Rede Papst Benedikt XVI. an Vertreter der islamischen Welt

"Wege der Versöhnung suchen"

Papst Benedikt XVI. hat am Montag vor Diplomaten aus mehrheitlich muslimischen Ländern und Repräsentanten italienischer islamischer Verbände zur Vertiefung des Dialogs zwischen Christen und Muslimen aufgerufen.

 (DR)


Papst Benedikt XVI. hat am Montag vor Diplomaten aus mehrheitlich muslimischen Ländern und Repräsentanten italienischer islamischer Verbände zur Vertiefung des Dialogs zwischen Christen und Muslimen aufgerufen. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert den Wortlaut der in Castelgandolfo gehaltenen Ansprache in einer eigenen Übersetzung:

Herr Kardinal, meine Damen und Herren Botschafter, liebe muslimische Freunde,

ich freue mich, Sie bei dieser Begegnung zu empfangen, die ich mir gewünscht habe, um die Bande der Freundschaft und Solidarität zwischen dem Heiligen Stuhl und den muslimischen Gemeinschaften der Welt zu festigen. Ich danke Herrn Kardinal Paul Poupard, Präsident des Rates für den interreligiösen Dialog, für die Worte, die er an mich gerichtet hat, sowie Ihnen allen, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind.

Die Umstände sind wohl bekannt, die dieses unser Treffen veranlasst haben und über die zu äußern ich schon in der vergangenen Woche die Gelegenheit hatte. In diesem besonderen Zusammenhang möchte ich heute alle Wertschätzung und den tiefen Respekt betonen, den ich gegenüber allen muslimischen Gläubigen hege, und an die Worte des Zweiten Vatikanischen Konzils erinnern, die für die katholische Kirche die "Magna Charta" des islamisch-christlichen Dialogs darstellen: "Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat. Sie mühen sich, auch seinen verborgenen Ratschlüssen sich mit ganzer Seele zu unterwerfen, so wie Abraham sich Gott unterworfen hat, auf den der islamische Glaube sich gerne beruft." (Nostra aetate 3).

Mich selbst entschieden in diese Perspektive stellend, hatte ich seit dem Beginn meines Pontifikats die Gelegenheit, meinen Wunsch auszudrücken, dass sich die Brücken der Freundschaft mit den Gläubigen aller Religionen weiter festigten; dabei zeigte ich besonders meine Wertschätzung für das Wachsen des Dialogs zwischen Muslimen und Christen (Rede an die Delegierten der anderen Kirchen und der kirchlichen Gemeinschaft und an andere religiöse Traditionen, 25. April 2005). Wie ich in Köln letztes Jahr unterstrichen habe, "darf der interreligiöse und interkulturelle Dialog zwischen Christen und Muslimen nicht auf eine Saisonentscheidung reduziert werden. Tatsächlich ist er eine vitale Notwendigkeit, von der zum großen Teil unsere Zukunft abhängt" (Rede an Vertreter muslimischer Gemeinden, 20. August 2005). In einer von Relativismus gekennzeichneten Welt, die zu oft die Transzendenz der Universalität der Vernunft ausschließt, ist ein authentischer Dialog zwischen den Religionen und den Kulturen zwingend notwendig; ein Dialog, der in der Lage ist, uns zu helfen, gemeinsam alle Spannungen im Geist einer fruchtbaren Zusammenarbeit zu überwinden.

Das von meinem Vorgänger Johannes Paul II. begonnene Werk fortsetzend, wünsche ich mir nun nachdrücklich, dass die vertrauensvollen Beziehungen, die seit zahlreichen Jahren zwischen Christen und Muslimen entstanden sind, nicht nur fortdauern, sondern sich in einem Geiste des ehrlichen und achtungsvollen Dialogs weiterentwickeln, gegründet auf einer immer tieferen gegenseitigen Kenntnis, die mit Freude die gemeinsamen religiösen Werte erkennt und mit Aufrichtigkeit die Unterschiede zur Kenntnis nimmt und respektiert.

Der interreligiöse und interkulturelle Dialog stellt eine Notwendigkeit dar, um gemeinsam die Welt des Friedens und der Brüderlichkeit aufzubauen, die von allen Menschen guten Willens brennend gewünscht wird. In diesem Bereich erwarten unsere Zeitgenossen ein beredtes Zeugnis, das fähig ist, allen den Wert der religiösen Dimension des Daseins aufzuzeigen.

Deshalb müssen Christen und Muslime, treu den Lehren ihrer jeweiligen religiösen Tradition, lernen, gemeinsam daran zu arbeiten - wie es schon in verschiedenen gemeinsamen Erfahrungen geschieht -, dass sie jegliche Form der Intoleranz vermeiden und sich jeder Manifestation von Gewalt entgegenstellen; und wir, die religiösen Autoritäten und politisch Verantwortlichen, wir müssen sie in diesem Sinn leiten und ermutigen.

In der Tat: "Da es im Lauf der Jahrhunderte zu manchen Zwistigkeiten und Feindschaften zwischen Christen und Muslimen kam, ermahnt die Heilige Synode alle, das Vergangene beiseite zu lassen, sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen." (Nostra aetate 3) Die Lehren der Vergangenheit müssen uns folglich helfen, Wege der Versöhnung zu suchen, um im Respekt vor der Identität und der Freiheit eines jeden zu leben, mit dem Ziel einer fruchtbaren Zusammenarbeit im Dienst der ganzen Menschheit.

Wie Papst Johannes Paul II. in seiner denkwürdigen Rede an die Jugend in Casablanca, Marokko, erklärte, "verlangen der Respekt und der Dialog die Wechselseitigkeit auf allen Gebieten, vor allem was die grundlegenden Freiheiten und insbesondere die Religionsfreiheit betrifft. Sie begünstigen den Frieden und das Verständnis zwischen den Völkern" (5).

Liebe Freunde, ich bin tief davon überzeugt, dass es in der heutigen Situation der Welt unerlässlich ist, dass sich Christen und Muslime gemeinsam den zahlreichen Herausforderungen der Menschheit stellen, namentlich was die Verteidigung und die Förderung der Würde der menschlichen Person und der sich daraus ergebenden Rechte betrifft. Während die Bedrohungen gegen den Menschen und gegen den Frieden wachsen, bekunden Christen und Muslime, eingedenk der zentralen Bedeutung der Person und im unermüdlicher Arbeit für den steten Respekt vor dem Leben, ihren Gehorsam gegenüber dem Schöpfer, der will, dass alle in der Würde leben, die er ihnen verliehen hat.

Liebe Freunde, ich wünsche von ganzem Herzen, dass der barmherzige Gott unsere Schritte auf den Pfaden eines immer tieferen gegenseitigen Verstehens führe. Jetzt, da für die Muslime die spirituelle Reise des Monats Ramadan beginnt, richte ich an sie alle meine herzlichen Wünsche und bete, dass der Allmächtige ihnen ein heiteres und ruhiges Leben gewährt. Möge der Gott des Friedens Euch und die Gemeinschaften, die Ihr vertretet, im Überfluss mit seinem Segen erfüllen.