"Traurig und wütend, ratlos und ängstlich, unsicher und verzweifelt, sprach- und fassungslos und tief betroffen lässt uns der brutale Anschlag vom gestrigen Abend zurück. Mit Gefühlen, die sich nicht greifen lassen, sind wir heute Abend hier im Dom", sagte der katholische Bischof Gerhard Feige zum Auftakt des Gottesdienstes.
Daran nahmen neben verletzten Opfern, Angehörigen und Rettungskräften auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne), die Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt und Brandenburg, Reiner Haseloff (CDU) und Dietmar Woidke (SPD), sowie die Magdeburger Oberbürgermeisterin Simone Borris (parteilos) teil.
Hunderte Menschen verfolgten zudem auf dem Domplatz bei Kälte und Regen den Gottesdienst via Leinwand-Übertragung.
Hass und Gewalt dürfen nicht das letzte Wort haben
Feige betonte weiter: "Gemeinsam sind wir heute Abend hier, um uns gegenseitig Halt zu geben, um auszuhalten, was nicht zu begreifen ist. Gemeinsam sind wir hier, weil wir Hass und Gewalt nicht das letzte Wort lassen." Gemeinsam stehe man an der Seite derer, die um einen Menschen trauerten, Angst um verletzte Angehörige hätten oder am Freitag auf dem Weihnachtsmarkt waren und noch unter Schock stünden und das Gesehene und Geschehene noch verarbeiten müssten.
Um 19:04 Uhr, exakt 24 Stunden nach der Tat am Vortag, läuteten alle Kirchenglocken der Stadt. Der evangelische Landesbischof Friedrich Kramer sagte in seiner Predigt: "Wir sind erschüttert und fragen uns: Gibt es noch einen sicheren Ort, einen Friedensort?" Gewalttäter setzten sich auf "den Thron der Aufmerksamkeit", so Kramer weiter: "Lasst uns diesem Gewalttäter keinen Raum geben."v
Keinen Raum den Tätern geben
Trotz aller Ohnmacht, Verzweiflung und Wut, die man angesichts der Tat verspüre, sei eines wichtig: "Wir werden dem Gewalttäter nicht unseren Hass geben, sondern wir bleiben bei dem, was Frieden und Zusammenhalt gibt."
Der sächsische Landesbischof und stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Tobias Bilz, sagte im Gottesdienst: "Wir werden in wenigen Tagen Weihnachten feiern. Es ist das Fest des Friedensschlusses zwischen Gott und den Menschen. Und genau in diesem Geist werden wir auch dieses Jahr Weihnachten feiern."
Bei dem Anschlag starben bislang fünf Menschen, über 200 wurden verletzt, viele schwer. Ein seit 2006 in Deutschland lebender und in Sachsen-Anhalt arbeitender Arzt aus Saudi-Arabien war mit einem Auto in den Weihnachtsmarkt der Magdeburger Altstadt gefahren. Erste Spekulationen über mögliche islamistische Hintergründe der Tat werden inzwischen als unwahrscheinlich bezeichnet.
Ministerpräsident Haseloff hatte am Samstagmittag gemeinsam mit Bundeskanzler Scholz und weiteren Mitgliedern des Bundeskabinetts sowie dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz den Tatort am Alten Markt besucht. Der Kanzler sprach von einem "furchtbaren und tragischen Ereignis". "Was für eine furchtbare Tat ist das, dort mit solcher Brutalität so viele Menschen zu verletzen und zu töten», sagte Scholz.
Spendenaufruf der Kirchen
Kirchen und Wohlfahrtsverbände in Sachsen-Anhalt rufen derweil zu Spenden für die Opfer auf. "Gerade jetzt müssen und können wir einander helfen, den Opfern, ihren Angehörigen und den vielen Helfern in Magdeburg beistehen und die Not lindern", erklärte Oberkirchenrat Christoph Stolte, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Mitteldeutschland, am Samstag. Zugleich dankte er allen, "die als Rettungskräfte und Seelsorger unmittelbar helfen" und allen, die "mit einer Spende die Soforthilfe und vor allem langfristige Unterstützung stärken".
Das Deutsche Rote Kreuz, die katholische Caritas und die evangelische Diakonie haben in einem Aktionsbündnis ein Spendenkonto zur Unterstützung für Betroffene und Angehörige des Anschlags in Magdeburg eingerichtet. Die Initiative kam von der Landesregierung Sachsen-Anhalt. Die Spenden sollen die Arbeit der Hilfsorganisation sowie der Organisation der Opferhilfe Weißer Ring vor Ort unterstützen.