Die Kinderarmut in Deutschland verschärft sich weiter

Düstere Zukunftsaussichten

In Nordrhein-Westfalen lebt jedes fünfte Kind unterhalb der Armutsgrenze, warnt der Deutsche Kinderschutzbund. Die Zahl der in Armut lebenden Kinder seit 2004 habe sich mehr als verdoppelt. Nach DKSB-Berechnungen trifft das auf 540.000 Kinder in Nordrhein-Westfalen zu, bundesweit seien es 2,5 Millionen.

 (DR)

In Nordrhein-Westfalen lebt jedes fünfte Kind unterhalb der Armutsgrenze, warnt der Deutsche Kinderschutzbund. Die Zahl der in Armut lebenden Kinder seit 2004 habe sich mehr als verdoppelt. Nach DKSB-Berechnungen trifft das auf 540.000 Kinder in Nordrhein-Westfalen zu, bundesweit seien es 2,5 Millionen. Nur vier Prozent dieser Kinder schaffe den Sprung auf das Gymnasium. In einem gemeinsamen Aufruf machen der Paritätische Wohlfahrtsverband, die Arbeiterwohlfahrt und der nordrhein-westfälische DKSB-Landesverband eine verfehlte Sozialpolitik für die Situation verantwortlich.

Kluft zwischen Arm und Reich wächst
"Wesentliche politische Entscheidungen der letzten Jahre haben zu einem Anstieg der Kinderarmut und zu einer Verschärfung der Lebenssituation der betroffenen Kinder geführt", sagte Paul Saatkamp, Bezirksvorsitzender der AWO Niederrhein. Kinder seien die Hauptleidtragenden der Hartz-IV-Gesetzgebung. Die Sozialleistungen für Kinder zwischen 8 und 13 Jahren seien um 10,6 Prozent und für Kinder ab dem 14. Lebensjahr um 12,5 Prozent gesenkt worden.

Das von der Bundesregierung geplante Elterngeld werde "die Kluft zwischen armen und reichen Familien" weiter vertiefen, so Saatkamp. Die Verbände sprachen sich für eine monatliche Grundsicherung von 300 Euro pro Kind aus.

"Hauch von Sozio-Suizid"
Zur Bekämpfung der Kinderarmut verlangte DKSB-Landesvorsitzender Dieter Greese staatliche Hilfs- und Unterstützungsprogramme bei Ernährung, Bekleidung und Wohnung für bedürftige Familien. "Wenn man 20 Prozent eines Kinderjahrgangs ausschließt von dem, was Kinder benötigen, um fit für unsere Gesellschaft zu werden, dann hat das einen Hauch von Sozio-Suizid", sagte Greese. Arme Kinder litten erheblich häufiger unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen, seien von qualifizierten Bildungsabschlüssen und dem Arbeitsmarkt weitgehend ausgeschlossen, würden in Armutsquartiere ausgegrenzt und fielen oftmals als Gesetzesbrecher auf. Die Gewalt zähle in diesem Milieu zur alltäglichen Lebenserfahrung, erklärte Greese.

Der Landesvorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes NRW, Cord Wellhausen, erklärte, das Grundrecht auf Bildung und Erziehung müsse auch bei in Armut lebenden Kindern eingelöst werden. Dazu zählten der Ausbau der Tagesbetreuung, eine Reform der schulischen Bildung sowie eine Verbesserung der medizinischen Versorgung. Bundesweit müssten zusätzlich 5,11 Milliarden Euro, also 0,36 Prozent des Bruttosozialproduktes, zur Bekämpfung der Kinderarmut bereitgestellt werden. Saatkamp warf der NRW Landesregierung vor, mit der Aufhebung der Schuleinzugsbezirke im neuen Schulgesetz die "Gettobildung" verstärkt zu haben. Durch fehlende Betreuungseinrichtungen für die unter Dreijährigen in NRW werde es hier zukünftig fast nur privat finanzierte Angebote geben.
(KNA, epd, dr)