Ein Jahr nach dem Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 ist auch in Deutschland bei Gedenkveranstaltungen an die Opfer erinnert worden. Zugleich prangerten Vertreter jüdischer Organisationen und Politiker einen massiv gestiegenen Antisemitismus an. Laut einem am Montag vorgestellten Lagebild des Zentralrats der Juden in Deutschland ist mit 42 Prozent fast die Hälfte der jüdischen Gemeinden im laufenden Jahr von antisemitisch motivierten Vorfällen betroffen gewesen. Es handele sich um einen "anhaltenden Ausnahmezustand".
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) unterstrich die Solidarität Deutschlands gegenüber Israel. Er forderte einen Waffenstillstand und eine Zwei-Staaten-Lösung. Die Bundesregierung setze sich für einen politischen Prozess und für eine Befreiung der Geiseln ein. Die Terroristen der Hamas müssten bekämpft werden. Offensichtlich sei aber auch, dass ein Jahr Krieg Leid über die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen gebracht habe. Am Abend wurde der Kanzler zu einer Gedenkveranstaltung der Jüdischen Gemeinde Hamburg erwartet. In Berlin stand am späten Nachmittag ein Gedenkgottesdienst mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Religionsvertretern an.
Das neue Lagebild der Gemeinden stellten der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, und Geschäftsführer Daniel Botmann in Berlin vor. Die Situation im Kontext mit dem Krieg in der Region wirkt sich demnach auf 63 Prozent der Gemeinden in Deutschland negativ aus: Angst vor Angriffen, weniger Besucher. Das Lagebild ergab außerdem einen deutlichen Rückgang an Solidarität seitens der Mehrheitsgesellschaft.
Schuster: Ausnahmezustand darf niemals Normalität werden
Schuster nannte es den 2bittersten Befund", dass Empathie und Solidarität stark abgenommen hätten. Der aktuelle "Ausnahmezustand" dürfe niemals Normalität werden. Botmann kündigte an, dass der Zentralrat dabei sei, ein "erweitertes Sicherheitsprogramm" für die Gemeinden aufzusetzen. Schuster zeigte darüber hinaus "wenig Verständnis" dafür, dass sich die Parteien im Bundestag seit Monaten nicht auf eine Resolution für den Schutz jüdischen Lebens und gegen Antisemitismus einigen könnten.
Die Zahl antisemitisch motivierter Straftaten lag 2023 laut Bundeskriminalamt auf einem Höchststand mit 5.164 Delikten inklusive 148 Gewalttaten. Der massive Anstieg sei vor allem auf den Anstieg nach dem 7. Oktober zurückzuführen. Der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antisemitismus, Felix Klein, sagte der "Rheinischen Post" (Montag), dass das Problem des Islamismus hierzulande zunehmend verharmlost werde.
Stilles und öffentliches Gedenken in jüdischen Gemeinden
In den jüdischen Gemeinden selbst erinnerten die Mitglieder in stillen und auch in öffentlichen Veranstaltungen an den 7. Oktober. In München zum Beispiel wollten die Israelitische Kultusgemeinde und die Stadt in der Hauptsynagoge einen Gedenkakt ausrichten. In Frankfurt war eine Ausstellung geplant.
Der Vize-Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Michael Gerber, sagte, dass es für das Heilige Land keine Alternative zu einem Friedensprozess gebe, der das Existenzrecht Israels respektiere und sichere und zugleich ein Leben in Würde und Rechtsstaatlichkeit für Israelis und Palästinenser garantiere.
Am 7. Oktober 2023 hatten Terroristen der islamistischen Hamas zahlreiche israelische Orte, Kibbuze und Armeestützpunkte entlang der Grenze zum Gazastreifen angegriffen. Dabei wurden nach offiziellen israelischen Angaben mehr als 800 Zivilisten und rund 370 Soldaten getötet. Rund 250 Geiseln wurden in den Gazastreifen verschleppt. Bis heute befinden sich noch 101 tote und lebendige Geiseln in der Gewalt der Hamas. Am 8. Oktober erklärte Israel offiziell den Kriegszustand.