DOMRADIO.DE: Wie haben Sie die zurückliegende zweite Woche der Weltsynode erlebt?
Prof. Dr. Thomas Söding (Bibelwissenschaftler, Lehrstuhlinhaber für das Neue Testament an der Ruhr-Universität Bochum und Experte der Weltsynode): Die zweite Woche hat Strecke gemacht. Die Synode orientiert sich am "Instrumentum Laboris", es gibt bestimmte Abteilungen. Wir haben zunächst sehr intensiv über "Beziehungen" gesprochen. Es geht um die Qualität der Begegnungen in einer Kirche des Glaubens. Man kann sich vorstellen, dass da unglaublich viel unterwegs ist, aber dass auch vieles hakt.
Es ist angesprochen worden, wie es verbessert werden kann. Es sind dann die "Wege" beschrieben worden. Da geht es um Entscheidungsprozess. Es geht darum aufeinander zuzugehen und miteinander weiterzugehen. Und ab morgen beginnt dann der dritte Teil, in dem die "Orte" beschrieben werden, an denen es konkret wird.
DOMRADIO.DE: Das klingt sehr positiv. Wenn Sie sagen, Sie haben Strecke gemacht, dann sind Sie vorangekommen?
Söding: Ja, einfach dadurch, dass es eine große Arbeitsdisziplin innerhalb der Synode gibt. Es ist richtig: Man muss geduldig sein, man muss konzentriert sein. Es kommen sehr viele zu Wort. Das hängt an einer leicht veränderten Methodik. Klar, es gibt viele Wiederholungen.
Ich habe auch volles Verständnis dafür, dass einzelne Mitglieder, die vielleicht aus verfolgten Kirchen kommen, einfach die Möglichkeit wahrnehmen, ihre Geschichte zu erzählen. Und die ist dann auch wichtig. Aber wir hören immer wieder auch klar konturierte und profilierte Beiträge, die sagen: Das ist unser Problem und das ist die Lösung.
DOMRADIO.DE: Sie haben dabei ein sehr ordentliches Programm. Montags bis samstags wird jeweils von morgens bis abends getagt. Wie anstrengend ist das denn jetzt, nach zwei Wochen?
Söding: Ich will nicht cool rüberkommen, wenn ich sage: Ich kenne das alle schon. Jetzt ist das meine Synode Nummer fünf. Nein, es ist schon eine hohe Hörfähigkeit und große Konzentrationsfähigkeit gefordert. Man muss die verschiedenen Sprachen in Rechnung stellen, in denen die Beiträge kommen. Es gibt allerdings eine Simultanübersetzung auch ins Deutsche. Die erleichtert vieles.
Deutsch ist ja keine offizielle Synodensprache mehr. Englisch ist mit weitem Abstand am häufigsten, und dann sind es Italienisch, Spanisch, Französisch und Portugiesisch. Die deutschen Bischöfe zum Beispiel sitzen in verschiedenen Sprachgruppen verteilt. Das ist wichtig.
Für mich ist aber als theologischer Experte wichtig, eine zweite Ebene mitzuhören. Was ist nicht gesagt worden, was sind die möglichen Brücken zwischen den verschiedenen Beiträgen? Und dann versuchen wir in der Theologie-Gruppe reflexiv aufzuarbeiten, was für die Synode als Orientierung wichtig sein kann, wenn es an die Abstimmungen in der letzten Woche geht.
DOMRADIO.DE: Mit im Saal sitzt auch der Papst an einem der runden Tische. Das ist völlig anders als bei anderen Synoden. Wie erlebt man ihn denn? Trifft man ihn auch mal am Kaffeeautomaten zwischendurch oder kommt in der Pause ins Gespräch?
Söding: Der Papst sitzt im Rollstuhl, er kann nicht so mobil sein Aber er ist sehr häufig da, wenn es diese Generalaussprache gibt. Damit zollt er Respekt. Er hat auch interveniert, allerdings seltener als früher. Vielleicht ist er nicht ganz unzufrieden, vor allen Dingen über einen Punkt: Das Thema Synode ist angekommen. Es gibt nicht mehr diejenigen, die das Thema infrage stellen. Die katholische Kirche ist eine synodale Kirche.
Es gibt immer noch diejenigen, die sagen, sie ist doch aber die hierarchische Kirche. Dann verdrehen auch schon einige die Augen und sagen: Natürlich, wissen wir, dass die katholische Kirche eine hierarchische Kirche ist. Daran wollen wir auch gar nichts ändern. Wir wollen aber, dass die hierarchische Kirche auch ihre synodale Seele entdeckt, und da müssen wir uns verändern.
Da erlebe ich den Papst als jemanden, der das offen wahrnimmt. Und er hat interveniert und gesagt: Ihr müsst in den Beziehungen denken, die von Gott her geprägt auf die katholische Kirche bezogen sind - und da hat er nicht nur die Bischöfe untereinander, die Bischöfe und die Priester genannt, sondern vor allen Dingen das Volk Gottes. Das war für mich ein klares Zeichen.
DOMRADIO.DE: Diskutiert wird intern wie extern immer noch heftig, dass Konfliktthemen wie Frauenweihe oder Homosexualität aus der Synode ausgegliedert wurden. Die Synode scheint aber ein wenig Eigenleben zu entwickeln, weil die Synodalen das Thema trotzdem auf die Agenda bringen. Wie erleben Sie das vor Ort? Wie intensiv wird darüber diskutiert?
Söding: Es ist einfach ein Thema in der Synode, weil es ein Thema in der Kirche ist, und zwar weltweit. Man kann in der Synode davor die Augen nicht verschließen. Ich bin sehr gespannt: Am 18. Oktober ist jetzt ein Nachmittag, der ursprünglich frei war, für Gespräche mit den Studiengruppen reserviert. Auch diese ominöse Studiengruppe 5, die sich mit der Frage des Frauendiakonates beschäftigt.
Wir müssen abwarten, welchen Stellenwert es hat, welche Wirkungen es hat. Aber auf jeden Fall ist klar, dass von Aussortieren nicht die Rede sein kann. Freilich sage ich nicht, dass damit die Synode schon wieder die Oberhoheit gewonnen hat. Das wird einer der spannenden Punkte bleiben.
DOMRADIO.DE: Die Hälfte der Zeit ist herum. Was wird denn am Ende wirklich konkret herauskommen? Bischof Bätzing hat zum Beispiel vorab davon gesprochen, dass er sich kirchenrechtliche Änderungen bei den Befugnissen der Bischofskonferenzen erhofft. Denken Sie, so etwas kann dabei wirklich ein Ergebnis sein? Oder wird man am Ende vier Wochen geredet haben, ohne dass sich wirklich etwas verändert?
Söding: Ich bin sicher, dass die katholische Kirche Veränderungen braucht. Und ich bin auch sicher, dass die Synode Veränderungen anstößt. Welchen Konkretisierungsgrad diese Veränderungsvorschläge haben, das werden wir sehen.
Ja, ich bin auch der Auffassung, dass wir auf der Weltebene ein klares Zeichen brauchen, dass die Bischofssynoden künftig nicht nur mit Bischöfen besetzt sind, sondern dass es eine Bischofssynode "Plus" ist.
Ich bin persönlich auch fest davon überzeugt, dass die kontinentalen Ebenen gestärkt werden müssen, und zwar dezentral. Die bisherigen Kontinentalsynoden waren alle in Rom. Warum sind die nicht in Melbourne oder in Quito oder wo immer man jetzt gerade zusammen ist? Das wäre auch ein großes Zeichen.
Und dann brauchen wir die Partizipationsorgane "pastoral councils", wie immer die dann jeweils heißen, auf der nationalen Ebene, in den Diözesen und in den Pfarreien. Und ich kann mir vorstellen, dass es da doch eine Verständigung in dieser Richtung gibt.
Das Interview führte Katharina Geiger.