Minister Laschet hält Integrationsgipfel im Kanzleramt für großen Schritt

"Lasst uns Integration zur Erfolgsgeschichte machen"

Die Bundesregierung lädt für kommende Woche zu einem Integrationsgipfel. Er soll den Startschuss für die Ausarbeitung eines "Nationalen Aktionsplans" bilden. Mehr als 70 Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen, Sozialverbänden, Kirchen, Migrantenorganisationen und Religionsgemeinschaften werden im Kanzleramt erwartet.

 (DR)

Die Bundesregierung lädt für kommende Woche zu einem Integrationsgipfel. Er soll den Startschuss für die Ausarbeitung eines "Nationalen Aktionsplans" bilden. Mehr als 70 Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen, Sozialverbänden, Kirchen, Migrantenorganisationen und Religionsgemeinschaften werden im Kanzleramt erwartet. Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Armin Laschet (CDU) wies am Freitag im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Düsseldorf die Kritik mancher Islamverbände an dem Gipfel als unberechtigt zurück.

KNA: Herr Minister, die Kanzlerin hat zum Integrationsgipfel eingeladen. Muslime kritisieren, das Vorhaben sei halbherzig, zu kurzfristig anberaumt und konzeptionslos. Was sagen Sie dazu?

Laschet: Der große Vorteil ist, dass erstmals ein solcher Integrationsgipfel stattfindet. 1955 hat Bundeskanzler Adenauer das erste Anwerbeabkommen, damals mit Italien, abgeschlossen.
Seitdem hat es noch nie einen Integrationsgipfel mit einem Bundeskanzler gegeben. Insofern liegt der Wert darin, dass die Bundespolitik die Bedeutung der Integrationspolitik erkannt hat.
Vertreter der Zuwanderer, der Wirtschaft, Gewerkschaften, Kirchen, Länder und Kommunen werden an einem Tisch sitzen. Ich erwarte eine realistische Lageanalyse und die konkrete Vereinbarung weiterer Arbeitsschritte. Eine Generalaussprache darf nicht auf einen Tag beschränkt bleiben. Weitere Treffen auf Arbeitsebene und im großen Rahmen müssen folgen. Die Integration ist eines der wichtigsten Themen der nächsten Jahrzehnte.

KNA: Warum wurden einige Islam-Verbände eingeladen, andere nicht?

Laschet: Weil an einem Tisch nicht 200 Platz haben, sondern nur 70. Insofern musste man auswählen. Es werden auch nicht alle Ministerpräsidenten und alle Städte kommen. Außerdem: Der Gipfel ist kein Islamgipfel. Integrationspolitik ist mehr als eine Diskussion mit dem Islam, zumal längst nicht jeder Zuwanderer Muslim oder Gläubiger ist. Der Bundesinnenminister hat für September zu einer Islamkonferenz eingeladen, dort werden alle Verbände beteiligt.

KNA: Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat mit dem "Aktionsplan Integration" Vorschläge für den Gipfel vorgelegt.
Was ist daran wirklich neu?

Laschet: Man kann nicht jeden Tag Projekte von Millionenaufwand erfinden. Auch wenn Sie von Familienzentren und Sprachförderung für Kindergartenkinder schon etwas gehört haben: Beides ist neu und wird erst in diesem und im nächsten Jahr umgesetzt. Das ist ein Kraftakt, der länger braucht. Neu ist auch, dass wir Zuwanderer zum Lehrerberuf ermutigen wollen und dass wir einen Beirat für Integration berufen werden, um den Sachverstand verschiedener Institutionen nach Düsseldorf zu holen und über weitere Schritte nachzudenken. Auch der Zusammenhang zwischen Integration und Kultur ist neu, den wir künftig stärker hervorheben wollen. Neu ist außerdem unsere Position zum Bleiberecht, die nun unstrittig ist.

KNA: Nordrhein-Westfalen ist das Bundesland mit den meisten Ausländern. Was können andere davon lernen?

Laschet: Nordrhein-Westfalen hat zu 25 Prozent Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte. Am Ende des 19. Jahrhunderts standen im Ruhrgebiet nur ein paar Dörfer. Die gesamte Industrialisierung hat nur durch Zuwanderung stattgefunden. Diese Erfahrung hat das Land geprägt, die Erfahrung, dass Zuwanderer ein Gewinn sind. Das Eigenartige ist: Da, wo der Ausländeranteil am höchsten ist, ist die Ausländerfeindlichkeit am geringsten. Das zeigt, dass die Erfahrung im Zusammenleben der Kulturen eine positive Wirkung hat und ein Vorbild für andere Regionen sein kann.

KNA: Zum Gipfel sind auch die Kirchen eingeladen. Was erwarten Sie von ihnen in punkto Ausländerintegration?

Laschet: Die Kirchen habe schon viel geleistet in den vergangenen Jahren. Sie haben in der Migrationssozialarbeit ihre Grundüberzeugung in konkretes Handeln umgesetzt, dass man den Fremden in der Fremde annimmt. Insofern sind die Kirchen nicht unbedingt da, um als Partner mit dem Islam theologische Fragen zu diskutieren, sondern sie sind wichtige Träger der Wohlfahrtspflege und Integrationsarbeit vor Ort. Die Caritas hat dies sogar zum Jahresthema 2006 gemacht. Von den Kirchen erwarte ich also Berichte über viele Erfahrungen aus der Praxis.

KNA: Sie wollen regulären islamischen Religionsunterricht in Deutsch einführen. Wie ist der Stand der Dinge?

Laschet: Seit Jahren will man das Fach einführen, aber auf islamischer Seite fehlt ein Verhandlungspartner, weil sich die Verbände nicht einigen. Das ist ein politischer Streit, keine Auseinandersetzung darüber, was theologisch im Unterricht vermittelt werden soll. Daher haben wir entschieden, nicht bis zum Sankt-Nimmerleinstag zu warten. Wir beginnen in Duisburg und Köln und verständigen uns mit den örtlichen Moscheegemeinden und den Dachverbänden in einem Beirat über die Lehrpläne. Was dabei herauskommt, wird sich auch auf andere Städte übertragen lassen.
Dieser Weg scheint mir erfolgversprechend. Papst Benedikt XVI.
hat Ministerpräsident Rüttgers bei seinem Besuch in Rom ausdrücklich dazu ermutigt. Er hat großes Interesse gezeigt.
Entscheidend ist - auch für die Kirchen -, dass dieser Religionsunterricht bekenntnisorientiert sein wird. Indem wir nicht nur Islamkunde machen, sondern Bekenntnisunterricht in Verantwortung der Religionsgemeinschaft, stärken wir auch den katholischen und evangelischen Unterricht. Dessen Bekenntnisorientierung wollen manche ja abschaffen.

KNA: Beim Thema Moscheebau sprechen Experten von einem Boom.
Warum gibt es in Köln und Berlin Streit, warum in Duisburg nicht?

Laschet: Es kommt immer auf die einzelne Moscheegemeinde an. Bei manchen kann man auch skeptisch sein. Beim Kölner Bau der DITIB, die sehr integrationsoffen ist, sehe ich aber kein Problem. Dass Anwohner ihre Probleme zum Ausdruck bringen, halte ich für unproblematisch. Das muss möglich sein. Ich verstehe auch das Unbehagen mancher, dass Moscheen gebaut werden, Kirchen aber geschlossen und verkauft. Dafür können aber Muslime nichts, die ihren Glauben leben. Wenn sie aus Hinterhöfen kommen und sich ins Stadtbild integrieren, ist das ein Gewinn.

KNA: Wann also wäre der Integrationsgipfel ein Erfolg?

Laschet: Wenn zunächst eine realistische Analyse ohne parteipolitisches Hickhack stattfindet, konkrete Verabredungen folgen und davon am Ende die Botschaft an die Zuwanderer ausgeht:
Es ist gut, dass ihr da seid. Wir haben erkannt, nicht zuletzt während der WM, dass ihr euch zunehmend mit diesem Land identifiziert. Lasst uns gemeinsam Integration zur Erfolgsgeschichte machen.

Interview: Viola van Melis (KNA)