um eine Frau und zwei Männer.

Die Stadt hat das ursprünglich für drei Tage geplante Straßenfest komplett beendet. Auch die für diesen Samstag und Sonntag geplanten Programmpunkte wurden abgesagt.

Laut Polizei schlug der Angreifer gegen 21.37 Uhr zu. Kurz darauf wurde Großalarm ausgelöst. Mindestens ein Hubschrauber war in der Luft, zahlreiche Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht und Rettungswagen waren unterwegs, Straßen weiträumig abgesperrt. Bewaffnete Beamte sicherten den Einsatzort. 

Laut "Solinger Tageblatt" folgten Tausende Besucher der Aufforderung, den Platz ruhig zu verlassen und nicht in Panik zu verfallen. "Die Menschen sind geschockt, aber friedlich vom Platz (gegangen)", wurde Philipp Müller zitiert, einer der Mitorganisatoren des Festes. Später herrschte dann gespenstische Stimmung in der fast menschenleeren Innenstadt.

Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach reagierte erschüttert. "Heute Abend sind wir alle in Solingen in Schock, Entsetzen und großer Trauer", schrieb der SPD-Politiker auf der Facebook-Seite der Stadt. "Es zerreißt mir das Herz, dass es zu einem Attentat auf unsere Stadt kam. Ich habe Tränen in den Augen, wenn ich an diejenigen denke, die wir verloren haben. Ich bete für alle, die noch um ihr Leben kämpfen."

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst sprach von einem "Akt brutalster und sinnloser Gewalt". Die Tat habe "unser Land ins Herz getroffen", schrieb er auf der Plattform X. NRW sei in Erschütterung und Trauer vereint. "In diesen dunklen Stunden sind die Menschen unseres Landes und darüber hinaus mit ihren Herzen und Gedanken in Solingen", schrieb der CDU-Politiker weiter. Und: "Ein großer Dank gilt den vielen Rettungskräften und unserer Polizei, die in diesen Minuten um Menschenleben kämpfen." 

Die Polizei schaltete ein Hinweisportal frei, über das Zeugen des Geschehens Handyfotos und Videos hochladen können (www.nrw.hinweisportal.de). Die Stadt Solingen wiederum richtete für Bürger eine Hotline für Fragen nach Vermissten ein (0212 - 290-2000). Bei der Polizei hätten sich Anfragen besorgter Angehöriger gehäuft, hieß es.

Das "Festival der Vielfalt" in Solingen hatte am Freitag begonnen. Es sollte bis Sonntag dauern. In der Ankündigung hieß es: "Solingen Mitte wird dabei zur großen Festmeile: Vom Neumarkt über den Fronhof bis zum Mühlenplatz wird gefeiert." In den Straßen erwarte die Besucher ein Programm mit Musik, Kabarett, Akrobatik, Kunsthandwerk, Unterhaltung für Kinder und vielem mehr.

Bundesinnenministerin Faeser hatte angesichts der Zunahme von Messerangriffen erst kürzlich eine Verschärfung des Waffenrechts angekündigt. In der Öffentlichkeit sollen Messer demnach nur noch bis zu einer Klingenlänge von sechs Zentimetern statt bisher zwölf Zentimetern mitgeführt werden dürfen. Für gefährliche Springmesser soll es ein generelles Umgangsverbot geben.

Mitte Juni war ein 27-jähriger Afghane in Wolmirstedt in Sachsen-Anhalt von Beamten erschossen worden, nachdem er zunächst einen 23-Jährigen erstochen und dann auf einer privaten EM-Gartenparty mehrere Menschen verletzt haben soll. In Mannheim hatte am 31. Mai ein Afghane fünf Mitglieder der islamkritischen Bewegung Pax Europa sowie einen Beamten mit einem Messer verletzt. Der Polizist starb später.