Wie es mit der Prävention in der katholischen Kirche läuft

Kirche als Vorreiter?

Immer wieder kommen neue Fälle von kirchlichem Missbrauch und Vertuschung ans Licht, die Aufarbeitung läuft schleppend, sagen Kritiker. Wie geht es voran mit der Prävention? Und wie lässt sich ermitteln, ob Prävention erfolgreich ist?

Symbolbild Menschen bei einer Präventionsschulung / © Matej Kastelic (shutterstock)
Symbolbild Menschen bei einer Präventionsschulung / © Matej Kastelic ( shutterstock )

Manchmal ist die katholische Kirche auch schneller als andere gesellschaftliche Träger: Bereits jetzt gibt es in allen Kindertagesstätten im Erzbistum Köln ein Schutzkonzept gegen Gewalt und sexualisierte Gewalt. Das bedeutet Regeln, Selbstverpflichtungen und Fortbildungen, die sich jede Institution auferlegt und die das Risiko von sexueller Gewalt verringern und genaue Handlungsanweisungen vorgeben, sollte es doch zu einem Übergriff kommen. 

Dabei steht nicht nur der Schutz von Minderjährigen im Fokus, sondern es geht um den Schutz von jedem und jeder, die in einem Abhängigkeitsverhältnis steht und das sind naturgemäß fast alle. Das sei mit einigem Aufwand verbunden, sagt Jens Duisberg, deswegen würden manche freie Träger oder kleine Einrichtungen, wie etwa so manche private Elterninitiative, hinterherhinken: "Die haben dafür keine Ressourcen".

Jens Duisberg arbeitet in der Regionalfachstelle für den Regierungsbezirk Köln, die zur Landesfachstelle zur Prävention gegen sexualisierte Gewalt in Nordrhein-Westfalen gehört. Von Aachen bis Gummersbach ist er dafür zuständig, dass Einrichtungen in Städten und Gemeinden für Prävention sorgen: Mit Informationen, Schulungen, Vernetzung und fachlicher Begleitung unterstützt Duisberg sie, das Angebot richtet sich an Fachkräfte von allen möglichen kirchlichen und nicht-kirchlichen Einrichtungen: vom Kinderchor über den Sportclub bis zum Schützenverein. 

Vertrauensvorschuss für die Kirche

Insgesamt gibt es fünf Regionalfachstellen in NRW, für jeden Regierungsbezirk eine, jeweils in unterschiedlicher Trägerschaft: In Münster übernimmt das im Auftrag der Landesregierung beispielsweise der Kinderschutzbund, in Essen die AWO. 

Dass diese Aufgabe im Regierungsbezirk Köln der Verband der Kirchen im Oberbergischen Kreis übertragen bekam – also in katholischer Trägerschaft – sei schon ein Vertrauensvorschuss und eine Anerkennung der Leistung, die man im Oberbergischen Kreis in diesem Bereich erbracht habe, sagt Katja Birkner. Sie ist seit 2021 die Präventionsbeauftragte des Erzbistums Köln. Auch Kirche werde Prävention – trotz oder vielleicht gerade wegen der Missbrauchsskandale und der oftmals problematische Umgang mit ihnen – zugetraut, so Duisberg.  

Ein Pfarrer in Talar stützt seine Hand auf den Tisch in einer Sakristei. / © Harald Oppitz (KNA)
Ein Pfarrer in Talar stützt seine Hand auf den Tisch in einer Sakristei. / © Harald Oppitz ( KNA )

Der Prävention wurde im Zuge des Bekanntwerdens zahlreicher Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Seitdem finden vielerorts Schulungen statt, die sich an Kleriker, aber auch an Kindergärtnerinnen, Lehrer oder Büroangestellte richten. Dabei geht es um sexuelle Gewalt und grenzüberschreitendes Verhalten, wie etwa ungewollte Berührungen. Die Aufarbeitung habe aufgezeigt, wo Lücken sind und wie man draus lernen müsse, sagt Duisberg. 

Kirche hat viele Anstrengungen unternommen

Das Erzbistum Köln hatte sich im Jahr 2011 – ein Jahr nach Veröffentlichung der MHG-Studie – im Rahmen der Umsetzung der Präventionsordnung der Deutschen Bischofskonferenz auch das Amt eines Präventionsbeauftragten verordnet, als eine der ersten Diözesen in Deutschland. Grundsätzlich habe die Kirche große Anstrengungen im Bereich der Prävention unternommen: Das attestiert ihr auch der katholische Experte zu sexueller Gewalt und Kinderschutz, Pater Hans Zollner.

Hans Zollner, Präsident des Zentrums für Kinderschutz und Vizerektor der Päpstlichen Universität Gregoriana / © Francesco Pistilli (KNA)
Hans Zollner, Präsident des Zentrums für Kinderschutz und Vizerektor der Päpstlichen Universität Gregoriana / © Francesco Pistilli ( KNA )

"Keine Institution, kein Staat, keine NGO und keine Religion oder Konfession hat so viel in Leitlinien, verpflichtende Schulungen und Ausbildungen investiert wie es die Kirche flächendeckend für ihr Personal tut, bis hin zu den Jugendleitern und ehrenamtlichen Kommunionhelfern, Tischmüttern und Firmbegleitern", sagte Zollner noch bei einem Vortrag im Frühjahr dieses Jahres im Wien. 

Glaubwürdigkeit leidet

Das werde allerdings konterkariert durch die mangelnde Aufarbeitung zurückliegender Fälle und den Umgang mit ihnen. "Ein einziger Fall, schlechtes Kommunizieren oder die Unfähigkeit, öffentlich auf Krisen und Skandale zu reagieren, zerstört tausende Stunden Präventionsarbeit wieder. Das demotiviert und demoralisiert die in diesem Bereich Tätigen, führt aber besonders dazu, dass die Glaubwürdigkeit der Kirche insgesamt leidet", sagte Zollner.

Der Präventionsbeauftragten Katja Birkner ist es wichtig darauf hinzuweisen, wie viel in der Kirche in diesem Bereich passiere: "Bei uns in Köln ist das wirklich schon ein sehr durchdachtes System! Wir sind unheimlich gut aufgestellt und haben viel erreicht. Und das Besondere ist, dass wir in NRW so eng aufeinander abgestimmt sind: Wir haben eine gemeinsame Präventionsordnung. Und wir können für das Erzbistum Köln sagen, alle 500 Kirchengemeinden haben ein Schutzkonzept. Da ist keiner mehr ohne!"

Kein Feigenblatt

Gegen den Vorwurf, Präventionsarbeit diene den Kirchen vor allem als Feigenblatt, damit diese zeigen könnten, dass sich in diesem Bereich etwas bewege, wehrt sich Birkner: "Wir zeigen durch die Prävention auf, wo es nicht funktioniert. Unsere Aufgabe ist es, in Zukunft dafür zu sorgen, dass der sexuelle Missbrauch nicht stattfindet oder schneller aufgeklärt wird." 

Dabei lässt sich der Erfolg von Präventionsarbeit lässt sich nur schwer ermitteln, denn wie lassen sich Taten und Übergriffe, die nicht passieren, quantifizieren? "Es ist sogar genau andersherum", sagt Jens Duisberg: "Wenn die Präventionsarbeit gut läuft, werden zunächst einmal noch mehr Fälle öffentlich." 

Im September wollen Forschungsteams vom Institut für Soziale Arbeit (ISA) in Münster und vom "SOCLES International Centre for Socio-Legal Studies" mit Sitz in Heidelberg und Berlin eine Wirksamkeitsstudie vorlegen, die zeigen soll, welche Maßnahmen welchen Effekt haben und wie Präventionsarbeit im kirchlichen Bereich weiterentwickelt werden kann. Die Studie wurde von den fünf Bistümern in NRW – Aachen, Essen, Köln, Paderborn und Münster - in Auftrag gegeben. 

Quelle:
DR