Das voraussichtliche Wahlergebnis in Brandenburg sorgt für gemischte Gefühle bei Religionsvertretern. Die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, erklärte, es gebe Grund zur Erleichterung, aber nicht für Euphorie.
Es mache ihr Hoffnung, dass eine demokratische Kraft den Wahlsieg der AfD "in letzter Minute" verhindert habe, sagte Knobloch am Sonntagabend. Dies zeige, dass nicht nur Extremisten mobilisieren könnten.
Allerdings bleibe "die manifeste Gefahr für die demokratischen Institutionen" bestehen, so die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Dies hinterlasse Spuren in der jüdischen Gemeinschaft: "Niemand kann schließlich sagen, ob der Damm, der heute noch gehalten hat, nicht beim nächsten Mal doch bricht."
Nach den Hochrechnungen des Abends ist die SPD stärkste Kraft mit 31,3 Prozent. Die AfD (29,5 Prozent) verzeichnet ebenfalls einen deutlichen Zuwachs. Das BSW, das erstmals angetreten ist, kommt auf 12,4 Prozent. Die Wahlbeteiligung war mit 73 Prozent demnach ungewöhnlich hoch.
AfD-Erfolg als "bittere Tatsache"
Der Zentralrat der Juden sprach von einer polarisierten Gesellschaft. "Wenn erneut fast ein Drittel der Wähler eine zerstörerische politische Partei wie die AfD an der Macht sehen will und eine populistische Kraft wie das BSW wieder zweistellig wird, dann darf uns das nicht unberührt lassen", sagte Zentralratspräsident Josef Schuster. "Die Stärke der politischen Ränder ist nicht gut für Deutschland."
Der Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, appellierte an die demokratischen Parteien, "die Hetze der AfD zu entlarven und Bürgerinnen und Bürger für die Demokratie zurückzugewinnen". Die Partei habe sich im Wahlkampf "unverhohlen nazistischer Propagandaklischees bedient und andere Menschen immer wieder durch Hetze und Drohungen dämonisiert". Für Holocaust-Überlebende sei der Zuspruch zur AfD "eine bittere Tatsache, die ihren Blick auf Deutschland verschattet".
Der amtierende Ministerpräsident und voraussichtliche Wahlsieger Dietmar Woidke (SPD) unterstrich, das Ziel sei gewesen, "zu verhindern, dass unser Land einen großen braunen Stempel kriegt". In der Geschichte hätten Sozialdemokraten schon desöfteren Extremisten auf deren Weg zur Macht gestoppt.
Jeden Tag hat man "die Wahl"
Der Berliner Erzbischof Heiner Koch erteilte Hass und Ausgrenzung eine klare Absage. "Einige Parteien" begegneten Veränderungen "mit einfachen oder gar menschenfeindlichen Antworten, sie schüren Ängste", kritisierte er. Dabei ließen sich Herausforderungen nur im Dialog und miteinander meistern. Koch nannte beispielhaft Dürre und Hochwasser, Fachkräftemangel, Abwanderung und Integration.
Der Erzbischof erklärte weiter: "Heute hatten Sie die Wahl zwischen verschiedenen Parteien, doch jeden Tag haben wir durch unsere Worte und Taten die Wahl: Unser Umgang miteinander bestimmt die Welt, in der wir in Zukunft leben." Er wünschte "den Beteiligten der demokratischen Parteien viel Kraft, Mut und Geduld, gemeinsam einen guten Weg für Brandenburg auszuhandeln".