Erstmals kritisiert Vertreter des Zentralrats Israel

Gegen einseitige Parteinahme

Erstmals hat ein führender Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland Kritik an den Angriffen Israels auf den Libanon geübt. Das berichtet die Berliner "Tageszeitung" unter Berufung auf einen intern verschickten Brief des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinschaft Schleswig-Holstein, Rolf Verleger.

 (DR)

Erstmals hat ein führender Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland Kritik an den Angriffen Israels auf den Libanon geübt. Das berichtet die Berliner "Tageszeitung" unter Berufung auf einen intern verschickten Brief des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinschaft Schleswig-Holstein, Rolf Verleger. Verleger, der auch dem Direktorium des Zentralrats angehört, verurteile darin "Israels Gewaltpolitik".

"Kann wohl vom Zentralrat erwarten, dass ein Problem gesehen wird"
Zudem werfe Verleger dem Präsidium des Zentralrats vor, in seinen öffentlichen Stellungnahmen die dunkle Seite der israelischen Politik im Libanon und gegenüber den Palästinensern zu verschweigen. In seinem Schreiben an das Präsidium und an die anderen Direktoriumsmitglieder protestiere Verleger dagegen, dass der Zentralrat "öffentlich Partei für die militärischen Maßnahmen der israelischen Regierung gegen den Libanon ergriffen" hat.

Es sei ihm zwar klar, dass dies die Mehrheitsmeinung der Juden in Deutschland ausdrücke. Er hätte jedoch vom Präsidium "noch etwas mehr erwartet", zitiert die Zeitung den Professor für Neurophysiologie am Lübecker Universitätsklinikum.

Der jüdische Staat diskriminiere andere Menschen und bestrafe sie in Kollektivverantwortung, praktiziere Tötungen ohne Gerichtsverfahren, lasse für jeden getöteten Israeli zehn Libanesen umbringen und ganze Stadtviertel in Schutt und Asche legen, heißt es dem Bericht zufolge in Verlegers Schreiben. "Ich kann doch wohl vom Zentralrat der Juden in Deutschland erwarten, dass dies wenigstens als Problem gesehen wird."

Zentralrat: "Absolute Einzelmeinung"
Der Zentralrat der Juden in Deutschland wies Verlegers Darstellung als "absolute Einzelmeinung" zurück und will an seiner loyalen Haltung zu Israel festhalten. Sowohl im Präsidium als auch im Direktorium des Zentralrats stehe ein überwältigende Mehrheit positiv zu Israel. Deshalb habe sich der Zentralrat in öffentlichen Stellungnahmen so eindeutig an die Seite Israels gestellt. "99,9 Prozent von uns vertreten diese Position", sagte Generalsekretär Stephan Kramer gegenüber epd.

Der Brief von Verleger habe erheblichen Unmut ausgelöst. Mehrere Direktoriumsmitglieder hätten ihm eindeutige Antworten geschickt. Verleger habe sich anti-israelischer Stereotypen bedient und keine echten Argumente gebracht, sagte der Generalsekretär. Sein Verhalten werde bei der nächsten Direktoriumssitzung Thema werden.
(KNA, epd, dr)