"Nie wieder soll so etwas erneut passieren können." Jedes Mal, wenn ich in persönlichen Gesprächen das Leid von Betroffenen höre, steht dieser Satz mit all seiner Dringlichkeit über allem – "Nie wieder."
Eine Betroffene erzählte mir, dass selbst ihre Mutter ihr den Missbrauch nicht glauben wollte. Erst Jahre später konnte sie anderen davon berichten. Wie muss sich da ein Kind fühlen?
Wie viele Kinder und Jugendliche waren mit ihrem Leid allein, weil wir sie nicht gehört haben? "Nie wieder" – das steht für mich immer als Überschrift über dem Gedenktag für Betroffene sexuellen Missbrauchs.
Auch wenn sich unsere Gesellschaft zunehmend bewusst wird, dass sexueller Missbrauch überall eine bittere Realität ist, im Sport- im Kulturbetrieb, im Elternhaus – wir müssen vor unserer eigenen Haustür kehren. Ausgerechnet die Kirche hat zu lange gebraucht, bis sie im Umgang mit Betroffenen zu Umkehr bereit war.
Was Gott von uns erwartet, steht im Buch des Propheten Ezechiel erschreckend deutlich. Daran muss ich sehr oft denken. Es klingt wie ein Strafgericht über die Täter, für die ich mich als Priester und Bischof schäme: "Ihr Hirten – lässt Gott den Propheten Ezechiel verkünden – ihr Hirten habt euch nicht um meine Herde gekümmert. Siehe, nun gehe ich gegen die Hirten vor und fordere meine Schafe aus ihrer Hand zurück.“ (Ez 34,10).
Dieses Wort zeigt, dass Gott keinen Missbrauch duldet. Seit der MHG-Studie sind sechs Jahre vergangen, seit unserer eigenen Studie dreieinhalb. Das Erzbistum hat hunderttausende Menschen in Prävention geschult, überall sind Schutzkonzepte installiert worden. Betroffene können sich melden und erhalten Hilfe. In Anerkennung des erlittenen Leides bekommen sie Zahlungen. Wir haben einen aktiven Betroffenenbeirat. Ist die Arbeit damit getan? Nein!
Auch wenn ich manchmal höre, dass es nun mal mit dem Gedenken genug sein sollte und man den Blick nach vorne richten soll. "Nie wieder" bleibt unsere Aufgabe.
Und es ist unsere Pflicht als Christen, als Kirche, Kinder, Jugendliche und Erwachsene vor Missbrauch zu schützen. Dafür möchte ich mich weiterhin mit aller Kraft einsetzen.
Ihr Rainer Woelki
Erzbischof von Köln