Es wird wohl der bedrückendste Moment der ganzen Polenreise Benedikts XVI., wenn der aus Deutschland stammende Papst am Sonntag das Gelände des früheren Vernichtungslagers Auschwitz betritt. Auf deutsch will der Papst dort für den Frieden beten. Welches Verhältnis hat Benedikt XVI. zum Judentum?
1947: Zwei Jahre nach dem Ende von Krieg und Holocaust nimmt der junge Joseph Ratzinger in München das Theologiestudium auf. Es ist hier, in der Vorlesung von Professor Friedrich Stummer, dass ihm das Thema Judentum naherückt. "So ist mir", schreibt er selbst in seiner Autobiografie, "das Alte Testament kostbar geworden und nahe gekommen." Er sei damals "zu der Einsicht gekommen, dass das Judentum und der im Neuen Testament umschriebene christliche Glaube zwei Weisen der Aneignung der Schriften Israels sind, die beide letzten Endes von der Stellungnahme zur Gestalt Jesu von Nazareth her bestimmt werden. Die Schrift, die wir heute Altes Testament nennen, steht von sich aus auf beide Wege hin offen."
Es ist ein hochgradig theologischer Ansatz, von dem aus Ratzinger das Judentum "entdeckt". Nicht wie Karol Wojtyla über Schulfreunde auf seinem Dorf, sondern über die Beschäftigung mit der Bibel. Kernfrage des neuen Papstes: In welchem Verhältnis stehen das Alte und das Neue Testament zueinander?
Seine Antwort läßt an Deutlichkeit nicht zu wünschen übrig: Ohne das Alte Testament gibt es „keinen Zugang zu Jesus"; und das Wort Jesu, dass „das Heil von den Juden" kommt, gilt darum noch heute.
Allerdings hat sich der neue Papst die berühmte Formel seines Vorgängers, die Juden seien „unsere älteren Brüder", nicht zu eigen gemacht. Als Theologe nämlich sieht er genauer hin - und hält das heutige Judentum und das Christentum eher für Zwillinge, weil sie nämlich zeitgleich aus der gemeinsamen Wurzel, dem Judentum des Alten Testaments, hervorgegangen sind.
Weitere klare Aussagen des neuen Papstes, der als Professor und Kardinal viel über das Thema Judentum geschrieben hat: Eine „jüdische Kollektivschuld" am Tod Jesu gibt es nicht. „Juden und Christen sollten sich in einer tiefen inneren Versöhnung gegenseitig annehmen", ohne von ihrem Glauben abzusehen, „sondern aus der Tiefe des Glaubens selbst heraus". Das heißt für ihn auch: Christen dürfen ihren jüdischen Gesprächspartnern Jesus als den schon gekommenen Messias „nicht aufnötigen", sondern müssten in dieser Hinsicht „an der Geduld Gottes teilhaben". „Ganz offenkundig" scheint es dem Papst zu sein, dass die Entwicklung der Menschheit auf geheimnisvolle Weise mit der Entwicklung des jüdischen Volkes zusammenhängt. Das Phänomen, dass Israel in Zerstreuung und Zerstörung über zweitausend Jahre seine Religion und „sich selbst behält", zeigt für ihn, wie er wörtlich meint, „dass hier etwas anderes am Werk ist". Die Heilsgeschichte Gottes mit den Juden, sein Bund mit dem jüdischen Volk, ist also nicht überholt und nicht an ein Ende gekommen.
Ein gutes Verhältnis zum Judentum liegt dem deutschen Pontifex besonders am Herzen. Seinen ersten Brief als Papst schrieb er an den römischen Oberrabbiner, und bei seiner ersten Pastoralreise nach Deutschland besuchte er in Köln auch eine Synagoge, um dort Johannes Paul II. zu zitieren - mit den Worten: „Wer Jesus Christus begegnet, begegnet dem Judentum.". Alles spricht dafür, dass sich die Beziehungen zwischen katholischer Kirche und dem Judentum unter dem neuen Pontifikat eher noch verbessern und vertiefen. Übrigens hat sich Benedikt XVI. auch immer - zuletzt in seiner Neujahrsrede vor Diplomaten im Januar - eindeutig zum Existenzrecht Israels bekannt.
Der Papst und das Judentum
Eine „jüdische Kollektivschuld“ am Tod Jesu gibt es nicht
Es wird wohl der bedrückendste Moment der ganzen Polenreise Benedikts XVI., wenn der aus Deutschland stammende Papst am Sonntag das Gelände des früheren Vernichtungslagers Auschwitz betritt. Auf deutsch will der Papst dort für den Frieden beten. Welches Verhältnis hat Benedikt XVI.
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